»Ah, dann wird er wohl beschäftigt sein«, sagte Hayes gelassen. »Ein Mann wie er hat immer viel zu tun, und heute ist schließlich der letzte Tag des
»Ja. So wird es wohl … ja.«
Das Gespräch erstarb, und ich fühlte mich zunehmend beklommen und fragte mich, wie in aller Welt ich dieser Situation entkommen konnte, ohne den Leutnant zum Frühstück einzuladen. Selbst eine Engländerin konnte nicht hoffen, dass man ihr die Unhöflichkeit durchgehen ließ, ihrem Gegenüber nichts zu essen anzubieten, ohne dass es Gerede gab.
»Äh … Korporal MacNair hat gesagt, dass Ihr Farquard Campbell ebenfalls gern sehen würdet«, sagte ich und packte den Stier bei den Hörnern. »Vielleicht ist Jamie zu ihm gegangen, um sich mit ihm zu besprechen. Zu Mr. Campbell, meine ich.« Ich wies hilfsbereit in Richtung des Campbell’schen Zeltlagers, das auf der anderen Seite des Hanges lag, fast eine Viertelmeile von Jocastas Zelt entfernt.
Hayes blinzelte, und die Tropfen liefen ihm von den Wimpern über die Wangen.
»Aye«, sagte er. »Vielleicht.« Er blieb noch ein paar Sekunden stehen, dann tippte er an sein Barett. »Guten Tag, Ma’am.« Er wandte sich ab und setzte sich bergauf in Bewegung – auf Jocastas Zelt zu. Ich stand da und sah ihm nach, und jedes Gefühl des Friedens war dahin.
»Verdammt«, murmelte ich und brach auf, um mich um das Frühstück zu kümmern.
Kapitel 2
Brote und Fische
Für unser Lager hatten wir eine Stelle gewählt, die weit abseits des Hauptpfades lag und sich auf einer kleinen, felsigen Lichtung befand, von der man eine gute Sicht auf das breite Bachufer hatte. Als ich jetzt durch das Stechpalmengebüsch einen Blick nach unten warf, konnte ich grünschwarzen Tartanstoff aufleuchten sehen, denn die letzten Soldaten zerstreuten sich. Archie Hayes hatte seine Männer ermuntert, sich unters Volk zu mischen, und die meisten leisteten diesem Befehl nur zu gern Folge.
Ich war mir nicht sicher, ob diese Vorgehensweise des Leutnants von Arglist, Geiz oder schlichter Menschenfreundlichkeit diktiert wurde. Viele seiner Soldaten waren jung, von Heimat und Familie getrennt; sie freuten sich über die Gelegenheit, wieder einmal schottische Stimmen zu hören, freundlich an einem Lagerfeuer empfangen zu werden, Suppe und Porridge angeboten zu bekommen und sich vorübergehend in der Wärme vertrauter Dinge zu sonnen.
Als ich aus dem Wald trat, sah ich, wie Marsali und Lizzie den schüchternen Soldaten umschwirrten, der Germain aus dem Bach gefischt hatte. Fergus stand dicht am Feuer. Aus seinen feuchten Kleidern stiegen Dampfschwaden auf, und er knurrte auf Französisch vor sich hin, während er einhändig Germains Kopf energisch mit einem Handtuch abrubbelte. Er hatte den Haken auf die Schulter des kleinen Jungen gelegt, um ihn zu stützen, und das blonde Köpfchen wackelte hin und her, doch Germains Gesicht war ungeachtet der Strafpredigt seines Vaters vollkommen ruhig.
Weder Roger noch Brianna waren irgendwo in Sicht, doch zu meiner Bestürzung sah ich Abel MacLennan immer noch am anderen Ende der Lichtung sitzen und an einem Stockbrot knabbern. Jamie war schon zurück. Er war gerade dabei, die geborgten Vorräte neben dem Feuer auf dem Boden auszupacken. Er runzelte die Stirn, doch seine Miene schmolz zu einem Lächeln dahin, als er mich sah.
»Da bist du ja, Sassenach«, sagte er und erhob sich. »Was hat dich denn aufgehalten?«
»Oh, ich bin unterwegs einem Bekannten begegnet«, sagte ich mit einem viel sagenden Blick auf den jungen Soldaten. Er war offenbar nicht viel sagend genug, denn Jamie zog fragend die Stirn kraus.
»Der Leutnant ist auf der Suche nach dir«, zischte ich, dicht zu ihm hinüber gebeugt.
»Nun ja,
»Ja, aber …« Ich räusperte mich und zog die Augenbrauen hoch, während ich bedeutsam von Abel MacLennan zu dem jungen Soldaten blickte. Jamies Verständnis von Gastfreundschaft ließ es nicht zu, dass man seine Gäste aus seinem Haus verschleppte, und ich vermutete, dass dasselbe Prinzip auch für sein Lagerfeuer galt. Doch während es dem jungen Soldaten ja vielleicht noch peinlich sein würde, MacLennan festzunehmen, ging ich davon aus, dass der Leutnant es ohne Zögern tun würde.
Jamie machte ein ausgesprochen belustigtes Gesicht. Er zog seinerseits die Augenbrauen hoch, dann nahm er mich beim Arm und führte mich zu dem jungen Mann.
»Meine Liebe«, sagte er formell, »darf ich dir den Privatgefreiten Andrew Ogilvie aus Kilburnie vorstellen? Gefreiter Ogilvie, meine Frau.«
Der Privatgefreite Ogilvie, ein Junge mit einem roten Gesicht und dunklen Locken, errötete und neigte den Kopf.
»Euer Diener, Ma’am!«
Jamie drückte mir sacht den Arm.
»Der Privatgefreite Ogilvie hat mir gerade erzählt, dass sein Regiment nach Portsmouth in Virginia unterwegs ist, von wo es nach Schottland segeln wird. Ihr freut Euch doch sicher auf Zuhause, nicht wahr, mein Junge?«