»Nun frisch zugereicht«, rief Berthold, indem er heraufstieg. Ich erstaunte über die Schnelligkeit, mit der Berthold die Zeichnung ins Große übertrug; keck zog er seine Linien, niemals gefehlt, immer richtig und rein. An dergleichen Dinge, in früherer Zeit gewöhnt, half ich dem Maler treulich, indem ich, bald oben, bald unter ihm stehend, die langen Lineale in die angedeuteten Punkte einsetzte und festhielt, die Kohlen spitz schliff und ihm zureichte usw.»Ihr seid ja gar ein wackerer Gehülfe«, rief Berthold ganz fröhlich,»und Ihr«, erwiderte ich,»in der Tat einer der geübtesten Architektur-Maler, die es geben mag; habt Ihr denn bei Eurer fertigen kecken Faust nie andere Malerei getrieben als diese? - Verzeiht meine Frage.«-»Was meint ihr denn eigentlich?«sprach Berthold,»Nun«, erwiderte ich,»ich meine, daß Ihr zu etwas Besserem taugt, als Kirchenwände mit Marmorsäulen zu bemalen. Architektur-Malerei bleibt doch immer etwas Untergeordnetes; der Historien-Maler, der Landschafter steht unbedingt höher. Geist und Fantasie, nicht in die engen Schranken geometrischer Linien gebannt, erheben sich in freiem Fluge. Selbst das einzige Fantastische Eurer Malerei, die sinnetäuschende Perspektive, hängt von genauer Berechnung ab, und so ist die Wirkung das Erzeugnis, nicht des genialen Gedankens, sondern nur mathematischer Spekulation.«Der Maler hatte, während ich dies sprach, den Pinsel abgesetzt und den Kopf in die Hand gestützt.»Unbekannter Freund«, fing er jetzt mit dumpfer feierlicher Stimme an:»Unbekannter Freund, du frevelst, wenn du die verschiedenen Zweige der Kunst in Rangordnung stellen willst, wie die Vasallen eines stolzen Königs. Und noch größerer Frevel ist es, wenn du nur die Verwegenen achtest, welche taub für das Klirren der Sklavenkette, fühllos für den Druck des Irdischen, sich frei, ja selbst sich Gott wähnen und schaffen und herrschen wollen über Licht und Leben. - Kennst du die Fabel von dem Prometheus, der Schöpfer sein wollte, und das Feuer vom Himmel stahl, um seine toten Figuren zu beleben? - Es gelang ihm, lebendig schritten die Gestalten daher, und aus ihren Augen strahlte jenes himmlische Feuer, das in ihrem Innern brannte; aber rettungslos wurde der Frevler, der sich angemaßt Göttliches zu fahen, verdammt zu ewiger fürchterlicher Qual. Die Brust, die das Göttliche geahnt, in der die Sehnsucht nach dem Überirdischen aufgegangen, zerfleischte der Geier, den die Rache geboren und der sich nun nährte von dem eignen Innern des Vermessenen. Der das Himmlische gewollt, fühlte ewig den irdischen Schmerz.«- Der Maler stand in sich versunken da.»Aber«, rief ich:»Aber Berthold, wie beziehen Sie das alles auf Ihre Kunst? Ich glaube nicht, daß irgend jemand es für vermessenen Frevel halten kann, Menschen zu bilden, sei es durch Malerei, oder Plastik.«Wie in bitterm Hohn lachte Berthold auf.»Ha ha - Kinderspiel ist kein Frevel! - Kinderspiel ist's wie sie's machen, die Leute, die getrost ihre Pinsel in die Farbentöpfe stecken und eine Leinwand beschmieren, mit der wahrhaftigen Begier, Menschen darzustellen; aber es kommt so heraus, als habe, wie es in jenem Trauerspiele steht, irgend ein Handlanger der Natur versucht Menschen zu bilden, und es sei ihm mißlungen. - Das sind keine freveliche Sünder, das sind nur arme unschuldige Narren! Aber Herr! - wenn man nach dem Höchsten strebt - nicht Fleischeslust, wie Tizian - nein das Höchste der göttlichen Natur, der Prometheusfunken im Menschen - Herr! - es ist eine Klippe - ein schmaler Strich, auf dem man steht - der Abgrund ist offen! - über ihm schwebt der kühne Segler und ein teuflischer Trug läßt ihn unten - unten