»Du hast mich kämpfen sehen, Coar«, fiel ihr Skar grob ins Wort. »Und du warst beeindruckt davon. Was du nicht gesehen hast, das war die Einstellung, die man braucht, um so zu kämpfen. Ich habe mehr Menschen getötet, als Went Einwohner hat, Coar. Ich habe gemordet und gebrandschatzt, und ich habe Heere kommandiert, die größer waren als euer ganzes Volk. Ich habe lernen müssen, Männer in den sicheren Tod zu schicken und einen Feind zu vernichten, bevor er wirklich zum Feind werden kann. Ich habe mehr Macht gehabt, als sich Männer wie Mergell überhaupt vorstellen können. Ich habe lernen müssen, Frauen und Kinder zu töten und wehrlose Dörfer in Brand zu setzen. Willst du, daß ich euch das zeige? Willst du wirklich, daß eure Männer so werden? Willst du das?«
Coar antwortete nicht, aber Skar sah deutlich, wie betroffen sie zwar. Sie sah ihn an, öffnete den Mund, brachte aber nur einen kläglichen, halbwegs wimmernden Ton hervor. Ihre Lippen zuck:ten. Aber Skar wußte, daß sie ihm immer noch nicht glaubte. Obwohl es ihn beinahe mehr schmerzte als sie, mußte er das Messer in der Wunde auch noch herumdrehen. Er ergriff Coars Arm, zog sie grob zu sich heran und drückte zu. Sie wand sich unter seinem Griff, aber er ließ nicht los, sondern drückte im Gegenteil noch fester zu.
»Du tust mir weh!« keuchte sie.
Skar lachte rauh. »Wirklich? Vielleicht macht es mir Freude, jemandem weh zu tun.«
»Skar, bitte! Du . . . du . . .«
»Schweig!« zischte Skar.
»Du wolltest doch, daß eure Männer so werden wie wir, oder? Oder möchtest du nur einen Helden auf Abruf, eine Kampfmaschine, die sich in einen Märchenprinzen verwandelt, wenn der Feind geschlagen ist?« Er lachte erneut, ergriff mit der anderen Hand Coars Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. »Den Märchenprinzen, den du dir wünschst, Coar, den gibt es nicht! Es wird ihn nie geben, verstehst du das endlich?«
Coar wand sich verzweifelt unter seinem Griff, aber gegen seine überlegene Kraft kam sie nicht an. Er schüttelte sie wie ein Spielzeug und stieß sie schließlich grob von sich, so daß sie gegen einen Baum taumelte. »Sieh mich an!« schrie er. Er machte einen Schritt auf sie zu, hob die Hände in die Höhe und vertrat ihr blitzschnell den Weg, als sie davoneilen wollte. »Sieh dir diese Hände an! Sie sind zum Arbeiten und Streicheln gedacht, aber Del und ich, wir benutzen sie zum Töten! Ich kann einen Menschen mit bloßen Händen in Stücke reißen, und ich tue es, wenn es sein muß, Coar! Und du willst, daß ich mithelfe, euch ebenso werden zu lassen? Willst du das wirklich?!«
Coar begann leise zu weinen.
Mit der Ankunft der Reiter aus Ipcearn breitete sich eine hektische, aufgeregte Atmosphäre über der Stadt aus. Skar sah mehr Menschen als gewohnt in Went, und am frühen Nachmittag versammelte sich auf der Lichtung im Zentrum der Stadt eine fröhliche, lachende Menschenmenge und begann mit den Vorbereitungen für ein Fest – Bänke und eiserne Bratspieße wurden herbeigeschleppt, Feuerstellen vorbereitet und große, bauchige Fässer auf hölzernen Böcken aufgestellt. Skar sah den Vorbereitungen eine Weile vom Waldrand aus zu, aber seine Laune sank mit jedem Augenblick mehr. Coar hatte sich nach der häßlichen Szene, die er ihr gemacht hatte, stumm abgewandt und war gegangen, und er hatte sie seitdem nicht wiedergesehen. Er wußte, daß er ihr weh getan hatte, sehr weh, und er wußte auch, daß es nicht fair gewesen war. Von allen Menschen, die er in Cearn getroffen hatte, mochte Coar der sanfteste sein; seine Vorwürfe waren ungerechtfertigt gewesen, und im Grunde hatte er nicht mehr getan, als seinen Zorn auf Mergell an ihr auszulassen. Aber wie so oft waren die Worte heraus, ehe er sich über ihre Wirkung richtig im klaren gewesen war, und wie so oft fehlte ihm der Mut, ihr einfach nachzugehen und ein paar Worte der Entschuldigung zu sagen. Selbst jetzt wäre es noch nicht zu spät dazu gewesen, und eigentlich wußte er selber nicht zu sagen, warum er es nicht tat.
Vielleicht war es der Zorn auf sich selbst. Mergells Forderung hätte ihn nicht so überraschend treffen dürfen, wie sie es getan hatte. Er hatte genug erlebt, um eigentlich wissen zu müssen, daß man niemals etwas geschenkt bekam. Auch hier nicht.