»Potter, hat sie gesagt?«
»Der Harry Potter«
Das Letzte, was Harry sah, bevor der Hut über seine Augen herabsank, war die Halle voller Menschen, die die Hälse reckten, um ihn gut im Blick zu haben. Im nächsten Moment sah er nur noch das schwarze Innere des Huts. Er wartete.
»Hmm«, sagte eine piepsige Stimme in seinem Ohr.»Schwierig. Sehr schwierig. Viel Mut, wie ich sehe. Kein schlechter Kopf außerdem. Da ist Begabung, du meine Güteja – und ein kräftiger Durst, sich zu beweisen, nun, das ist interessant… Nun, wo soll ich dich hinstecken?«
Harry umklammerte die Stuhllehnen und dachte:»Nicht Slytherin, bloß nicht Slytherin.«
»Nicht Slytherin, nein?«, sagte die piepsige Stimme.»Bist du dir sicher? Du könntest groß sein, weißt du, es ist alles da in deinem Kopf und Slytherin wird dir auf dem Weg zur Größe helfen. Kein Zweifel – nein? Nun, wenn du dir sicher bist – dann besser nach GRYFFINDOR!«
Harry hörte, wie der Hut das letzte Wort laut in die Halle rief, Er nahm den Hut ab und ging mit zittrigen Knien hinüber zum Tisch der Gryffindors. Er war so erleichtert, überhaupt aufgerufen worden und nicht nach Slytherin gekommen zu sein, daß er kaum bemerkte, daß er den lautesten Beifall überhaupt bekam. Percy der Vertrauensschüler stand auf und schüttelte ihm begeistert die Hand, während die Weasley-Zwillinge riefen:»Wir haben Potter! Wir haben Potter!«Harry setzte sich an einen Platz gegenüber dem Geist mit der Halskrause, den er schon vorhin gesehen hatte. Der Geist tätschelte ihm den Arm, und Harry hatte plötzlich das schreckliche Gefühl, den Arm gerade in einen Eimer voll eiskalten Wassers zu tauchen.
Er hatte jetzt eine gute Aussicht auf den Hohen Tisch der Lehrer. Am einen Ende, ihm am nächsten, saß Hagrid, der seinen Blick erwiderte und mit dem Daumen nach oben zeigte. Harry grinste zurück. Und dort, in der Mitte des Hohen Tischs, auf einem großen goldenen Stuhl, saß Albus Dumbledore. Harry erkannte ihn von der Karte wieder, die er im Zug aus dem Schokofrosch geholt hatte. Dumbledores silbernes Haar war das Einzige in der ganzen Halle, was so hell leuchtete wie die Geister. Harry erkannte auch Professor Quirrell, den nervösen jungen Mann aus dem Tropfenden Kessel. Mit seinem großen purpurroten Turban sah er sehr eigenartig aus.
Jetzt waren nur noch drei Schüler übrig, deren Haus bestimmt werden mußte.»Turpin, Lisa«wurde eine Ravenclaw. Dann war Ron an der Reihe. Mittlerweile war er blaßgrün im Gesicht. Harry kreuzte die Finger unter dem Tisch, und eine Sekunde später rief der Hut»GRYFFINDOR«
Harry klatschte wie die andern am Tisch laut Beifall, als Ron sich auf den Stuhl neben ihm fallen ließ.
» Gut gemacht, Ron, hervorragend«, sagte Percy Weasley wichtigtuerisch über Harrys Kopf hinweg, während»Zabini, Blaise«zu einer Slytherin gemacht wurde. Professor McGonagall rollte ihr Pergament zusammen und trug den Sprechenden Hut fort.
Harry blickte hinab auf seinen leeren Goldteller. jetzt erst überkam ihn auf einmal gewaltiger Hunger. Die Kürbispasteten schien er schon vor einer Ewigkeit verspeist zu haben.
Albus Dumbledore war aufgestanden. Mit einem strahlenden Lächeln blickte er in die Runde der Schüler, die Arme weit ausgebreitet, als ob nichts ihm mehr Freude machen könnte, als sie alle hier versammelt zu sehen.
»Willkommen! «, rief er.»Willkommen zu einem neuen Jahr in Hogwarts! Bevor wir mit unserem Bankett beginnen, möchte ich ein paar Worte sagen. Und hier sind sie: Schwachkopf! Schwabbelspeck! Krimskrams! Quiek!
Danke sehr!«
Er nahm wieder Platz. Alle klatschten und jubelten. Harry wußte nicht recht, ob er lachen sollte.
»Ist er… ist er ein bißchen verrückt?«, fragte er Percy unsicher.
»Verrückt?«, sagte Percy unbekümmert.»Er ist ein Genie! Der beste Zauberer der Welt! Aber ein bißchen verrückt ist er, ja. Kartoffeln, Harry?«
Harry staunte mit offenem Mund. Die Platten vor ihm auf dem Tisch waren überladen mit Essen. Er hatte noch nie so vieles, das er mochte, auf einem einzigen Tisch gesehen: Roastbeef, Brathähnchen, Schweine- und Lammkoteletts, Würste, Schinken, Steaks, Pellkartoffeln, Bratkartoffeln, Pommes, Yorkshire-Pudding, Erbsen, Karotten, Ketchup und, aus irgendeinem merkwürdigen Grund, Pfefferminzbonbons.
Die Dursleys hatten Harry nicht gerade hungern lassen, aber er hatte nie so viel essen dürfen, wie er wollte. Dudley hatte Harry immer das weggenommen, was er wirklich mochte, selbst wenn Dudley schlecht davon wurde. Harry häufte von allem etwas auf seinen Teller, nur die Pfefferminzbonbons ließ er aus. Er begann zu essen und es schmeckte köstlich.
»Das sieht wahrhaft gut aus«, sagte der Geist mit der Halskrause traurig, während er Harry dabei zusah, wie er sein Steak zerschnitt.
»Können Sie nicht -?«
»Ich habe seit fast vierhundert Jahren nichts mehr gegessen«, sagte der Geist.»Ich muß natürlich nicht, aber man vermißt es ja doch. Habe ich mich eigentlich schon vorgestellt? Sir Nicholas de Mimsy-Porpington, zu Ihren Diensten. Hausgeist von Gryffindor; ich wohne im Turm.«