Geschickt entledigte sich Clybourne seiner Aufgabe. Schließlich gab er ihr ein Glas Reinigungsmittel und einige Papierhandtücher.
Sie wischte sich die schwarze Schmiere von den Fingerkuppen, während Clybourne zwei Tassen Kaffee eingoß. Eine gab er ihr. »Jemand hat gesagt, daß Sie in Washington wohnen?«
»Ich bin hier aufgewachsen«, sagte sie. »Da fällt mir ein, können Sie mir eine Taxe rufen?«
»Klar. Wohin?«
»Flintridge. Das liegt in Connecticut, im Rock Creek Park.«
»Kenne ich.« Er sah auf die Uhr. »Wenn Sie zehn Minuten warten können, bringe ich Sie hin.«
»Ich möchte Ihnen keine Schwierigkeiten machen.«
»Kein Problem. Ich mach Feierabend und fahr sowieso in die Richtung.«
»In dem Fall gern. Vielen Dank.«
»Sie können am Haupteingang auf mich warten«, sagte Clybourne. Er nahm einen Notizblock aus der Tasche, auf dem das Dienstsiegel des Weißen Hauses prangte, notierte etwas darauf und entnahm einer anderen Tasche eine Sicherheitsnadel. »Tragen Sie das als vorläufigen Hausausweis an Ihrem Uniformaufschlag «, sagte er. »Ich bin in zehn Minuten bei Ihnen.«
Er lächelte erneut, und sie merkte, daß sie sein Lächeln erwiderte.
4. Blindekuh
Obwohl ihm Nadja gesagt hatte, der Genosse Vorsitzende erwarte ihn, blieb General Narowtschatow an der Tür stehen, bis Petrowski ihn zum Nähertreten auffordern würde. Petrowski liebte keine Überraschungen.
Verglichen mit seinem eigenen Büro war dies hier spartanisch eingerichtet. Petrowski schien sich aus schönen Dingen wie Teppichen, Wandbehängen und Gemälden nichts zu machen. Er erfreute sich an seltenen Büchern mit kunstvollen Ledereinbänden und trank gern alten Cognac; darüber hinaus trieb er so gut wie keinen persönlichen Aufwand.
Früher einmal hatte Nikolai Nikolajewitsch Narowtschatow befürchtet, es könne gefährlich sein, sich mit äußerlichen Zeichen von Wohlstand und Macht zu umgeben, wo es doch der Vorsitzende so offensichtlich nicht tat. Noch immer war er davon überzeugt, daß diese Sorge in den Anfangsjahren nicht fehl am Platze gewesen war; doch je höher er auf der Karriereleiter stieg, desto zahlreicher und wertvoller wurden die Geschenke, die ihm Petrowski schickte, bis deutlich zu sehen war, daß er seinen alten Weggefährten geradezu ermunterte, sich etwas zu gönnen, sich an Dingen zu freuen, die ihm nichts bedeuteten.
Nie hatte er mit dem Vorsitzenden darüber gesprochen. Es genügte, daß es sich so verhielt.
Jetzt hob der Vorsitzende Petrowski den Blick von seinen Notizen und lächelte ihm freundlich zu. »Immer herein in die gute Stube.« Er verzog das Gesicht und sagte: »Es scheint kein Witz zu sein. Die rücken uns offenbar wirklich immer näher auf den Pelz, was?« Er hob sein Teeglas und sah über dessen Rand zu Narowtschatow hinüber.
»Ja, Anatoli Wladimirowitsch.« General Narowtschatow hob die Schultern. »Den Aussagen der Astronomen zufolge wäre es für die Außerirdischen gegenwärtig ausgesprochen schwierig, der Erde nicht näher zu kommen. Sie bewegen sich mit großer Geschwindigkeit auf uns zu.«
»Und wann sind sie hier?«
»In ein paar Wochen. Es heißt, Genaueres lasse sich nur schwer sagen, weil das Raumschiff einen eigenen Antrieb besitze. Dadurch sei es in seinen Manövern unberechenbar.«
»Und Sie sind immer noch davon überzeugt, daß es sich nicht um einen neuen Trick der CIA handelt?«
»Ja, Anatoli Wladimirowitsch.«
»Ich eigentlich auch. Aber die Armee glaubt nicht an Außerirdische.«
Narowtschatow nickte. Damit hatte er gerechnet. Das könnte sich als großes Problem für einen Mann erweisen, der schon genug davon hatte. Der Vorsitzende sah alt und müde aus. Und was, wenn…?
Als hätte der Vorsitzende seine Gedanken gelesen, fuhr er fort: »Ihre letzte Beförderung liegt schon sehr lange zurück, Nikolai Nikolajewitsch, mein Freund. Ich möchte, daß Sie den Posten des Ersten Sekretärs übernehmen. Wir werden den Genossen Majarowin ins Politbüro erheben, wo er in Ehren vor sich hinrosten kann.«
»Aber ich bitte Sie…«
»Doch. Gerade jetzt ist das richtig. Nikolai Nikolajewitsch, ich hoffe schon lange, mich als erster Führer der Sowjetunion ehrenvoll zur Ruhe setzen zu können. Vielleicht tue ich das eines Tages auch, aber erst, wenn ich das Amt einem Würdigen übergeben kann. Sie sind der Getreueste, den ich kenne.«
»Ich danke Ihnen.«
»Nein wirklich, es ist die Wahrheit. Aber vielleicht bin ich nicht mehr lange bei Ihnen, mein Freund. Die Ärzte sagen…«
»Unsinn.«
»Keineswegs. Doch bevor ich dahingehe, hoffe ich etwas noch nie Dagewesenes zu erreichen, nämlich Stabilität für unser Land, die Möglichkeit, daß unsere Besten ihm dienen können, ohne um ihr Leben zittern zu müssen.«