Читаем Liebe Deinen Nächsten полностью

»Ich wollte meine Frau sehen, bevor sie stirbt.«

»Wen von Ihren politischen Freunden haben Sie hier getroffen?«

»Niemand.«

»Es ist besser, Sie sagen es mir hier, bevor Sie überführt werden.«

»Ich habe es schon gesagt: Niemand.«

»In wessen Auftrag sind Sie hier?«

»Ich habe keine Aufträge.«

»Welcher politischen Organisation waren Sie im Ausland angeschlossen?«

»Keiner.«

»Wovon haben Sie denn gelebt?«

»Von dem, was ich verdient habe. Sie sehen, daß ich einen österreichischen Paß habe.«

»Und mit welcher Gruppe sollten Sie hier Verbindung nehmen?«

»Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich mich anders versteckt. Ich wußte, was ich tat, als ich zu meiner Frau ging.«

Der Beamte fragte ihn noch eine Zeitlang weiter. Dann studierte er Steiners Paß und den Brief seiner Frau, den man ihm abgenommen hatte. Er blickte Steiner an; dann las er den Brief noch einmal. »Sie werden heute nachmittag überführt«, sagte er schließlich achselzuckend.

»Ich möchte Sie um etwas bitten«, erwiderte Steiner. »Es ist wenig, aber für mich ist es alles. Meine Frau lebt noch. Der Arzt sagt, daß es höchstens noch ein bis zwei Tage dauern kann. Sie weiß, daß ich morgen wiederkommen sollte. Wenn ich nicht komme, wird sie wissen, daß ich hier bin. Ich erwarte für mich weder Mitleid noch irgendeine Vergünstigung; aber ich möchte, daß meine Frau ruhig stirbt. Ich bitte Sie, mich einen oder zwei Tage hierzubehalten und mir zu erlauben, meine Frau zu sehen.«

»Das geht nicht. Ich kann Ihnen nicht Gelegenheit zur Flucht geben.«

»Ich werde nicht flüchten. Das Zimmer liegt im fünften Stock und hat keine Nebenausgänge. Wenn mich jemand hinbringt und die Tür bewacht, kann ich nichts machen. Ich bitte Sie nicht für mich; ich bitte Sie für eine sterbende Frau.«

»Unmöglich«, sagte der Beamte. »Ich habe nicht die Kompetenz dafür.«

»Sie haben die Kompetenz. Sie können mich noch einmal verhören lassen. Und Sie können mir die Zusammenkunft ermöglichen. Der Grund könnte sein, daß ich vielleicht mit meiner Frau etwas spreche, was wichtig zu erfahren ist. Das wäre auch der Grund, weshalb meine Bewachung draußenbleiben würde. Sie könnten anordnen, daß die Schwester, die ja zuverlässig ist, im Zimmer bleibt, um zu hören, was gesprochen wird.«

»Das ist alles Unsinn. Ihre Frau wird Ihnen nichts sagen und Sie ihr nichts.«

»Natürlich nicht. Sie weiß ja nichts. Aber sie würde ruhig sterben.«

Der Beamte dachte nach und blätterte in den Akten. »Wir haben Sie damals verhört, über die Gruppe VII. Sie haben keine Namen genannt. Inzwischen haben wir Müller, Böse und Welldorf gefunden. Wollen Sie uns die übrigen Namen nennen?«

Steiner schwieg.

»Wollen Sie uns die Namen nennen, wenn ich Ihnen ermögliche, zwei Tage zu Ihrer Frau zu gehen?«

»Ja«, sagte Steiner nach einer Weile.

»Dann sagen Sie sie mir.«

Steiner schwieg.

»Wollen Sie mir morgen abend zwei Namen nennen und die andern übermorgen?«

»Ich werde Ihnen die Namen übermorgen nennen.«

»Versprechen Sie das?«

»Ja.«

Der Beamte sah ihn lange an. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Sie werden jetzt in Ihre Zelle zurückgebracht.«

»Wollen Sie mir den Brief zurückgeben?« fragte Steiner.

»Den Brief? Er muß bei den Akten bleiben.« Der Beamte betrachtete ihn unschlüssig. »Es steht nichts Belastendes darin. Gut, nehmen Sie ihn mit.«

»Danke«, sagte Steiner.

Der Beamte klingelte und ließ Steiner abführen. Schade, dachte er, aber was soll man machen? Man kommt ja selbst in des Teufels Küche, wenn man etwas wie Menschlichkeit verrät. Er hieb plötzlich mit der Faust auf den Tisch.


MORITZ ROSENTHAL LAG in seinem Bett. Er war seit Tagen zum erstenmal ohne Schmerzen. Es war früher Abend, und in der silbrig blauen Dämmerung der Pariser Februartage leuchteten die ersten Lichter auf. Moritz Rosenthal beobachtete, ohne den Kopf zu bewegen, wie die Fenster des gegenüberliegenden Hauses hell wurden; es schwamm wie ein Riesenschiff in der Dämmerung, wie ein Ozeandampfer kurz vor der Abfahrt. Das Mauerstück zwischen den Fenstern warf einen langen dunklen Schatten herüber zum Hotel Verdun; er sah aus wie ein Landungssteg aus Schatten, der darauf wartete, daß man hinüberging.

Moritz Rosenthal regte sich nicht; er lag in seinem Bett, aber er sah, wie plötzlich die Fenster sich weit öffneten und wie jemand, der ihm glich, aufstand und hinausschritt. Über den Schatten hinweg, hinüber zu dem Schiff, das in der langen Dämmerung des Lebens sacht schwankte und nun die Anker lichtete und langsam davonglitt. Das Zimmer um ihn herum zerbarst wie eine mürbe Pappschachtel in der Strömung und wirbelte davon. Straßen rauschten vorüber, Wälder glitten unter dem Bug entlang, Nebel, das Schiff hob sich sanft in das leise Brausen der Unendlichkeit, Wolken schwammen heran, Sterne und tiefes Blau, und dann, in diesem Wiegen wie ein Wiegenlied, wölbte sich ihm eine Küste entgegen, aus Rosa und Gold, die dunkle Landungsbrücke senkte sich lautlos wieder herab, Moritz Rosenthal schritt sie entlang, hinunter, und als er sich umblickte, war das Schiff nicht mehr da, und er war allein an der fremden Küste.

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