Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

»Herr Ober!«wiederholt Georg.

Der Kellner bleibt taub. Es ist der alte, kindische Trick Eduards; er versucht, uns mürbe zu machen, indem er die Kellner instruiert, uns nicht zu bedienen.

»Ober! Kerl, können Sie nicht hören?«brüllt plötzlich eine Donnerstimme in erstklassigem preußischem Kasernenhofton durch den Speisesaal. Sie wirkt auf der Stelle, wie ein Trompetensignal auf alte Schlachtpferde. Der Kellner hält an, als hätte er einen Schuß in den Rücken bekommen, und dreht sich um; zwei andere stürzen von der Seite herbei, irgendwo klappt jemand die Hacken zusammen, ein militärisch aussehender Mann an einem Tisch in der Nähe sagt leise:»Bravo«- und selbst Eduard kommt mit wehendem Bratenrock, um nach dieser Stimme aus höheren Sphären zu forschen. Er weiß, daß weder Georg noch ich so kommandieren können.

Wir sehen uns sprachlos nach Renée de la Tour um. Sie sitzt friedlich und mädchenhaft da, als ginge sie das Ganze nichts an. Dabei kann nur sie es sein, die gerufen hat – wir kennen Willys Stimme.

Der Ober steht am Tisch.»Was befehlen die Herrschaften?«

»Nudelsuppe, Gulasch und rote Grütze für zwei«, erwidert Georg.»Und flott, sonst blasen wir Ihnen die Ohren aus, Sie Blindschleiche!«

Eduard kommt heran. Er versteht nicht, was los ist. Sein Blick gleitet unter den Tisch. Dort ist niemand versteckt, und ein Geist kann nicht so gebrüllt haben. Wir auch nicht, das weiß er. Er vermutet irgendeinen Trick.»Ich muß doch sehr bitten«, sagt er schließlich,»in meinem Lokal kann man nicht solchen Lärm machen.«

Niemand antwortet. Wir sehen ihn nur mit leeren Augen an. Renée de la Tour pudert sich. Eduard dreht sich um und geht.

»Wirt! Kommen Sie mal her!«brüllt plötzlich die Donnerstimme von vorher hinter ihm her.

Eduard schießt herum und starrt uns an. Wir alle haben noch dasselbe leere Lächeln auf unseren Schnauzen. Er faßt Renée de la Tour ins Auge.»Haben Sie da eben -?«

Renée klappt ihre Puderdose zu.»Was?«fragt sie in einem silberhellen, zarten Sopran.»Was wollen Sie?«

Eduard glotzt. Er weiß nicht mehr, was er denken soll.

»Sind Sie vielleicht überarbeitet, Herr Knobloch?«fragt Georg.»Sie scheinen Halluzinationen zu haben.«

»Aber da hat doch jemand gerade -«

»Du bist verrückt, Eduard«, sage ich.»Du siehst auch schlecht aus. Geh auf Urlaub. Wir haben kein Interesse daran, deinen Angehörigen einen billigen Hügelstein aus imitiertem italienischem Marmor zu verkaufen, denn mehr bist du nicht wert -«

Eduard klappert mit den Augen wie ein alter Uhu.

»Sie scheinen ein merkwürdiger Mensch zu sein«, sagt Renée de la Tour in flötenhaftem Sopran.»Dafür, daß Ihre Kellner nicht hören können, machen Sie Ihre Gäste verantwortlich.«

Sie lacht – ein entzückendes, sprudelndes Gequirl von Silber und Wohllaut, wie ein Waldbach im Märchen.

Eduard faßt sich an die Stirn. Sein letzter Halt schwindet. Das Mädchen kann es auch nicht gewesen sein. Wer so lacht, hat keine solche Kommißstimme.»Sie können gehen, Knobloch«, erklärt Georg nachlässig.»Oder haben Sie die Absicht, an der Unterhaltung teilzunehmen?«

»Und iß nicht so viel Fleisch«, sage ich.»Vielleicht kommt es davon! Was hast du uns vorhin noch erklärt? Nach den neuesten wissenschaftlichen Forschungen -«

Eduard dreht sich rasch um und haut ab. Wir warten, bis er weit genug weg ist. Dann beginnt Willys mächtiger Körper in lautlosem Gelächter zu beben. Renée de la Tour lächelt sanft. Ihre Augen funkeln.

»Willy«, sage ich.»Ich bin ein oberflächlicher Mensch, und dieses war deshalb einer der schönsten Momente meines jungen Lebens – aber jetzt erkläre uns, was los ist!«

Willy zeigt, bebend vor schweigendem Gebrüll, auf Renée.

»Excusez, Mademoiselle«, sage ich.»Je me -«

Willys Gelächter verstärkt sich bei meinem Französisch.

»Sag’s ihm, Lotte«, prustet er.

»Was?«fragt Renée mit züchtigem Lächeln, aber plötzlich in leisem, grollendem Baß.

Wir starren sie an.»Sie ist Künstlerin«, würgt Willy hervor.»Duettistin. Sie singt Duette. Aber allein. Eine Strophe hoch, eine tief. Eine im Sopran, eine im Baß.«

Das Dunkel lichtet sich.»Aber der Baß -«frage ich.

»Talent!«erklärt Willy.»Und dann natürlich Fleiß. Ihr solltet mal hören, wie sie einen Ehestreit nachmacht. Lotte ist fabelhaft!«

Wir geben das zu. Das Gulasch erscheint. Eduard umschleicht, von ferne beobachtend, unsern Tisch. Sein Fehler ist, daß er immer herausfinden muß, warum etwas geschieht. Das verdirbt seine Lyrik und macht ihn mißtrauisch im Leben. Augenblicklich grübelt er über den mysteriösen Baß nach. Er weiß nicht, was ihm noch bevorsteht. Georg Kroll, ein Kavalier der alten Schule, hat Renée de la Tour und Willy gebeten, seine Gäste zu sein, um den Sieg zu feiern. Er wird für das vorzügliche Gulasch dem zähneknirschenden Eduard nachher vier Papierstücke einhändigen, für deren Gesamtwert man heute kaum noch ein paar Knochen mit etwas Fleisch daran kaufen kann.

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