Alle lachten, und auf die Versicherung der Medizinalrätin, dass keine Falle im Hause sei, verkündete der Obergerichtsrat, dass er mehrere dergleichen besitze, und ließ wirklich zur Stunde eine ganz vortrefliche Mausfalle von Hause herbeiholen. Dem Fritz und der Marie ging nun des Paten Märchen von der harten Nuss ganz lebendig auf. Als die Köchin den Speck röstete, zitterte und bebte Marie, und sprach ganz erfüllt von dem Märchen und den Wunderdingen darin, zur wohlbekannten Dore:
– Ach, Frau Königin, hüten Sie sich doch nur vor der Frau Mauserinks und ihrer Familie.
Fritz hatte aber seinen Säbel gezogen, und sprach:
– Ja, die sollten nur kommen, denen wollt ich eins auswischen.
Es blieb aber alles unter und auf dem Herde ruhig. Als nun der Obergerichtsrat den Speck an ein feines Fädchen band, und leise, leise die Falle an den Glasschrank setzte, da rief Fritz:
– Nimm dich in Acht, Pate Uhrmacher, dass dir Mausekönig keinen Possen spielt.
Ach, wie ging es der armen Marie in der folgenden Nacht! Eiskalt tupfte es auf ihrem Arm hin und her, und rauh und ekelhaft legte es sich an ihre Wange, und piepte und quiekte ihr ins Ohr. Der abscheuliche Mauskönig saß auf ihrer Schulter, und blutrot geiferte er aus den sieben geöffneten Rachen, und mit den Zähnen knatternd und knirschend, zischte er der vor Grauen und Schreck erstarrten Marie ins Ohr:
– Zisch aus – zisch aus, geh nicht ins Haus – geh nicht zum Schmaus – werd nicht gefangen. Zisch aus – gib heraus, gib heraus, deine Bilderbücher all, dein Kleidchen dazu, sonst hast keine Ruh. Magst’s nur wissen, Nussknackerlein wirst sonst missen, der wird zerbissen. Hi hi – pi pi – quiek quiek.
Nun war Marie voll Jammer und Betrübnis. Sie sah ganz blass und verstört aus, als die Mutter am andern Morgen sagte:
– Die böse Maus hat sich noch nicht gefangen, so dass die Mutter in dem Glauben, dass Marie um ihr Zuckerwerk traure, und sich überdem vor der Maus fürchte, hinzufügte: Aber sei nur ruhig, liebes Kind, die böse Maus wollen wir schon vertreiben. Helfen die Fallen nichts, so soll Fritz seinen grauen Legationsrat herbeibringen.
Kaum befand sich Marie im Wohnzimmer allein, als sie vor den Glasschrank trat, und schluchzend also zum Nussknacker sprach:
– Ach, mein lieber, guter Herr Drosselmeier, was kann ich armes unglückliches Mädchen für Sie tun? Gäb ich nun auch alle meine Bilderbücher, ja selbst mein schönes neues Kleidchen, das mir der Heilige Christ einbeschert hat, dem abscheulichen Mausekönig zum Zerbeißen her, wird er denn nicht doch noch immer mehr verlangen, so dass ich zuletzt nichts mehr haben werde, und er gar mich selbst statt Ihrer zerbeißen wollen wird? O, ich armes Kind, was soll ich denn nun tun, was soll ich denn nun tun?
Als die kleine Marie so jammerte und klagte, bemerkte sie, dass dem Nussknacker von jener Nacht her ein großer Blutfleck am Halse sitzengeblieben war. Seit der Zeit, dass Marie wusste, wie ihr Nussknacker eigentlich der junge Drosselmeier, des Obergerichtsrats Neffe sei, trug sie ihn nicht mehr auf dem Arm und herzte und küsste ihn nicht mehr, ja sie mochte ihn aus einer gewissen Scheu gar nicht einmal viel anrühren; jetzt nahm sie ihn aber sehr behutsam aus dem Fache und fing an, den Blutfleck am Halse mit ihrem Schnupftuch abzureiben.
Aber wie ward ihr, als sie plötzlich fühlte, dass Nussknackerlein in ihrer Hand erwarmte und sich zu regen begann. Schnell setzte sie ihn wieder ins Fach, da wackelte das Mündchen hin und her, und mühsam lispelte Nussknackerlein:
– Ach, werteste Demoiselle Stahlbaum, vortrefliche Freundin, was verdanke ich Ihnen alles. Nein, kein Bilderbuch, kein Christkleidchen sollen Sie für mich opfern, schaffen Sie nur ein Schwert, ein Schwert – für das übrige will ich sorgen, mag er – Hier ging dem Nussknacker die Sprache aus, und seine erst zum Ausdruck der innigsten Wehmut beseelten Augen wurden wieder starr und leblos.
Marie empfand gar kein Grauen, vielmehr hüpfte sie vor Freuden, da sie nun ein Mittel wusste, den Nussknacker ohne weitere schmerzhafte Aufopferungen zu retten. Aber wo nun ein Schwert für den Kleinen hernehmen? Marie beschloss, Fritzen zu Rate zu ziehen, und erzählte ihm abends, als sie, da die Eltern ausgegangen, einsam in der Wohnstube am Glasschrank saßen, alles, was ihr mit dem Nussknacker und dem Mausekönig widerfahren, und worauf es nun ankomme den Nussknacker zu retten.
Über nichts wurde Fritz nachdenklicher, als darüber, dass sich, nach Mariens Bericht, seine Husaren in der Schlacht so schlecht genommen haben sollten. Er frug[55]
noch einmal sehr ernst, ob es sich wirklich so verhalte, und nachdem es Marie auf ihr Wort versichert, so ging Fritz schnell nach dem Glasschrank, hielt seinen Husaren eine pathetische Rede und schnitt dann, zur Strafe ihrer Selbstsucht und Feigheit, einem nach dem andern das Feldzeichen von der Mütze und untersagte ihnen auch, binnen einem Jahr den Gardehusarenmarsch zu blasen[56]. Nachdem er sein Strafamt vollendet, wandte er sich wieder zu Marien, sprechend: