Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Die Schauspieler schleuderten ihre Hände in die Luft, traten unablässig vor und zurück und rollten beim Sprechen mit den Augen.

Er glaube, flüsterte Bessel, Goethe sei heute in seiner Loge.

Gauß fragte, ob das der Esel sei, der sich anmaße, Newtons Theorie des Lichts zu korrigieren.

Leute drehten sich zu ihnen um, Bessel schien in seinem Sitz zu schrumpfen und sagte kein Wort mehr, bis der Vorhang fiel.

Beim Hinausgehen wurden sie von einem hageren Herrn angesprochen. Ob er die Ehre mit Gauß, dem Astronomen, habe?

Dem Astronomen und Mathematiker, sagte Gauß.

Der Mann stellte sich als preußischer Diplomat vor, zur Zeit ansässig in Rom, gerade auf der Durchreise nach Berlin, wo er einen Posten als Direktor der Unterrichtssektion im Innenministerium antreten werde. Es gebe viel zu tun, deutsches Schulwesen müsse von Grund auf reformiert werden. Er selbst habe die beste Erziehung genossen, nun finde er Gelegenheit, etwas davon weiterzureichen. Er stand sehr aufrecht, ohne sich auf seinen silbernen Stock zu stützen. Übrigens seien sie Alumni derselben Universität und hätten gemeinsame Bekannte. Daß Herr Gauß auch in der Mathematik tätig sei, habe er nicht gewußt. Erhebend, nicht wahr?

Gauß verstand nicht.

Die Aufführung.

Naja, sagte Gauß.

Er begreife schon. Nicht ganz das richtige in diesem Moment. Etwas Deutsches wäre angemessener gewesen. Aber mit Goethe diskutiere man schwer über solche Dinge.

Gauß, der zuvor nicht zugehört hatte, bat den Diplomaten, seinen Namen zu wiederholen.

Der Diplomat tat es mit einer Verneigung. Er sei übrigens auch Forscher!

Neugierig beugte Gauß sich vor.

Er untersuche alte Sprachen.

Ach so, sagte Gauß.

Das, sagte der Diplomat, habe enttäuscht geklungen.

Sprachwissenschaft. Gauß wiegte den Kopf. Er wolle ja keinem zu nahe treten.

Nein, nein. Er solle es ruhig sagen.

Gauß zuckte die Achseln. Das sei etwas für Leute, welche die Pedanterie zur Mathematik hätten, nicht jedoch die Intelligenz. Leute, die sich ihre eigene notdürftige Logik erfänden.

Der Diplomat schwieg.

Gauß fragte ihn nach seinen Reisen. Er müsse ja wirklich überall gewesen sein!

Das, sagte der Diplomat säuerlich, sei sein Bruder. Eine Verwechslung, die ihm nicht zum erstenmal passiere. Er verabschiedete sich und ging mit kleinen Schritten davon.

In der Nacht ließen die Schmerzen an Rücken und Bauch Gauß nicht einschlafen. Er wälzte sich hin und her und schimpfte leise auf sein Schicksal, auf Weimar und vor allem Bessel. Früh am nächsten Morgen, Bes-sel war noch nicht aufgestanden, ließ er anspannen und befahl dem Kutscher, ihn sofort nach Göttingen zu bringen.

Endlich angekommen, die Reisetasche noch in der Hand, abwechselnd vorgebeugt wegen seiner Bauchschmerzen und schief zurückgelehnt wegen seines steifen Rückens, fragte er in der Universität nach dem Baubeginn des Observatoriums.

Man höre zur Zeit nicht viel vom Ministerium, sagte der Beamte. Hannover sei weit. Genaues wisse man nicht. Falls er das vergessen habe, es sei Krieg.

Die Armee habe Schiffe, sagte Gauß, die müsse man navigieren, dafür brauche man Sternenkarten, und die erstelle man nicht gut daheim in der Küche.

Der Beamte versprach baldige Nachricht. Übrigens plane man eine gründliche Neuvermessung des Königreichs Westfalen. Der Herr Professor habe doch schon einmal als Geodät gearbeitet. Man suche noch einen tüchtigen Rechner als Leiter der Unternehmung.

Gauß öffnete den Mund. Mit aller Willenskraft brachte er es fertig, den Mann nicht anzuschreien. Er schloß ihn wieder und ging ohne Gruß.

Er riß die Wohnungstür auf und rief, er sei zurück und gehe so bald nicht wieder. Als er sich im Flur die Stiefel auszog, traten Arzt, Hebamme und Schwiegermutter aus dem Schlafzimmer. Also schön, diesmal würde er sich nicht blamieren. Breit lächelnd und etwas zu überschwenglich fragte er, ob es schon da sei und ob Junge oder Mädchen und vor allem, wieviel es wiege.

Ein Junge, sagte der Arzt. Er liege im Sterben. Wie auch die Mutter.

Man habe alles versucht, sagte die Hebamme.

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