Gemeinsam machten sich die drei auf den Weg. Jeder von ihnen bemerkte langsam die Anstrengungen der letzten Stunden, und jetzt, da die Spannung von ihnen abfiel, kam die Müdigkeit. Sie schleppten sich mehr durch den Wald, als sie gingen. Die Augen fielen ihnen zu.
»Da! Da sind sie!«, rief eine Stimme. Und aufgeregte Bereitschaftspolizisten und Hundeführer kam herbeigelaufen. Die Kinder erschraken fürchterlich, denn so schnell hatten sie nicht mit den Suchern gerechnet.
Die nächsten Minuten wurden hektisch. Die Kinder wurden gefragt, wo sie gewesen waren, was mit ihren Fahrrädern passiert sei, die Polizisten machten einen besorgten Eindruck. Sie erfuhren, dass die Eltern am frühen Abend auf eigene Faust auf die Suche gegangen waren und die zerstörten Räder gefunden hatten. Dann hatten sie die Polizei angerufen. Diese hatte dann eine Suchaktion gestartet, konnte sie aber die ganze Nacht nicht finden. Dafür hatten an verschiedenen Stellen des Waldes die Hunde auf anderen Spuren Tobsuchtsanfälle bekommen, und die Tiere waren kaum zu beruhigen gewesen. Die Polizei vermutete dahinter eine Chemikalie.
Siggi stellte erfreut fest, dass sie sich mit ihrer Geschichte nicht widersprachen, als sie gefragt wurden. Sie verstanden sich blind.
Als sie eine halbe Stunde später in einem Polizeiwagen saßen, stieß Siggi Hagen in die Seite und beugte sich zu ihm hinüber.
»Das macht eine wahre Freundschaft aus: gemeinsame Erlebnisse und Geheimnisse«, sagte er leise zu Hagen und Gunhild.
Die drei Kinder lachten laut auf.
Draußen vor dem Auto stand der Einsatzleiter mit dem Funktelefon in der Hand. »Ja, wir haben sie gefunden«, sagte er. »Es geht ihnen gut, sie lachen schon wieder ...«
Epilog
Zwei Wochen später ...
Die
Die Mutter der beiden war gleich in Odenhausen geblieben, nachdem sie Hagen mit mehr Proviant und guten Ratschlägen versorgt hatte, als er im Leben brauchen würde. Ihr Vater hatte sich mit Handschlag verabschiedet und sich noch einmal für den Überfall der Jugendgang entschuldigt, für den er sich, wie er sagte, irgendwie mit verantwortlich fühle.
»Ich lass euch dann allein und gehe noch einen Kaffee trinken«, hatte er dann gesagt und war in Richtung des Ausflugslokal verschwunden, dessen Kaffeeterrasse einen wunderschönen Blick auf den Rhein erlaubt.
»Er geht jetzt in den ›Nibelungenbrunnen‹ «, schmunzelte Siggi, der offen auf der Brust das bronzene Mjölnir-Amulett trug.
»O nein, nicht noch einer!«, entfuhr es Hagen, der theatralisch die Hände nach oben warf. »Wie viele habt ihr denn noch davon?«
»Es gibt noch ein paar Dutzend Brunnen und diverse Ausflugslokale, die so heißen«, sagte Gunhild. »Genug, um bis zur Rente jedes Jahr zur Sommersonnenwende einen neuen zu finden, um den wir tanzen können.«
»Nein, nicht noch mal«, meinte Hagen. »In den nächsten Sommerferien besucht ihr mich. Da werden wir bei meiner Tante Meg in Irland sein. Da gibt es keine Nibelungen.«
»Das wär toll!«, seufzte Siggi. »Aber ob unsere Eltern ...?«
»Das kriegen wir schon hin«, meinte Gunhild und grinste: »Wir kommen!«
»Ja, unbedingt«, meinte Siggi. »Wir dir auch.«
Sie gingen die Treppe zum Anleger hinunter. Hagen schleppte seinen alten abgewetzten, seit diversen Generation in Familienbesitz befindlichen Koffer, über den er sich selbst lustig gemacht hatte, als Siggi und Gunhild ihn beim Packen geholfen haben. Typisch Engländer, hatte er gesagt und dabei gegrinst.
Zwei schöne Wochen voller Ausflüge, Spaß, Faulenzen, Schwimmen und Spielen lagen hinter ihnen. Nur in den Wald hatten sie nicht mehr gedurft, weil die ›Bande‹, die ihre Fahrräder demoliert hatte, noch nicht geschnappt worden war. Die Polizei vermutete, dass sie aus Frankfurt oder einer anderen Großstadt gekommen waren, aber die Ermittlungen waren bislang alle im Sande verlaufen.
Die drei wussten warum ...
Der Rhein floss träge der Nordsee entgegen. Das Wasser stand tief, aber noch war auch für die großen Schiffe keine Gefahr, dass die Schifffahrt wegen Niedrigwasser eingestellt werden musste.
»Aus der Nähe ist der Fluss überhaupt nicht romantisch«, meinte Gunhild. »Als wir ihn aus der Ferne vom Felsen aus sahen, war er viel schöner, aber von hier aus betrachtet, ist das Wasser einfach nur schmutzig.«
»Aus der Ferne betrachtet ist vieles schöner«, meinte Hagen, »aber damit müssen wir leben. Und für Romantik kann ich auch sorgen.«