Steel stand jetzt direkt vor mir, eine im wahrsten Sinne des Wortes stinkende Kreatur. Es lag in seiner menschlichen Natur, ohne Gewissensbisse über Leichen zu gehen, und der fremdartige Teil in ihm würde diese Tendenz noch weiter verstärken, sofern das überhaupt möglich war.
»Was... was ist hier los?«
Das war Kims Stimme; sie klang flach und abgehackt und ich hatte in der ganzen Aufregung übersehen, dass sie sich mittlerweile aufgerichtet und auf den Rand ihrer Pritsche gesetzt hatte.
Steel verhielt mitten in der Bewegung. Seine geschwollenen Lippen öffneten und schlossen sich, als sei er unentschlossen, was er jetzt machen sollte; dann drehte er sich langsam um. »Haltet euch da raus«, sagte er. »Wir hatten eine kleine Störung, aber die ist jetzt vorbei. Ich erledige das.«
Trotz meiner Benommenheit und der pochenden Schmerzen in meiner Schulter begriff ich, dass da etwas nicht stimmte. Es war etwas in Steels Stimme und eine Kleinigkeit in seiner Formulierung – er sprach mit Kim und Ray beinahe wie mit Gleichgestellten, aber nicht wie mit Menschen oder
»Was hast du mit John vor?«, fragte Kim ängstlich und ich spürte die ganze Kraft meiner Liebe für sie, so wie ich in ihren Worten
»Nun... ich muss ihn eine Zeit lang aus dem Verkehr ziehen, meine Liebe.« In Steels Stimme schwang plötzlich ein ganz neuer Ton mit, fast so etwas wie Sanftheit, und plötzlich erinnerte ich mich daran, wie mir Bach von Steels Ehe berichtet hatte. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass selbst ein Mensch wie Steel eine andere Seite haben konnte.
Diesmal gelang es mir, vollends auf die Beine zu kommen. Aber mein Magen revoltierte schon wieder und meine Knie gaben nach, sodass ich mich kaum aufrecht halten konnte. Nur über Steels Schulter hinweg sah ich Kim, wie sie gleich mir unsicher auf der gegenüberliegenden Seite stand, ein verschwommener Schatten inmitten blauen Dunstes aus gefrorener Kälte. Ich suchte ihren Blick, aber es gelang mir nicht, ihn einzufangen.
»Was heißt das...
»Nun...«, begann Steel unsicher.
»Es heißt, dass er ihn totschlagen will«, mischte sich Ray ein. »Es bedeutet nichts anderes, als dass dieser Bastard seinen Mordgelüsten nachgeben will,
Den letzten Teil des Satzes schrie er. Und das unglaubliche: Steel fuhr ihm nicht etwa in seiner unnachahmlichen Art schroff über den Mund, sondern er wirkte tatsächlich verunsichert. »Kein Grund zur Panik«, sagte er hastig. »Dein
»Ach ja, hast du das?«, fragte Ray höhnisch.
Steel zuckte mit den Achseln und drehte sich halb zur Seite, sodass er sowohl mich als auch Ray im Blickfeld hatte. Er schien nicht sehr überrascht zu sein, dass ich mich aufgerappelt hatte. Sein Blick irrte zwischen mir und Ray hin und her. Wenn er gewollt hätte, hätte er mich mit einem einzigen Schlag bewusstlos schlagen können. Doch stattdessen drehte er sich wieder um und ging auf Ray zu.
Was ging hier vor? Hatte er keine Kontrolle über Ray und Kim? War ich in einem sensiblen Moment hier hereingestolpert, als mein Bruder und Kimberley nicht mehr vollständig unter dem Einfluss der unbegreiflichen Kraft standen, die sie in diese Situation gebracht hatte?
»Beruhigt euch erst einmal«, sagte Steel in begütigendem Tonfall. Er blieb direkt vor den Pritschen stehen und verdeckte mir damit die Sicht auf Kim. »Legt euch wieder hin...«
»Nein!«, schrie ich. »Tut das nicht! Kämpft dagegen an!«
Steel wandte sich wieder mir zu. Es war eine langsame Bewegung und in seinem Gesicht las ich so etwas wie Trauer. War auch das für ihn ein Moment, wo er sich seinem Menschsein wieder annäherte?