Die nächste Unterbrechung veranlaßte den Piloten, sein Buch wegzulegen und aufzustehen.
»Was treibt dieser Verrückte jetzt?« fragte er laut. »Bohrt er am Ende Löcher in den Rumpf?«
Feth konnte seine Besorgnis verstehen. Die Außentür der Luftschleuse war geschlossen worden und der Druck hatte schon eine geraume Zeit seinen Normalwert erreicht, nun aber fiel der Druck wieder rapid ab, als wäre irgendwo ein Leck entstanden. Es wurde Luft in die Kammer hineingepumpt. Die Außentür war noch immer geschlossen.
»Vielleicht füllt er ein paar Tanks«, meinte Feth optimistisch.
»Womit denn? Wir haben an Bord keine Pumpe, die schneller Luft aufnehmen kann, als die Schleusenablaßventile sie liefern… bis auf die Hauptzirkulatoren natürlich. Aber die kann er von seinem Standort aus nicht bedienen.«
»Warum fragen Sie ihn nicht? Wie ich sehe, ist auch die Innentür versperrt. Wenn Sie hingehen und die Tür aufmachen, bekommt er womöglich mitten in der Arbeit vor Schreck einen Anfall.«
»Den Anfall kriege ich, wenn das so weitergeht«, grollte Lee. Er sah wieder zum Druckmesser hin. Der Druck hatte sich auf der Hälfte des normalen Wertes stabilisiert. »Na ja, wenn es ein Leck war, dann hatte er wenigstens so viel Verstand, es zu stopfen.«
Er ging ans Mikrophon, schaltete die in ihren Raumanzügen benutzte Wellenlänge ein und rief Ken an. Dieser antwortete prompt. Nein, er hatte keine Löcher in den Rumpf gebohrt. Er würde bald fertig sein. Mehr konnte Lee nicht von ihm herausbekommen.
»Man könnte meinen, Sie trauen ihm nicht über den Weg«, ätzte Feth. »Sie haben ebensoviel Grund ihm zu glauben wie mir. Und ich scheine Ihnen halb so viel Kummer zu machen.«
»Na, wenn der erst ein paar Prisen von dem Zeug bekommen hatte, werde ich ähnlich von ihm denken. Aber jetzt… wenn man ihn so hört, möchte man meinen, er glaube nicht recht daran, daß er unter Rauschgifteinfluß steht. Daß jemand so mit Drai spricht, habe ich noch nie gehört.«
»Ich habe so mit ihm gesprochen… früher mal.«
»Ja. Aber Ken hat sich schon öfter so benommen. Drai teilt meine Meinung. Er sagte mir, ich sollte praktisch im Kontrollraum mein Lager aufschlagen, solange ihr beide an Bord seid. Ich bin zwar anderer Ansicht. Immerhin habe ich den Schlüssel. Und wenn jemand das gesamte Kontrollsystem, das nur durch eine Spezialsperre zugänglich ist knacken will, dann muß er schon verdammt gut sein. Na ja, Befehl bleibt Befehl.«
Er wandte sich wieder seinem Buch zu, und Feth überließ sich seinen düsteren Gedanken.
Die verlassen sich also einzig und allein auf das Rauschgift. Als ob ich das nicht gewußt hätte. Wenn Ken einen Weg fände, an den Kälte-Safe Drais heranzukommen mir ist es nie geglückt – und wenn schon, wir könnten Sarr ohnehin nicht finden… wenn man sich bloß nach einer Sonne wie Rigel oder Deneb richten müßte, die man schon aus Tausenden von Parsek erkennt, anstatt ganz nahe heranzumüssen, damit man Planeten erkennt… so jagten sich seine Überlegungen, die größtenteils aus vielen ›Wenn bloß‹ bestanden, wie seit Jahren schon. Das Rauschgift hatte Feths Bewußtsein wenig oder gar nichts anhaben können, doch die Tatsache seiner Abhängigkeit hatte ihn allen Fluchtplänen gegenüber eine apathische Haltung einnehmen lassen. Warum nur hatte er sich jetzt Ken gefügt… wie würde Ken sein gegebenes Versprechen halten können?
Kens Stimme unterbrach seine Gedankengänge. »Feth, könnten Sie auf einen Sprung herunterkommen und mir helfen? Ich bin fast durch. Ich möchte ein paar Behälter aus der Schleuse rausschaffen.«
Beide Sarrianer sahen zum Druckanzeiger hin. Der Druck in der Schleuse zeigte steigende Tendenz.
»Gut, ich komme«, antwortete Feth. »Öffnen Sie die Innentür, wenn der Druck normal ist.« Er ging den Gang entlang. Der Pilot blieb zurück. Ken hatte die Worte seiner Durchsage geschickt gewählt.
Er blieb nicht so lange aus, als daß der Pilot hätte mißtrauisch werden können. Nach zwei oder drei Minuten hörte Lee Feth und Ken auf dem Gang. Sie sprachen kein Wort miteinander, so daß die Neugierde des Piloten erwachte. Er wollte ihnen entgegengehen und stand auf, als die beiden auch schon eintraten. Feths düstere Miene hatte sich verflüchtigt. Sie hatte einem Ausdruck Platz gemacht, der viel schwerer zu deuten war. Lee hatte auch gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sein Blick wurde von einem Gegenstand gefesselt, den beide in einer Stoffschlinge zwischen sich trugen.
Das Ding war in etwa kubisch, dreißig Zentimeter lang. Farbe gelb. Ihm entströmte eine sichtbare Dunstspur, auf der Oberfläche zeigten sich gelbe Tröpfchen, die sich vergrößerten, Tröpfchen von satterem, honigfarbenem Ton, Tröpfchen, die zusammenliefen, die Seite des Blocks entlangliefen, die Schlinge durchfeuchteten und in der dünnen Luft verschwanden. Lee war sichtlich verwirrt, als er das Ding sah. Seine Verwirrung ging in Entsetzen über, doch er bewahrte seine Fassung.
»Ach, dafür wurde die Luft verbraucht«, bemerkte er. »Und was soll das?«