»Loengard«, brachte er hervor. So, wie er meinen Namen aussprach, klang es eher wie ein Ploppen denn wie ein normaler menschlicher Laut. »Ich hätte es mir denken können, du kleine Ratte.« Er schob sein bizarr helmähnliches Gebilde vom Kopf zurück und es glitt wie von einer gespannten Feder bewegt in eine Öffnung in der Wand zurück, die sich mit einem schmatzenden Geräusch schloss. Erst dann richtete er sich auf, mit unsicheren, langsamen Bewegungen, wie ich trotz meines miserablen Zustands mit Genugtuung bemerkte.
Seine Hände glitten vor und zurück und öffneten und schlossen sich ein paar Mal krampfhaft. Seine Gestik wirkte so unbeholfen, als sei es gar nicht sein Körper, in dem er sich wiederfand. Doch dann ging ein Ruck durch ihn und er wirkte wie eingeschaltet, als sei er ein Roboter, der nun nur noch seiner Programmierung zu folgen brauchte; er schwang die Beine über die Liege, in einer flüssigen und doch ungewohnt langsamen Bewegung, als koste es ihn immer noch Mühe, sich mir so unvermittelt zuzuwenden. »Du hättest uns nicht stören sollen.« Seine Stimme hatte einen ungewöhnlichen Akzent, ein Fauchen und Stöhnen schwang darin mit und das Wort
Seine Beine berührten jetzt den Boden, aber noch zögerte er. Ich begriff, dass er sehr weit weg gewesen war und jetzt Mühe hatte, so unvermittelt in die Wirklichkeit zurückzufinden. Das hätte eigentlich ein Vorteil für mich sein können, aber ich kam nicht gegen dieses schwebende Gefühl in mir an und gegen die Gewissheit, das alles, was ich tun würde, nutzlos sein würde. Vielleicht sollte ich ihn einfach gewähren lassen. Vielleicht war es gut und richtig so, alles zuzulassen, vielleicht war es sogar Steel, der das Richtige tat, und ich es, der auf dem Irrweg war.
Plötzlich fiel mir auf, was ich da dachte, und ich schüttelte den Gedanken ab wie ein Hund sich das Wasser aus dem Fell schüttelt, nachdem er aus einem Regen wieder ins Trockene kommt. Irgendetwas machte sich in meinem Kopf breit, Einflüsterungen, die nicht aus mir selbst kamen, und plötzlich sah ich auch meine Antriebsschwäche bei unserer Flucht aus dem alten Labor, in das uns Steel eingesperrt hatte, mit ganz anderen Augen: Es war die ganze Zeit schon in mir gewesen, hatte mich zu lenken versucht in eine Richtung, die nicht die meine war. Ein Erinnerungsfetzen blitzte in mir auf, ich entsann mich der wenigen Sekunden, noch oben in Majestic, als die Lüftungsanlage ausgefallen war, um kurze Zeit später wieder stinkend anzuspringen. War das der Moment gewesen, in dem die Beeinflussung begonnen hatte, in dem etwas über die Luft, meine Atemwege und meine Lunge in mich eingedrungen war, das mich letztlich zu einem willenlosen Geschöpf der Hive, der Ganglien, der Grauen machen sollte und vielleicht teilweise auch schon gemacht hatte?
Steel hatte sich jetzt vollends erhoben, aber er schwankte leicht, wie ein Betrunkener auf dem Weg zum Kühlschrank, in dem das nächste Sixpack Dosenbier lockt. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie sich auch auf Rays und Kims Liegen etwas bewegte; und tatsächlich, Kimberley schlug die Augen auf und starrte an mir vorbei ins Nichts. Es war ein so grausam leerer und kalter Blick, dass meine Freude über ihr
Es blieb mir keine Zeit, mich um sie zu kümmern. Steel hatte jetzt die Kontrolle über sich wiedergewonnen und in seinem schiefen Lächeln entdeckte ich diesmal keinen Hohn, sondern kalte Wut – eine menschliche Regung, derer vielleicht auch die Ganglien fähig waren und die sich nun verdoppelte zu einer gewaltigen, gegen mich gerichteten Kraft. »Ich sollte dich auf der Stelle umbringen, Loengard«, zischte er. »Aber wie viel mehr Freude wird es mir bereiten, dich in unserer Mitte willkommen zu heißen.«
Ich versuchte etwas zu sagen, brachte aber nur ein Krächzen hervor. Auch der Versuch mich zu räuspern brachte nichts, ich verspürte nur sofort einen starken Brechreiz. Meine Kehle und Lunge schienen von der Eiseskälte wie erstarrt zu sein, aber das Schlimmste war die Lähmung meiner Tatkraft, die mich im gnadenlosen Griff hatte. Tatenlos ließ ich es zu, dass Steel einige weitere Schritte auf mich zu machte. Dabei bemerkte ich nur schemenhaft, dass er nicht der Einzige war, der sich bewegte; auch die beiden waren mittlerweile zu sich gekommen. Verschwommen und seltsam emotionslos registrierte ich, wie Ray gleich Steel seine Beine über die Liege schwang und mit unsicheren Bewegungen auf die Füße kam. Kim schien größere Schwierigkeiten zu haben wieder zu sich zu kommen als die beiden Männer; sie hatte sich mit beiden Händen auf der Pritsche aufgestützt und sank dann doch wieder zurück, immer noch gefangen von dem helmähnlichen Fortsatz, der von ihrem Kopf in die dahinter liegende Maschine verschwand.