»Auf derselben Bank im Tiergarten, unfern der Statue des Apollo, wo er die verhängnisvolle Brieftasche gefunden, saß der Baron Theodor von S., in einen Mantel gehüllt, den griechischen Turban auf dem Kopfe. Von der Stadt her tönten die Glocken herüber. Die Mitternachtsstunde schlug. Ein rauher Herbstwind strich durch Baum und Gebüsch, die Nachtvögel schwangen sich kreischend durch die sausenden Lüfte, immer schwärzer wurde die Finsternis, und wenn die Mondessichel auf Augenblicke die Wolken durchschnitt und ihre Strahlen hinabwarf in den Wald, da war es, als hüpften in den Gängen seltsame Spukgestalten auf und ab und trieben ihr unheimlich Wesen mit tollem Spiel und flüsterndem Geistergespräch. Den Baron wandelte in der tiefen Einsamkeit der Nacht ein Grauen an. ›So beginnt‹, sprach er, ›das Fest der Liebe, das dir versprochen? - O all ihr Mächte des Himmels, hätte ich nur meine Jagdflasche mit Jamaikarum gefüllt und, dem griechischen Kostüm unbeschadet, um meinen Hals gehängt, wie ein freiwilliger Jäger, ich nähme einen Schluck und -‹ Da zogen plötzlich unsichtbare Hände dem Baron den Mantel von den Schultern herab. Entsetzt sprang er auf und wollte fliehen, doch ein herrlicher melodischer Laut ging durch den Wald, ein fernes Echo antwortete, der Nachtwind säuselte milder, siegend brach der Mond durch die Wolken, und in seinem Schimmer gewahrte der Baron eine hohe, herrliche, in Schleier gehüllte Gestalt. ›Teodoros‹, hauchte sie leise, indem sie den Schleier zurückschlug. O Entzücken des Himmels! Der Baron erkannte die Fürstin in der reichsten griechischen Tracht, ein funkelndes Diadem in dem schwarzen aufgenestelten Haar. - ›Teodoros‹, sprach die Fürstin mit dem Ton der innigsten Liebe, ›Teodoros, mein Teodoros, ja, ich habe dich gefunden - ich bin dein - empfange diesen Ring -‹ In dem Augenblick war es, als halle ein Donnerschlag durch den Wald, und eine hohe majestätische Frau mit ernstem gebietendem Antlitz stand plötzlich zwischen dem Baron und der Fürstin. ›Aponomeria‹, schrie die Fürstin auf, wie in dem Schreck des freudigsten Erwachens aus finstrem Traum, und warf sich an die Brust der Alten, die mit furchtbarem Blick den Baron durchbohrte. Den einen Arm um die Fürstin geschlungen, den andern hoch in die Lüfte emporgestreckt, sprach die Alte nun mit feierlichem das Innerste durchdringenden Ton: ›Vernichtet ist der höllische Zauber des schwarzen Dämons - er liegt in schmachvollen Banden, du bist frei, hohe Fürstin - o du mein süßes Himmelskind! - Schau auf, schaue deinen Teodoros!‹ - Ein blendender Glanz ging auf, in ihm stand eine hohe Heldengestalt auf mutigem Streitroß, in den Händen ein flatterndes Panier, auf dessen einer Seite ein rotes mit Strahlen umgebenes Kreuz, auf der andern ein aus der Asche steigender Phönix abgebildet! - -«
Die Erzählung bricht hier ab, ohne etwas Weiteres von dem Baron Theodor von S. und dem Kanzleiassistenten Schnüspelpold zu erwähnen. Auf dem dritten und letzten Blättchen stehen nur wenige Worte von der Hand der Fürstin.
»O all ihr Heiligen, all ihr ewigen Mächte des Himmels! an den Rand des Abgrunds hatte mich der boshafte Magus verlockt, schwindelnd wollte ich hinabstürzen, da brach der Zauber durch dich, o Aponomeria, meine zweite Mutter! - Ha! ich bin frei - frei! zerrissen sind alle Bande! - Er ist mein Sklave, den ich zertreten könnte, empfänd ich nicht Mitleid mit seinem Elend! - Großmütig will ich ihm sein magisches Spielzeug lassen. - Teodoros, ich habe dich geschaut in dem Spiegel, aus dem mir die herrlichste Zukunft entgegenstrahlte! - Ja!
Dicht an den Rand dieses Blättleins hat Schnüspelpold geschrieben:»Ich ergebe mich in mein Schicksal, das durch die Huld der Fürstin noch leidiglich genug ist. Hat sie mir doch meinen Haarzopf gelassen und manches andere hübsche Spielzeug dazu. Gott weiß aber, wie es mir künftig in Griechenland ergehen wird. - Ich büße die Schuld meiner Torheit, denn unerachtet aller meiner kabbalistischen Wissenschaft sah ich doch nicht ein, daß ein phantastischer Elegant zum Höheren ebensowenig zu brauchen ist als ein Korkstöpsel und daß der Teraphim des Propheten Sifur eigentlich ein viel gescheuteres Männlein war als der Herr Baron Theodor von S. und also auch viel eher als dieser der Fürstin für ihren geliebten Teodoros Capitanaki gelten konnte.«
Es können noch einige Notizen des Barons Achatius von F. folgen.