Auch später erging es den Gryffindors in der Zaubertrankstunde nicht besser. Snape stellte sie zu Paaren zusammen und ließ sie einen einfachen Trank zur Heilung von Furunkeln anrühren. Er huschte in seinem langen schwarzen Umhang zwischen den Tischen umher, sah zu, wie sie getrocknete Nesseln abwogen und Giftzähne von Schlangen zermahlten. Bei fast allen hatte er etwas auszusetzen, außer bei Malfoy, den er offenbar gut leiden konnte. Gerade forderte er die ganze Klasse auf sich anzusehen, wie gut Malfoy seine Wellhornschnecken geschmort hatte, als giftgrüne Rauchwolken und ein lautes Zischen den Kerker erfüllten. Neville hatte es irgendwie geschafft, den Kessel von Seamus zu einem unförmigen Klumpen zu zerschmelzen. Das Gebräu sickerte über den Steinboden und brannte Löcher in die Schuhe. Im Nu stand die ganze Klasse auf den Stühlen, während Neville, der sich mit dem Gebräu voll gespritzt hatte, als der Kessel zersprang, vor Schmerz stöhnte, denn überall auf seinen Armen und Beinen brachen zornrote Furunkel auf,
»Du Idiot«, blaffte Snape ihn an und wischte den verschütteten Trank mit einem Schwung seines Zauberstabs weg.»Ich nehme an, du hast die Stachelschweinpastillen hinzugegeben, bevor du den Kessel vom Feuer genommen hast?«
Neville wimmerte, denn Furunkel brachen nun auch auf seiner Nase auf
»Bring ihn hoch in den Hospitalflügel«, fauchte Snape Seamus an. Dann nahm er sich Harry und Ron vor, die am Tisch neben Neville gearbeitet hatten.
»Du – Potter – warum hast du ihm nicht gesagt, er solle die Pastillen weglassen? Dachtest wohl, du stündest besser da, wenn er es vermasselt, oder? Das ist noch ein Punkt, der Gryffindor wegen dir abgezogen wird.«
Das war so unfair, daß Harry den Mund öffnete, um ihm zu widersprechen, doch Ron versetzte ihm hinter ihrem Kessel ein Knuff.
»Leg's nicht darauf an«, flüsterte er.»Ich hab gehört, Snape kann sehr gemein werden.«
Als sie eine Stunde später die Kerkerstufen emporstiegen, rasten wilde Gedanken durch Harrys Kopf und er fühlte sich miserabel. In der ersten Woche schon hatte Gryffindor seinetwegen zwei Punkte verloren. Warum haßte Snape ihn so sehr?
»Mach dir nichts draus«, sagte Ron.»Snape nimmt Fred und George auch immer Punkte weg. Kann ich mitkommen zu Hagrid?«
Um fünf vor drei verließen sie das Schloß und machten sich auf den Weg. Hagrid lebte in einem kleinen Holzhaus am Rande des verbotenen Waldes. Neben der Tür standen eine Armbrust und ein Paar Galoschen.
Als Harry klopfte, hörten sie von drinnen ein aufgeregtes Kratzen und ein donnerndes Bellen. Dann erwachte Hagrids Stimme:»Zurück, Fang – mach Platz.«
Hagrids großes, haariges Gesicht erschien im Türspalt, dann öffnete er.
»Wartet«, sagte er.»Platz, Fang.«
Er ließ sie herein, wobei er versuchte einen riesigen schwarzen Saurüden am Halsband zu fassen.
Drinnen gab es nur einen Raum. Von der Decke hingen Schinken und Fasane herunter, ein Kupferkessel brodelte über dem offenen Feuer, und in der Ecke stand ein riesiges Bett mit einer Flickendecke.
»Macht's euch bequem«, sagte Hagrid und ließ Fang los, der gleich auf Ron losstürzte und ihn an den Ohren leckte. Wie Hagrid war auch Fang offensichtlich nicht so wild, wie er aussah.
»Das ist Ron«, erklärte Harry, während Hagrid kochendes Wasser in einen großen Teekessel goß und Plätzchen;auf einen Teller legte.
»Noch ein Weasley, nicht wahr?«, sagte Hagrid und betrachtete Rons Sommersprossen.»Mein halbes Leben hab ich damit verbracht, deine Zwillingsbrüder aus dem Wald zu verjagen.«
Die Plätzchen waren so hart, daß sie sich fast die Zähne.ausbissen, doch Harry und Ron ließen sich nichts anmerken und erzählten Hagrid alles über die ersten Unterrichtsstunden. Fang legte den Kopf auf Harrys Knie und Sabber lief den Umhang hinunter.
Harry und Ron genossen es, daß Hagrid Filch einen»blöden Sack«nannte.
»Und was diese Katze angeht, Mrs. Norris, die möcht ich mal Fang vorstellen. Wißt ihr, immer wenn ich hochgeh zur Schule, folgt sie mir auf Schritt und Tritt. Kann sie nicht abschütteln, Filch macht sie extra scharf auf mich.«
Harry erzählte Hagrid von der ersten Stunde bei Snape. Wie zuvor schon Ron, riet ihm auch Hagrid, sich darüber keine Gedanken zu machen; Snape möge eben kaum einen Schüler.
»Aber er schien mich richtig zu hassen.«
»Unsinn«, sagte Hagrid.»Warum sollte er?«
Doch Harry meinte zu bemerken, daß Hagrid ihm dabei nicht wirklich in die Augen schaute.
»Wie geht's deinem Bruder Charlie?«, fragte Hagrid Ron.»Mochte ihn sehr gern, konnte prima mit Tieren umgehen.«
Harry fragte sich, ob Hagrid das Thema absichtlich gewechselt hatte. Während Ron Hagrid von Charlies Arbeit mit den Drachen erzählte, zog Harry ein Blatt Papier unter der Teehaube hervor. Es war ein Ausschnitt aus dem Tagespropheten:
Neues vom Einbruch bei Gringotts
Die Ermittlungen im Fall des Einbruchs bei Gringotts vom 31. Juli werden fortgesetzt. Allgemein wird vermutet, daß es sich um die Tat schwarzer Magier oder Hexen handelt. Um wen genau es sich handelt, ist jedoch unklar.