Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

»Unbedingt! Mit einem Stück Brot. Das kleine Dejeuner für jede Art von Weltschmerz«, erwidert Georg und reicht mir mein Glas.»Hast du welchen?«

»Ein anständiger Mensch in meinem Alter hat immer Weltschmerz«, erwidere ich fest.»Es ist das Recht der Jugend.«

»Ich dachte, man hätte dir die Jugend beim Militär gestohlen?«

»Stimmt. Ich bin immer noch auf der Suche nach ihr, finde sie aber nicht. Deshalb habe ich einen doppelten Weltschmerz. So wie ein amputierter Fuß doppelt schmerzt.«

Das Bier ist wunderbar kalt. Die Sonne brennt uns auf die Schädel, und auf einmal ist, trotz allen Weltschmerzes, wieder einer der Augenblicke da, wo man dem Dasein sehr dicht in die grüngoldenen Augen starrt. Ich trinke mein Bier andächtig aus. Alle meine Adern scheinen plötzlich ein Sonnenbad genommen zu haben.»Wir vergessen immer wieder, daß wir nur kurze Zeit diesen Planeten bewohnen«, sage ich.»Deshalb haben wir einen völlig irrigen Weltkomplex. Den von Menschen, die ewig leben. Hast du das schon gemerkt?«

»Und wie! Es ist der Kardinalfehler der Menschheit. An sich ganz vernünftige Leute lassen grauenhaften Verwandten auf diese Weise Millionen von Dollars zukommen, anstatt sie selbst zu verbrauchen.«

»Gut! Was würdest du tun, wenn du wüßtest, daß du morgen sterben müßtest?«

»Keine Ahnung.«

»Nein? Gut, ein Tag ist vielleicht eine zu kurze Zeit. Was würdest du tun, wenn du wüßtest, daß du in einer Woche dahin wärest?«

»Immer noch keine Ahnung.«

»Irgend was müßtest du doch tun! Wie wäre es, wenn du einen Monat Zeit hättest?«

»Ich würde wahrscheinlich so weiterleben wie jetzt«, sagt Georg.»Ich hätte sonst den ganzen Monat durch das elende Gefühl, mein Leben bisher falsch gelebt zu haben.«

»Du hättest einen Monat Zeit, es zu korrigieren.«

Georg schüttelt den Kopf.»Ich hätte einen Monat Zeit, es zu bereuen.«

»Du könntest unser Lager verkaufen an Hollmann und Klotz, nach Berlin fahren und einen Monat mit Schauspielern, Künstlern und eleganten Huren ein atemberaubendes Leben führen.«

»Der Zaster würde nicht für acht Tage reichen. Und die Damen würden nur Barmädchen sein. Außerdem lese ich lieber darüber. Phantasie enttäuscht nie. Aber wie ist es mit dir? Was würdest du machen, wenn du wüßtest, daß du in vier Wochen sterben würdest?«

»Ich?«sage ich betroffen.

»Ja, du.«

Ich blicke in die Runde. Da ist der Garten, grün und heiß, in allen Farben des Hochsommers, da segeln die Schwalben, da ist das endlose Blau des Himmels, und oben aus seinem Fenster glotzt der alte Knopf, der gerade aus seinem Rausch erwacht ist, in Hosenträgern und einem karierten Hemd auf uns herab.»Ich muß darüber nachdenken«, sage ich.»Sofort kann ich es nicht sagen. Es ist zuviel. Ich habe jetzt nur das Gefühl, daß ich explodieren würde, wenn ich es so wüßte, daß es mir als genug erschiene.«

»Denke nicht zu stark nach; sonst müssen wir dich zu Wernicke bringen. Aber nicht zum Orgelspielen.«

»Das ist es«, sage ich.»Wahrhaftig, das ist es! Wenn wir es ganz erkennen könnten, würden wir verrückt.«

»Noch ein Glas Bier?«fragt Frau Kroll durch das Küchenfenster.»Es ist auch Himbeerkompott da. Frisches.«

»Gerettet!«sage ich.»Sie haben mich soeben gerettet, gnädige Frau. Ich war wie ein Pfeil auf dem Wege zur Sonne und zu Wernicke. Gott sei Dank, alles ist noch da! Nichts ist verbrannt! Das süße Leben spielt noch mit Schmetterlingen und Fliegen um uns herum, es ist nicht in Asche zerstäubt, es ist da, es hat noch alle seine Gesetze, auch die, die wir ihm angelegt haben wie einem Vollblut ein Geschirr! Trotzdem, kein Himbeerkompott zu Bier, bitte! Dafür aber ein Stück fließenden Harzer Käse. Guten Morgen, Herr Knopf! Ein schöner Tag! Was halten Sie vom Leben?«

Knopf starrt mich an. Sein Gesicht ist grau, und unter seinen Augen hängen Säcke. Nach einer Weile winkt er verärgert ab und schließt sein Fenster.»Wolltest du nicht noch was von ihm?«fragt Georg.

»Ja, aber erst heute abend.«


Wir treten bei Eduard Knobloch ein.»Sieh da«, sage ich und bleibe stehen, als wäre ich gegen einen Baum gerannt.»So spielt das Leben scheinbar auch! Ich hätte es ahnen sollen!«

In der Weinabteilung sitzt Gerda an einem Tisch, auf dem ein Bukett Tigerlilien steht. Sie ist allein und hackt gerade auf ein Stück Rehrücken ein, das fast so groß ist wie der Tisch.»Was sagst du dazu?«frage ich Georg.»Riecht das nicht nach Verrat?«

»War etwas zu verraten?«fragt Georg zurück.

»Nein. Aber wie wäre es mit Vertrauensbruch?«

»War ein Vertrauen zu brechen?«

»Laß das, Sokrates!«erwidere ich.»Siehst du nicht, daß Eduards dicke Pfoten hier im Spiele sind?«

»Das sehe ich. Aber wer hat dich verraten? Eduard oder Gerda?«

»Gerda! Wer sonst? Der Mann hat nie etwas damit zu tun.«

»Die Frau auch nicht.«

»Wer denn?«

»Du. Wer sonst?«

»Gut«, sage ich.»Du hast leicht reden. Du wirst nicht betrogen. Du betrügst selbst.«

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