Ganz vertieft wandelte Kreisler den Hauptgang des Parks hinab, als ihn der Pater Hilarius ereilte, und sogleich begann: Ihr wart beim Abt, Kreisler, er sagt Euch alles! – Nun hatte ich recht? – Wir sind alle verloren! – Dieser geistliche Komödiant – es ist heraus, das Wort, wir sind unter uns! – Als er – Ihr wißt, wen ich meine – in der Kutte nach Rom kam, ließ ihn die päpstliche Heiligkeit sogleich zur Audienz. Er fiel nieder auf die Knie und küßte den Pantoffel. Ohne einen Wink, aufzustehen, ließ ihn aber die päpstliche Heiligkeit eine ganze Stunde lang liegen.»Das sei deine erste kirchliche Strafe«, fuhr die Heiligkeit ihn an, als er sich endlich erheben durfte, und hielt nun eine lange Predigt über die sündlichen Irrtümer, in die Cyprianus verfallen. – Nachher erhielt er langen Unterricht in gewissen geheimen Gemächern und zog dann aus! – Es hat lange keinen Heiligen gegeben! – Das Mirakel – nun Ihr habt das Bild gesehen, Kreisler – das Mirakel, sage ich, hat erst in Rom seine wahre Gestalt erhalten. – Ich bin nichts als ein ehrlicher Benediktiner Mönch, ein tüchtiger praefectus chori, wie Ihr mir einräumen werdet, und trinke der allein selig machenden Kirche zu Ehren gern ein Gläschen Nierensteiner oder Bocksbeutel, aber! – Mein Trost ist, daß er nicht lange hier bleiben wird. – Herumziehen muß er. Monachus in claustro non valet ova duo: sed quando est extra bene valet triginta. – Er wird denn auch wohl Wunder tun. – Seht, Kreisler, seht, da kommt er den Gang herauf. – Er hat uns erblickt und weiß wie er sich gebärden muß.«—
Kreisler erblickte den Mönch Cyprianus, der langsam feierlichen Schrittes, den stieren Blick zum Himmel gerichtet, die Hände gefaltet wie in einer frommen Extase begriffen, den Laubgang herauf kam.
Hilarius entfernte sich schnell, Kreisler blieb aber verloren in den Anblick des Mönchs, der in seinem Antlitz, in seinem Wesen etwas Seltsames, Fremdartiges trug, das ihn unter allen übrigen Menschen auszuzeichnen schien. Ein großes ungewöhnliches Verhängnis läßt lesbare Spuren zurück, und so mocht' es auch sein, daß ein wunderbares Geschick des Mönchs äußere Erscheinung gestaltet hatte, wie sie sich nun eben zeigte.
Der Mönch wollte vorüberschreiten, ohne in seiner Verzückung Kreislern zu bemerken, der fühlte sich aber aufgelegt, dem strengen Abgesandten des Oberhaupts der Kirche, dem feindlichen Verfolger der herrlichsten Kunst in den Weg zu treten.
Er tat es mit den Worten:»Erlaubt, ehrwürdiger Herr, daß ich Euch meinen Dank abstatte. Ihr befreitet mich durch Euer kräftiges Wort zur rechten Zeit aus den Händen des groben Lümmels von Zigeunerbuben; er hätte mich erwürgt, wie ein gestohlnes Huhn!«—
Der Mönch schien aus einem Traume zu erwachen, er fuhr mit der Hand über die Stirne und blickte Kreislern lange starr an, als müsse er sich auf ihn besinnen. Dann verzog sich aber sein Antlitz zum furchtbaren durchbohrenden Ernst, und Flammen des Zorns in den Augen, rief er mit starker Stimme:»Verwegener frevelhafter Mensch, Ihr hättet verdient, daß ich Euch hinfahren ließ in Euern Sünden! Seid Ihr nicht der, der den heiligen Kultus der Kirche, die vornehmste Stütze der Religion profaniert durch weltlichen Klingklang? Seid Ihr es nicht, der hier durch eitle Kunststücke die frömmsten Gemüter betörte, daß sie sich abwandten von dem Heiligen und weltlicher Lust frönten in üppigen Liedern?«Kreisler fühlte sich durch diese wahnsinnigen Vorwürfe ebenso verletzt, als erhoben durch den albernen Hochmut des fanatischen Mönchs, der mit solchen leichten Waffen zu bekämpfen.
«Ist es sündhaft«, sprach Kreisler sehr ruhig und dem Mönch fest ins Auge blickend,»die ewige Macht zu preisen in der Sprache, die sie uns selbst gab, damit das Himmelsgeschenk die Begeisterung der brünstigsten Andacht, ja die Erkenntnis des Jenseits in unserer Brust erwecke, ist es sündhaft sich auf den Seraphsfittichen des Gesanges hinwegzuschwingen über alles Irdische, und in frommer Sehnsucht und Liebe hinaufzustreben nach dem Höchsten, so habt Ihr recht, ehrwürdiger Herr, so bin ich ein arger Sünder. Erlaubt aber, daß ich der entgegengesetzten Meinung bin, und fest glaube, daß dem Kultus der Kirche die wahrhafte Glorie der heiligsten Begeisterung fehlen würde, wenn der Gesang schweigen sollte.«
«So flehet zur heiligen Jungfrau«, erwiderte der Mönch streng und kalt,»daß sie die Decke von Euern Augen nehmen und Euch den verdammlichen Irrtum erkennen lassen möge.«