Читаем Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend полностью

Draußen kommen leise Schritte heran. Ich luge vorsichtig aus dem Fenster. Es ist nicht Knopf; es ist ein Liebespaar, das auf Zehenspitzen durch den Hof in den Garten schleicht. Die Saison ist jetzt in vollem Gange, und die Not der Liebenden ist größer als je. Wilke hat recht: wohin sollen sie gehen, um ungestört zu sein? Wenn sie versuchen, in ihre möblierten Zimmer zu schleichen, liegt die Wirtin auf der Lauer, um sie im Namen der Moral und des Neides wie ein Engel mit dem Schwert auszutreiben – in öffentlichen Anlagen und Gärten werden sie von Polizisten angebrüllt und festgenommen – für Hotelzimmer haben sie kein Geld – wohin sollen sie also gehen? In unserem Hof sind sie ungestört. Die größeren Denkmäler bieten Schutz vor anderen Paaren; man wird nicht gesehen, und man kann sich an sie anlehnen und in ihrem Schatten flüstern und sich umarmen, und die großen Kreuzdenkmäler sind nach wie vor für die stürmisch Liebenden an feuchten Tagen da, wenn sie sich nicht am Boden lagern können; dann halten die Mädchen sich an ihnen fest und werden von ihren Bewerbern bedrängt, der Regen schlägt in ihre heißen Gesichter, der Nebel weht, ihr Atem fliegt stoßweise, und die Köpfe, deren Haar ihr Geliebter mit seinen Fäusten gepackt hat, sind hochgerissen wie die wiehernder Pferde. Die Schilder, die ich neulich angebracht habe, haben nichts genützt. Wer denkt schon an seine Zehen, wenn sein ganzes Dasein in Flammen steht?

Plötzlich höre ich Knopfs Schritte in der Gasse. Ich sehe auf die Uhr. Es ist halb drei; der Schleifer vieler Generationen unglücklicher Rekruten muß also schwer geladen haben. Ich drehe das Licht ab. Zielbewußt steuert Knopf sofort auf den schwarzen Obelisken zu. Ich nehme das Ende der Regenröhie, das in mein Fenster ragt, presse meinen Mund dicht an die Oeffnung und sage:»Knopf!«

Es klingt hohl am anderen Ende, im Rücken des Feldwebels, aus der Röhre, als käme es aus einem Grabe. Knopf blickt um sich; er weiß nicht, woher die Stimme kommt.»Knopf!«wiederhole ich.»Schwein! Schämst du dich nicht? Habe ich dich deshalb erschaffen, damit du säufst und Grabsteine anpißt, du Sau?«

Knopf fährt wieder herum.»Was?«lallt er.»Wer ist da?«

»Dreckfink!«sage ich, und es klingt geisterhaft und unheimlich.»Fragen stellst du auch noch? Hast du einen Vorgesetzten zu fragen? Steh stramm, wenn ich mit dir rede!«

Knopf starrt sein Haus an, von dem die Stimme kommt. Alle Fenster darin sind dunkel und geschlossen. Auch die Tür ist zu. Das Rohr auf der Mauer sieht er nicht.»Steh stramm, du pflichtvergessener Lump von einem Feldwebel!«sage ich.»Habe ich dir dafür Litzen am Kragen und einen langen Säbel verliehen, damit du Steine beschmutzest, die für den Gottesacker bestimmt sind?«Und schärfer, zischend, im Kommandoton:»Knochen zusammen, würdeloser Grabstein-Nässer!«

Das Kommando wirkt. Knopf steht stramm, die Hände an der Hosennaht. Der Mond spiegelt sich in seinen weit aufgerissenen Augen.»Knopf«, sage ich mit Gespensterstimme.»Du wirst zum Soldaten zweiter Klasse degradiert, wenn ich dich noch einmal erwische! Du Schandfleck auf der Ehre des deutschen Soldaten und des Vereins aktiver Feldwebel a. D.«

Knopf horcht, den Kopf etwas seitlich hochgereckt, wie ein mondsüchtiger Hund.»Der Kaiser?«flüstert er.

»Knöpfe deine Hose zu und verschwinde!«flüstere ich hohl zurück.»Und merke dir: Riskiere deine Sauerei noch einmal, und du wirst degradiert und kastriert! Kastriert auch! Und nun fort, du liederlicher Zivilist, marsch-marsch!«

Knopf stolpert benommen auf seine Haustür los. Gleich darauf bricht das Liebespaar wie zwei aufgescheuchte Rehe aus dem Garten und saust auf die Straße hinaus. Das hatte ich natürlich nicht gewollt.

XIV

Der Dichterklub ist bei Eduard versammelt. Der Ausflug zum Bordell ist beschlossen. Otto Bambuss erhofft davon eine Durchblutung seiner Lyrik; Hans Hungermann will sich Anregungen holen für seinen»Casanova«und einen Zyklus in freien Rhythmen:»Dämon Weib«, und selbst Matthias Grund, der Dichter des Buches vom Tode, glaubt für das letzte Delirium eines Paranoikers ein paar flotte Details erhaschen zu können.»Warum kommst du nicht mit, Eduard?«frage ich.

»Kein Bedürfnis«, erklärt er überlegen.»Habe alles, was ich brauche.«

»So? Hast du?«Ich weiß, was er vorspiegeln will, und ich weiß auch, daß er lügt.

»Er schläft mit allen Zimmermädchen seines Hotels«, erklärt Hans Hungermann.»Wenn sie sich weigern, entläßt er sie. Er ist ein wahrhafter Volksfreund.«

»Zimmermädchen! Das würdest du

tun! Freie Rhythmen, freie Liebe! Ich nicht! Nie etwas im eigenen Hause! Alter Wahlspruch.«

»Mit Gästen auch nicht?«

»Gäste.«Eduard richtet die Augen zum Himmel.»Da kann man sich natürlich oft nicht helfen. Die Herzogin von Bell-Armin zum Beispiel -«

»Was zum Beispiel?«frage ich, als er schweigt.

Eduard ziert sich.»Ein Kavalier ist diskret.«

Hungermann bekommt einen Hustenanfall.»Schöne Diskretion! Wie alt war sie? Achtzig?«

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