Wir betreten den großen Speisesaal des Hotels»Walhalla«. Eduard Knobloch, der Besitzer, ein fetter Riese mit einer braunen Perücke und einem wehenden Bratenrock, verzieht bei unserem Anblick das Gesicht, als hätte er bei einem Rehrücken auf eine Schrotkugel gebissen.
»Guten Tag, Herr Knobloch«, sagte Georg.»Schönes Wetter heute! Macht mächtigen Appetit!«
Eduard zuckt nervös die Achseln.»Zuviel essen ist ungesund! Schadet der Leber, der Galle, allem.«
»Nicht bei Ihnen, Herr Knobloch«, erwidert Georg herzlich.»Ihr Mittagstisch ist gesund.«
»Gesund, ja. Aber zuviel gesund kann auch schädlich sein. Nach den neuesten wissenschaftlichen Forschungen ist zuviel Fleisch -«
Ich unterbreche Eduard, indem ich ihm einen leichten Schlag auf seinen weichen Bauch versetze. Er fährt zurück, als hätte ihm jemand an die Geschlechtsteile gegriffen.»Gib Ruhe und füge dich in dein Geschick«, sage ich.»Wir fressen dich schon nicht arm. Was macht die Poesie?«
»Geht betteln. Keine Zeit! Bei diesen Zeiten!«
Ich lache nicht über diese Albernheit. Eduard ist nicht nur Gastwirt, er ist auch Dichter; aber so billig darf er mir nicht kommen.»Wo ist ein Tisch?«frage ich.
Knobloch sieht sich um. Sein Gesicht erhellt sich plötzlich.
»Es tut mir außerordentlich leid, meine Herren, aber ich sehe gerade, daß kein Tisch frei ist.«
»Das macht nichts. Wir warten.«
Eduard blickt noch einmal umher.»Es sieht so aus, als ob auch einstweilen keiner frei würde«, verkündet er strahlend.»Die Herrschaften sind alle erst bei der Suppe. Vielleicht versuchen Sie es heute einmal im „Altstädter Hof“ oder im Bahnhofshotel. Man soll dort auch passabel essen.«
Passabel! Der Tag scheint von Sarkasmus zu triefen. Erst Heinrich und jetzt Eduard. Wir aber werden um das Gulasch kämpfen, auch wenn wir eine Stunde warten müssen – es ist ein Glanzpunkt auf der Speisekarte des»Walhalla«.
Doch Eduard ist nicht nur Poet, sondern scheint auch Gedankenleser zu sein.»Keinen Zweck zu warten«, sagt er.»Wir haben nie genug Gulasch und sind immer vorzeitig ausverkauft. Oder möchten Sie ein deutsches Beefsteak? Das können Sie hier an der Theke essen.«
»Lieber tot«, sage ich.»Wir werden Gulasch kriegen, und wenn wir dich selbst zerhacken müssen.«
»Wirklich?«Eduard ist nichts als ein fetter, zweifelnder Triumph.
»Ja«, erwidere ich und gebe ihm einen zweiten Klaps auf den Bauch.»Komm, Georg, wir haben einen Tisch.«
»Wo?«fragt Eduard rasch.
»Dort, wo der Herr sitzt, der aussieht wie ein Kleiderschrank. Ja, der mit dem roten Haar und der eleganten Dame. Der, der aufgestanden ist und uns zuwinkt. Mein Freund Willy, Eduard. Schick den Kellner, wir wollen bestellen!«
Eduard läßt ein zischendes Geräusch hinter uns hören, als wäre er ein geplatzter Autoschlauch. Wir gehen zu Willy hinüber.