Ich weiß nicht, wie oft ich den Abzug betätigte, bis mir klar wurde, dass mich mein Glück verlassen hatte: Die verdammte Waffe klemmte. Sie war nicht unbedingt leer geschossen, sondern einfach nur blockiert, was ich anhand der schwergängigen Mechanik eigentlich sofort hätte bemerken müssen; ein seltenes, aber immer wieder auftretendes Phänomen. Selbst wenn noch ein paar Schuss in dem Magazin waren, konnte ich nichts mehr ausrichten.
Steel lächelte diabolisch. »So endet es also«, stieß er hervor. Er griff in sein Jackett und zog ein Springmesser hervor und ließ es aufspringen; es hatte eine gefährliche Klinge, die mindestens zehn Zoll lang war. »Damit hast du das Maß überschritten.«
Ich wusste, was jetzt kommen würde. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Die Waffe in meiner Hand war nicht notwendigerweise leer geschossen. Peter hatte mir seinerzeit im Schießstand von Majestic gezeigt, wie man auf die Schnelle dieses Problem lösen konnte – mit etwas Glück jedenfalls. Man brauchte nur das Magazin nach unten rausschnappen zu lassen und wieder einzurasten; eine Sache von nicht einmal zwei Sekunden. Wenn dann noch ein Schuss im Magazin war und wenn der Fehler nicht noch einmal auftrat, war die Waffe wieder einsatzbereit. Mein einziger Vorteil dabei war, dass Steel davon nichts wissen konnte. Aber trotzdem hatte ich keine Chance mehr; knapp zwei Sekunden waren für einen Mann wie Steel eine Ewigkeit, um mit einem vielleicht wieder gefährlich werdenden Gegner fertig zu werden.
Es war Kim, die die Sache entschied. »Nein!«, schrie sie und klammerte sich von hinten an Steel, als wolle sie ihn erwürgen. Steel ließ seinen linken Ellbogen nach hinten schnellen.
»Phuaaaa«, machte Kim, als ihr die Luft aus den Lungen getrieben wurde. Aber sie hielt krampfhaft fest. Ein zweiter Ellbogenstoß trieb ihr jegliche Farbe aus dem Gesicht und es kam mir vor, als sei ich selber getroffen worden oder noch schlimmer; Kim leiden zu sehen war eine Steigerung des Grauens der letzten Stunden, die ich nicht mehr für möglich gehalten hätte.
Ich war versucht, Steel frontal anzugreifen. Doch da hatte ich das Magazin auch schon ausgeworfen und es wäre Wahnsinn gewesen, Steel im wahrsten Sinne des Wortes ins offene Messer zu laufen. Mit zitternden Fingern versuchte ich das Magazin in die Griffmulde zurückzuschieben; meine Hände waren so schweißnass, dass es mir fast entglitten wäre. Das Magazinwechseln kam mir wie eine Ewigkeit vor, dabei bewerkstelligte ich es wahrscheinlich schneller als je zuvor. Mit aller Konzentration, die ich für diese Aufgabe erübrigen konnte, schob ich es schließlich in die zugehörige gefederte Halterung. Dabei fiel mir auf, dass nur noch eine einzige Patrone in dem Magazin war; eine flüchtige Beobachtung, die dennoch über unser aller Schicksal entscheiden konnte.
Der dritte Ellbogenstoß trieb Kim schließlich zurück und mit einem Schmerzenslaut, der mir fast das Herz zerriss, prallte sie gegen die Apparatur hinter sich und sackte zusammen.
»Keinen Schritt, Steel!«, schrie ich, mit meiner Waffe im Anschlag. Einen Moment fürchtete ich, er würde sich trotz der auf ihn gerichteten Pistole auf mich stürzen; doch offensichtlich war ihm mein Magazinwechsel nicht entgangen. Er stand zögernd vor mir, nicht von Angst gepackt, sondern die Lage wie ein Jäger sondierend, der die beste Gelegenheit zum Eingreifen abwartet.
»Ich töte dich, Loengard«, sagte er ruhig. »Selbst wenn deine Waffe noch geladen sein sollte – was ich bezweifle –, werde ich dich töten.«
»Versuch es besser nicht«, zischte ich. In meiner Reaktion war jetzt kein Platz für Angst. Stattdessen spürte ich eine unglaubliche Wut, vermischt mit Verwirrung und dem Gefühl, dass die Zeit plötzlich zum Stillstand gekommen sei. Jeder Zweifel und jede Verunsicherung fielen von mir ab und wurden von dem Hochgefühl des Jägers abgelöst, der sich einer Beute sicher ist. So musste sich Ray gefühlt haben, vor so unendlich vielen Jahren, als er die Kaninchen zur Strecke gebracht hatte.
»Erschieß ihn!«, schrie Ray. »Mach doch endlich!«
Mein Atem beruhigte sich. Bislang hatte ich die Pistole mit verzweifelter Furcht umklammert gehabt, nur zu bewusst, dass ich nur noch einen Schuss hatte. Jetzt war ich mir plötzlich sicher, dass ich mit dieser einzigen Kugel den entscheidenden Treffer landen würde.
In diesem Moment sprang Ray vor. Es waren zu wenig Kraft und Geschwindigkeit in seiner Bewegung, um einen Mann wie Steel ernsthaft gefährden zu können. Dennoch beschrieb das Messer in Steels Hand einen Halbkreis, verließ dann seine Hand und sauste so schnell, dass es für einen Sekundenbruchteil fast unsichtbar war, auf Rays Kopf zu und schnitt dann in grausamer Endgültigkeit in seine Kehle ein, bevor es fast ungebremst gegen die helmähnliche Vorrichtung traf, in der noch vor wenigen Minuten Rays Kopf gesteckt hatte, und zu Boden purzelte.