Von dem Major v[on] Seybothen
wurde uns die Marschroute vorgezeichnet, die wir bis nach Ludwigsburg zu halten hatten. Unsere Reise sollte mit Vorspannspferden zu Schlitten oder Wagen geschehen, und überall sollten wir freyes Quartier und Verköstigung finden, eine Einrichtung, die der Soldat schon an und für sich gut heißt, die uns aber insbesondere noch darum höchst willkommen war, weil wir bey unseren geringen{750} Geldmitteln sonst keine Möglichkeit vor uns gesehen hätten, den grösten Theil des weiten Weges anders als bettelnd zurückzulegen. Von Rasttägen{751} war natürlicherweise keine Rede mehr, im Gegentheil war es der Wille unsers Königs, daß wir unsere Heimkehr möglichst beschleunigen sollten. Unser aller Wünsche stimmten mit diesem Befehle überein, und an uns lag daher die Schuld nicht, wenn wir dennoch einmal länger als Eine Nacht in einem und demselben Orte verweilten. Indessen war leicht vorauszusehen, daß unsere Reise, bis // S. 171// wir die deutsche Grenze erreicht hätten, minder schnell vor sich gehen, und mache Hindernisse in der Ungefälligkeit der russischen Commandanten, so wie in dem Übeln Willen der Bewohner des Herzogthums Warschau, die die verbündeten Rußlands nun als ihre Feinde betrachteten, finden würde.Die uns vorgezeichnete Reiseroute fiel gröstentheils in diejenigen Straßen, die ich schon früher als Gefangener, oder auf der Rückkehr aus dem Feldzuge von 1812. passirt hatte, daher enthalte ich mich, bekannte Dinge zu wiederholen, und beschränke mich hauptsächlich darauf, unsere Begegnisse auf der Reise, so weit sie von einigem Interesse sind, zu erzählen.
Nachdem in Bialystok
der Oberst v[on] Seeger{752} {753} und der Hauptmann v[on] Sonntag223 sich mit uns vereinigt hatten, verließen wir unter Anführung des ersteren am 24.ten Febr[uar] diese Stadt auf der Strasse nach Plozk, erreichten noch am nemlichen Tage Tykoczyn, die erste Stadt im Herzogthum Warschau, und auf einer Reise von weiteren 4. Tagen kamen wir über Lomza, Ostrolenka und Pultusk am 28.ten in Plozk an, ohne daß uns besondere Abentheuer aufgestossen wären. Hier rasteten wir wegen Mangels an Vorspann einen Tag, und giengen am 2. März über die Weichsel gegen Gumin hin. Auf diesem Wege verloren Butsch und ich mit unsern schlechten Pferden, und da unser Fuhrmann des Weges unkundig war, unsere Reisegefährten, und // S. 172// erst am 3.ten März gelang es uns, nachdem wir zu schnellerem Fortkommen 2. Stationen mit Postpferden gefahren, und auf dieser Fahrt Hals und Bein daran gesetzt hatten, sie in Kalish wieder einzuholen Dieses Misgeschick führte ein zweytes herbey. Als wir nehmlich zu den Thoren dieser Stadt einfuhren, wurden wir vom wachhabenden Officier angehalten, geradezu für französische Kriegsgefangene, die zu entweichen im Begriff waren, erklärt, und in die Wachstube geführt, wo wir mit Schmähungen überhäuft wurden. Nach langem Wortwechsel wurden wir endlich unter Bedeckung zum Stadt-Commandanten geführt, und von diesem nach kurzer Untersuchung freygesprochen. Die Folge dieses unangenehmen Vorfalls war, daß wir in der späten Nachtzeit kein Quartier mehr erhalten konnten, sondern eine Unterkunft in einem Wirthshause suchen mußten. Glücklicherweise geriethen wir in das Hotel de Pologne, dessen Eigenthümer, Herr Woelfel aus Stuttgart gebürtig, uns nicht nur gefällig aufnahm, sondern uns auch bey der Zeche als Landsleute berücksichtigte. Tags darauf erhielten wir Quartier bey einem artigen Mann, Namens Meyer, wo ich das erstemal