Vertreter der Kobolde bei Gringotts bekräftigten heute noch einmal, daß nichts gestohlen wurde. Das Verlies, das durchsucht wurde, war zufällig am selben Tag geleert worden.
»Wir sagen Ihnen allerdings nicht, was drin war, also halten Sie Ihre Nasen da raus, falls Sie wissen, was gut für Sie ist«, sagte ein offizieller Koboldsprecher von Gringotts heute Nachmittag.
Harry erinnerte sich, daß Ron ihm im Zug gesagt hatte, jemand habe versucht, Gringotts auszurauben. Doch Ron hatte nicht erwähnt, an welchem Tag das war.
»Hagrid!«, rief Harry,»dieser Einbruch bei Gringotts war an meinem Geburtstag! Vielleicht sogar, während wir dort waren«
Diesmal konnte es keinen Zweifel geben: Hagrid blickte Harry nicht in die Augen. Er stöhnte auf und bot ihm noch (,in Plätzchen an. Harry las den Zeitungsartikel noch einmal durch. Das Verlies, das durchsucht wurde, war zufällig am selben Tag geleert worden. Hagrid hatte Verlies siebenhundertneunzehn geleert, wenn man es so nennen konnte, denn er hatte nur dieses schmutzige kleine Paket herausgeholt. War es das, wonach die Diebe gesucht hatten?
Als Harry und Ron zum Abendessen ins Schloß zurückkehrten, waren ihre Taschen voll gestopft mit den steinharten Plätzchen, die sie aus Höflichkeit nicht hatten ablehnen wollen. Harry überlegte, daß ihm bisher keine Unterrichtsstunde so viel Stoff zum Nachdenken geliefert hatte wie dieser Teenachmittag bei Hagrid. Hatte Hagrid dieses Päckchen gerade noch rechtzeitig geholt? Wo war es jetzt? Und wußte Hagrid mehr über Snape, Als er Harry erzählen wollte?
Duell um Mitternacht
Harry hätte sich nicht träumen lassen, daß er je auf einen jungen stoßen würde, den er mehr haßte als Dudley bis er Draco Malfoy kennen lernte. Ein Glück, daß die Erstkläßler von Gryffindor nur die Zaubertrankstunden gemeinsam mit den Slytherins hatten und sie sich deshalb nicht allzu lange mit Malfoy abgeben mußten. Wenigstens taten sie es nicht, bis sie am schwarzen Brett ihres Aufenthaltsraumes eine Notiz bemerkten, die sie alle aufstöhnen ließ. Die Flugstunden würden am Donnerstag beginnen. Und Gryffindor und Slytherin sollten zusammen Unterricht haben.
»Das hat mir gerade noch gefehlt«, sagte Harry mit düsterer Stimme.»Genau das, was ich immer wollte. Mich vor den Augen Malfoys auf einem Besen lächerlich machen.«
Auf das Fliegenlernen hatte er sich mehr gefreut als auf alles andere.
»Du weißt doch noch gar nicht, ob du dich lächerlich machst«, sagte Ron vernünftigerweise.»jedenfalls weiß ich, daß Malfoy immer damit protzt, wie gut er im Quidditch ist, aber ich wette, das ist alles nur Gerede.«
Malfoy sprach in der Tat ausgiebig vom Fliegen. Er beklagte sich lauthals, daß die Erstkläßler es nie schafften, in eines der Quidditch-Teams aufgenommen zu werden, und erzählte langatmige Geschichten, die immer damit zu enden schienen, daß er um Haaresbreite irgendwelchen Muggeln in Hubschraubern entkommen war. Allerdings war er nicht der Einzige: Seamus Finnigan jedenfalls ließ durchblicken, daß er den größten Teil seiner Kindheit damit verbracht habe, auf einem Besen übers Land zu brausen. Selbst Ron erzählte jedem, der es hören wollte, wie er auf Charlies altem Besen einmal fast mit einem Drachenflieger zusammengestoßen sei. Alle Schüler aus Zaubererfamilien redeten ständig über Quidditch. Mit Dean Thomas, der auch in ihrem Schlafsaal war, hatte sich Ron bereits einen heftigen Streit über Fußball geliefert. Ron konnte einfach nicht einsehen, was so spannend sein sollte.in einem Spiel mit nur einem Ball, bei dem es nicht erlaubt war zu fliegen. Harry hatte Ron dabei erwischt, wie er vor Deans Poster von dessen Lieblingsfußballmannschaft stand und die Spieler anfeuerte, sich doch endlich zu bewegen.
Neville wiederum hatte noch nie einen Besen bestiegen. Seine Großmutter wollte ihn nicht einmal in die Nähe eines solchen Fluggeräts lassen. Harry gab ihr im Stillen Recht, denn Neville schaffte es sogar, mit beiden Füßen fest auf dem Boden eine erstaunliche Zahl von Unfällen zu erleiden.
Fast so nervös wie Neville, wenn es ans Fliegen ging, war Hermine Granger. Fliegen war etwas, was man nicht aus einem Buch auswendig lernen konnte – nicht, daß sie es nicht versucht hätte. Beim Frühstück am Donnerstagmorgen langweilte sie alle mit dummen Flugtips, die sie in einem Bibliotheksband namens Quidditch im Wandel der Zeiten gefunden hatte. Neville hing ihr an den Lippen, begierig auf alles, was ihm nachher helfen könnte, auf dem Besen zu bleiben, doch alle anderen waren erleichtert, als die Ankunft der Post Hermines Vorlesung unterbrach.
Seit Hagrids Einladung hatte Harry keinen einzigen Brief mehr bekommen, was Malfoy natürlich schnell bemerkt hatte. Malfoys Adlereule brachte ihm immer Päckchen mit Süßigkeiten von daheim, die er am Tisch der Slytherins genüßlich auspackte.