»Meine Familie«, antwortete ich rasch. »Sie werden mitbekommen haben, dass man uns wie wilde Tiere hetzt. Ich will sie nicht in die Sache hineinziehen, aber wir brauchen ihre Hilfe, um etwas zur Ruhe zu kommen. Doch bevor wir das tun können, werden wir sofort unseren letzten Trumpf ausspielen, um mit Robert Kennedy Kontakt aufzunehmen.«
»Unseren letzten Trumpf?«, echote Kim. »Nun komm schon, John, mach es nicht so spannend.«
»Also gut«, sagte ich. »Unser letzter Trumpf heißt Nelson T. Bennet. Wir werden ihm jetzt sofort einen Besuch abstatten. Es wäre doch gelacht, wenn er uns nicht zu Kennedy bringen könnte.«
»Wer, zum Teufel, ist Nelson T. Bennet?«, fragte Kim argwöhnisch.
»Ein schwatzhafter Autoverkäufer. Und vielleicht der einzige Mann, der uns im Moment wirklich weiterhelfen kann.« Ich hatte das Bild des rotweinfarbenen Chevrolets, den mir dieses halbe Hemd im Cowboydress fast aufgeschwatzt hatte, so nah vor Augen, als hätte ich den Wagen erst gestern gesehen. Und doch schien mir der Besuch bei dem Gebrauchtwagenhändler eine Ewigkeit her zu sein. So als gehöre er zu einer längst untergegangenen Epoche meines Lebens, zu der es kein Zurück mehr gab. Und genau genommen stimmte das ja auch.
Wir hatten Glück. Hertzog hatte noch seinen alten Dodge in der Garage stehen, ein mindestens zwanzig Jahre altes Ungetüm, das mich an die frühen Filme von James Cagney in seiner typischen Rolle als unerbittlicher und doch innerlich zerrissener Gangsterboss erinnerte. Der Doktor hatte mir gegenüber einmal erwähnt, dass er sich von seinem ersten Wagen bislang nicht hatte trennen können. Eine Sentimentalität, die einem Mitarbeiter Majestics seltsam anstand. Aber schließlich nur ein weiterer Persönlichkeitszug, der ihn etwas menschlicher machte als die Marionetten Bachs, die auch vor einem Mord nicht zurückschreckten.
Ich rechnete damit, dass wir für den Weg zum Car Paradise gut zwanzig Minuten brauchen würden. Es wurde eine kleine Ewigkeit daraus. Der Dodge lief stur und unbeirrt durch den Regen, eher wie ein LKW als wie einer der relativ komfortablen Straßenkreuzer, die Anfang der 60er Jahre die Straßen zu dominieren begannen. Ein leichter Regen ließ die Fahrbahn hinter einem Vorhang glitzernder Tröpfchen verschwinden. Natürlich hatte dieses Prachtstück aus den frühen 40er Jahren keine Waschanlage für die Frontscheibe und so blieb mir nichts anderes übrig, als mit zugekniffenen Augen durch die zerkratzte Windschutzscheibe ins düstere Grau hinauszustarren und zu hoffen, dass ich trotz meiner Müdigkeit keine Brems– oder Ampellichter übersah.
»Es tropft«, sagte Kimberley, nachdem wir schon mindestens fünf Minuten wortlos durch die Nacht gefahren waren. »Das Dach ist undicht.«
»Damit werden wir wohl leben müssen«, antwortete ich müde. »Immerhin war es doch nett von Carl, dass er den Wagen aufgetankt und mit Zündschlüssel im Schloss in seiner Garage stehen hatte. Wir hätten ja wohl kaum per Anhalter fahren können.«
»Nein, aber wir hätten ein Taxi nehmen können«, sagte Kimberley. »Wir hätten uns doch etwas Geld von deinem Doktor ausleihen können...«
»Die Spur eines Taxis lässt sich leichter verfolgen als die eines Oldtimers«, sagte ich gereizt. Ich hatte jetzt absolut keine Lust auf eine
»Da vorne müssen wir, glaube ich, links«, unterbrach sie meine düsteren Gedanken. Sie hatte immer schon über einen guten Orientierungssinn verfügt und kannte sich in Washington fast besser aus als ich.