- so wenig verändert wie möglich und so viel wie unumgänglich nötig. Er erkannte jetzt, daß, was ihm am Morgen wie ein willkürliches und ungeplantes Bauen und Wuchern vorgekommen war, sich in Wirklichkeit perfekt in das von der Natur und dem natürlichen Wuchs des Waldes vorgegebene Muster einpaßte. Nicht ein einziges Gebäude, kein Steg und keine Straße störten den natürlichen Rhythmus des Waldes, nichts schien gewaltsam aufgesetzt. Es gab keine Breschen, die in den Wald geschlagen worden wären, um Platz für Häuser und Menschen zu schaffen, keine willkürlichen Veränderungen. Der Mensch hatte hier nicht zerstört, sondern geschaffen, die Natur nicht verändert, sondern vervollkommnet, hier und da ein wenig hinzugefügt, dort vorsichtig gerodet, Kanten und Ecken geglättet und vielleicht dort, wo die Natur selbst das Maß des Perfekten noch nicht erreicht hatte, behutsam eingegriffen. Went war keine Stadt, sondern eine Symbiose zwischen dem Schaffen der Natur und dem des Menschen, ein Ort, an dem sich göttliche und menschliche Fügung getroffen und auf vielleicht einmalige Weise vereint hatten. Selbst die wehrhaften Verteidigungsanlagen – der zweifach gestaffelte Ring der Dornenhecken, die Türme, das breite, deckungslose Gelände dazwischen, die Fallgruben – alles fügte sich perfekt in dieses riesige, auf seine ungeplante Art schon beinahe wieder symmetrisch und gewollt erscheinende System ein. Von hier aus betrachtet wirkte selbst der Zaun nicht mehr wie eine Grenze, sondern wie eine natürliche Ergänzung der Stadt, ein Teil eines gewaltigen Musters, das so und nicht anders sein konnte.
Sie erreichten den Fuß der Rampe und wandten sich nach rechts, tiefer in den Wald hinein. Zwischen den weit auseinanderstehenden Stämmen herrschte reges Leben, wie schon am Tage zuvor, und wie beim ersten Mal konnte sich Skar des unangenehmen Gefühles, angestarrt zu werden, nicht erwehren. Natürlich –er war ein Fremder, und zwischen den kleinwüchsigen Bewohnern Wents mußte seine breitschultrige und muskulöse Gestalt erst recht auffallen, aber es war doch ein unangenehmes Gefühl, aus Hunderten von neugierigen Augenpaaren angestarrt zu werden. Zumal, da er immer noch nicht wußte, ob diese Augen nun wirklich nur neugierig oder aber feindlich auf ihn hinabsahen.
Thoranda blieb plötzlich stehen und deutete auf eine Gruppe jüngerer Frauen, die wenige Schritte abseits des Weges standen, miteinander redeten und ab und zu einen neugierigen Blick in seine Richtung warfen. »Warte einen Moment, Skar«, sagte sie. »Ich habe etwas mit ihnen zu besprechen. Es dauert nicht lange. Geh nicht weg.«
Skar nickte gehorsam, wenn es ihm auch immer schwerer fiel, nicht zu widersprechen. Er begann sich allmählich wie ein Kind zu fühlen, das an einem unsichtbaren Gängelband herumgeführt wurde und dem jeder sagen zu müssen glaubte, was es zu tun oder zu lassen hatte, und er war sich mit einemmal sicher, daß ihn Thoranda nicht allein aus Furcht, daß er sich verirren könnte, begleitete. Trotzdem war es sicher besser, sich nach ihren Anordnungen zu richten. Zumindest, dachte er spöttisch, war die Heilerin als Wächter so manch anderem, den er kennengelernt hatte, vorzuziehen.