Ich kehre von dieser Abschweifung zum Gange der damaligen Begebenheiten zurück. Um der Plünderung zu entgehen, kleidete sich jeder, so einfach und ärmlich als er nur konnte, und ich erinnere mich in der ganzen Zeit, nur einen Moskauer Einwohner ganz so wie früher in anständigen Civilkleidern, den Wladimir-Orden vierter Klasse, an der Brust tragend, frey umhergehen, gesehen zu haben; Wahrscheinlich muß er eine Sicherheitscharte gehabt haben, die ihn für Plünderung geschützet hat; welches ich daraus schließe, daß er nach der Rückkehr des Grafen Rostoptschin, sehr hart vom Grafen behandelt ward; obgleich er ein Wohlthäter und rettender Engel für viele hundert Personen gewesen ist, die ohne seiner Hülfe dachlos, und ohne Brod geblieben wären, wenn er ihnen nicht Beydes verschafft hätte. Er hieß – wenn ich mich nicht irre – Wischnewsky. Er suchte die Umherirrenden selbst auf, nahm Alle an, die zu ihm kamen, gab ihnen Wohnung und Speise in dem , oder , oder , denn ich weiß nicht wie das lange, einstöckige Gebäude heißt, welches jenseits zur rechten Hand der rothen Pforte liegt, wenn man von der Mäßnitzkoi her durch dieselbe gehet. – Mehr als dreyhundert Personen fanden dort Schutz und Nahrung. Ein gleiches Asyl war im kaiserlichen Findelhause für viele Menschen. Auch mir leistete Herr von Wischnewsky einst einen nicht geringen Dienst. Eines Morgens, etwa nach 8 Uhr, ward ein junger kranker Mensch, nur mit einem weißen sehr feinem Hemde bekleidet, auf einem kurzen Schubkarren, den ein alter Diätschock führete, unter Begleitung von 3 bewaffneten Soldaten vor unserm Hause vorbeygeführet. Mich dauerte sowohl der kranke junge feine Mann, als der Greis, der ihn fortschieben mußte, und höchst ermüdet schien. Etwa um 11 Uhr kam ich aus dem Schillingschen Hause, wohin ich alle Tage ging, und als ich aus der Queergasse in die Lubiänka treten wollte, kamen die Soldaten mit dem Kranken, und dem vor Schweiß triefende Greise, wie ich sie am Morgen gesehen hatte, von der einher. Die Soldaten schrien mich sehr hart an, und bevor ich noch recht verstehen konnte, was sie eigentlich wollten, hörete ich dicht hinter mir in Sprache: Sie suchen ein Hospital, zeigen Sie ihnen das nächste Haus, sonst müssen Sie den Karren mit dem Kranken fortschieben: Es war der obengenannte Herr von Wischnewsky, den ich nie gesprochen hatte, und auch nicht kannte, der aber eben dicht hinter mir, die Worte der Soldaten hörete, und mir diesen Rath gab. Sogleich wies ich auf das ganz in der Nähe stehende gräflich Rostoptschinsche Haus hin, und sagte: Hier ist ja ein Hospital, so gut Sie es nur finden können. Die Soldaten dankten, und ermunterten den Führer, durch Gebärden u. Worte – die er nicht verstand – noch die wenige Schritte zu thun, um seine Bürde los zu werden. Nicht nur meine eigne Selbsterhaltung, sondern die Erhaltung so vieler Menschen, die bey mir im Hause wohneten, gab mir diese Nothlüge ein. Denn hätte ich den Karren auch aufnehmen wollen so hätte ich meine Wohnung und meine Einwohner wahrscheinlich nie mehr wieder gesehen. Unruhe, mancherley Angst, schlechte ungewohnte Nahrung, Mangel an Zeit zum Schlafen, und eine immerwährende Thätigkeit, hatten meinen Körper so geschwächet, daß ich den Schubkarren mit dem Kranken keine 50 Schritt hätte vorwärts bringen können, wozu gewiß auch nicht einmal die Kolbenstöße der begleitenden Soldaten, mich , wohl aber noch mehr unfähig gemacht haben würden. Sobald sich der Zug mit den Kranken wieder in Bewegung setzte, lief ich was ich vermochte, meine Wohnung auf der ganz nahe liegenden Schmiedebrücke zu erreichen, welches mir auch gelang. Ich würde meinem Retter auch nie den Namen nach kennen gelernt haben, wenn Herr von Wischnewsky, bei seiner Nachhausekunft, diesen Vorfall nicht dem Schauspieler Haltenhof erzählet hätte, der mir später sowohl dieses, wie auch den Namen des Hr. v. W, und das viele Gute, was er täglich für alle that, die in dem dortigen Hause wohneten, mittheilete. Noch spät am Abend kam der Kranke, den ich schon zweymal an diesem Tage gesehen hatte, in derselben Begleitung vor meinem Fenstern, der Schmiedebrücke entlang vorüber.