Schweigend machten wir uns an den langen Fußmarsch zur Bushaltestelle. Der Wind war sehr kalt.
Die Telefonzelle war immer noch besetzt. Ich war vor gut fünfzehn Minuten hereingekommen, genau im richtigen Moment, um zu sehen, wie ein dunkelblauer Buick vor der Telefonzelle auf der anderen Seite des Parkplatzes anhielt und der Fahrer ausstieg, um die Zelle zu betreten und zu telefonieren.
Seither wartete ich darauf, dass er aufhörte.
Eine Kellnerin in Jeans und einer weißen Spitzenbluse trat an meinen Tisch und schwenkte fragend eine Kaffeekanne. Ich nickte wortlos, wartete, bis sie mir nachgeschenkt hatte, und wandte meine Konzentration dann wieder der Telefonzelle zu. Der Fahrer des Buick stand noch immer darin und telefonierte. Ich hoffte nur, dass er nicht sämtliche Anzugtaschen voller Münzen hatte, um hier die halbe Nacht zu verplempern.
Es begann zu dämmern. Der Schatten der Telefonzelle war auf das Doppelte angewachsen, seit ich am Fenster saß und sie beobachtete, und hier drinnen begannen die Farben zu verblassen. Trotzdem machte niemand Anstalten, das Licht einzuschalten. Auch der Geräuschpegel war nicht der, den man von einem Fast-Food-Restaurant am Rande eines Highway mit dem wenig einfallsreichen Namen Driver’s Inn erwartete. Der größte Teil der mit rotem Steppleder bezogenen Bänke war besetzt und die beiden Kellnerinnen hatten alle Hände voll zu tun, Bestellungen aufzunehmen, die Gäste zu bedienen und zu kassieren. Trotzdem herrschte eine fast gespenstische Stille. Niemand lachte. Die wenigen Gespräche wurden schleppend und im Flüsterton geführt. Die einzige permanente Geräuschquelle war der Fernseher, der an der Wand über der Theke hing. An diesem Abend liefen jedoch weder die üblichen Soap-Operas noch Spielfilme oder Musiksendungen. Seit ich hereingekommen war, war noch kein einziger Werbespot gesendet worden. Dafür wechselten sich die ernsten Gesichter von Nachrichtensprechern und Politikern ab.
Nicht nur dieses Restaurant, das ganze Land stand noch unter Schock. Es war der Tag nach dem Kennedy-Mord und ich hatte das Gefühl, dass die meisten noch gar nicht richtig begriffen hatten, was dieses schreckliche Attentat
Oswald...
Ich bezweifelte, dass der Mörder Kennedys tatsächlich Lee Harvey Oswald hieß. Möglicherweise hatte er die Waffe gehalten, aus der die tödlichen Schüsse abgegeben worden waren, aber der
Vielleicht kannte ich sogar seinen Namen.
Ich riss meinen Blick fast gewaltsam vom Fernseher los, sah wieder zu der Telefonzelle am Ende des Parkplatzes und stellte ohne sonderliche Überraschung fest, dass der Buick-Fahrer sie noch immer besetzt hielt. Hoffentlich hatte er nicht vor, darin zu überwintern.
»Noch einen Kaffee?«
Die Stimme der Kellnerin riss mich aus meinen Gedanken. Ich sah hoch, blickte dann wieder auf meine Tasse hinab und schüttelte den Kopf. Ich hatte den Kaffee, den sie mir vor fünf Minuten gebracht hatte, noch nicht einmal angerührt. »Danke. Ich... habe noch.«
Die Kellnerin – das handgeschriebene Namensschildchen auf ihrer Bluse identifizierte sie als Helen – nahm ein sauberes Gedeck vom Nebentisch und tauschte die Tassen aus. »Er schmeckt nicht, wenn er kalt ist«, sagte sie. »Trinken Sie. Sie sehen aus, als hätten Sie es nötig.«
Sie setzte sich unaufgefordert, schenkte sich selbst eine halbe Tasse ein und fuhr sich erschöpft mit beiden Händen durch das Gesicht, nachdem sie selbst an ihrem Kaffee genippt hatte. »Fünf Minuten«, seufzte sie. »Ich brauche einfach eine Pause – Sie haben doch nichts dagegen?«
Obwohl das Lokal gut besucht war, gab es noch fast ein halbes Dutzend leerer Tische, an die sie sich hätte setzen können. Aber ich konnte verstehen, dass sie nicht allein sein wollte. Nicht an einem Tag wie diesem. So nickte ich, obwohl mir eigentlich nicht nach Gesellschaft war.
»Sind Sie allein?«, fragte sie.
»Nein. Meine Frau ist in unserem Zimmer.«
Helen nippte wieder an ihrem Kaffee, dann fragte sie mit überraschender Direktheit: »Ihr hattet doch keinen Streit, Honey?«
»Nein«, antwortete ich. »Sie ist nur müde. Wir haben nicht gut geschlafen letzte Nacht.«