Beide Frauen rissen die Augen auf. Die Frau namens Laoghaire wurde langsam rot und schien anzuschwellen. Sie öffnete und schloss den Mund auf der vergeblichen Suche nach Worten.
Jenny dagegen trat einen Schritt vor, ergriff Briannas Hände und sah in ihr Gesicht hoch. Ihre Wangen erblühten schwach rot, und plötzlich wirkte sie jung.
»Jamies? Du bist wirklich Jamies Mädchen?« Sie drückte Briannas Hände zwischen den ihren.
»Sagt meine Mutter.«
Brianna spürte das antwortende Lächeln in ihrem eigenen Gesicht. Jennys Hände waren kühl, doch Brianna fühlte sich trotzdem von einer Wärme durchströmt, die sich von ihren Händen bis in ihre Brust ausbreitete. Sie fing den schwachen, würzigen Duft von Gebäck in den Falten von Jennys Kleid auf und etwas Erdigeres und Durchdringenderes, das wohl der Geruch von Schafwolle sein musste.
»Ach ja?« Laoghaire hatte ihre Stimme und ihre Selbstkontrolle wiedergefunden. Sie trat einen Schritt vor und kniff die Augen zusammen. »Jamie Fraser ist dein Vater, aye? Und wer genau ist deine Mutter?«
Brianna erstarrte.
»Seine Frau«, sagte sie. »Wer denn sonst?«
Laoghaire warf den Kopf zurück und lachte. Es war kein angenehmes Lachen.
»Wer denn sonst?«, äffte sie Brianna nach. »Stimmt, wer denn sonst, Kleine? Und welche Frau meinst du?«
Brianna spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich und ihre Hände sich in Jennys anspannten, als die Flut der Einsicht sie durchspülte. Du Idiotin, dachte sie. Du riesige Idiotin. Es waren zwanzig Jahre gewesen! Natürlich hatte er wieder geheiratet! Natürlich. Egal, wie sehr er Mama geliebt hatte.
Diesem Gedanken folgte ein anderer, viel schrecklicherer, auf dem Fuße.
Sie wandte sich blindlings um, ohne zu wissen, wo sie hinsollte, was sie tun sollte, einfach nur sicher, dass sie sofort hier weg, ihre Mutter finden musste.
»Ich nehme an, du möchtest dich hinsetzen, Cousine. Komm ins Wohnzimmer, aye?« Jamies Stimme erklang fest in ihrem Ohr, und sein Arm war um sie gelegt, drehte sie um und schob sie durch eine der Türen, die vom Flur abgingen.
Sie hörte das Durcheinander der Stimmen um sie herum kaum, die Verwirrung der Erklärungen und Vorwürfe, die um sie herum losgingen wie Schnüre mit Silvesterkrachern. Sie erblickte einen kleinen, gepflegten Mann, dessen Gesicht aussah wie das des Weißen Kaninchens, nämlich völlig überrascht, und einen weiteren, viel größeren Mann, der aufstand, als sie ins Zimmer trat, und auf sie zukam, das verwitterte freundliche Gesicht voller Sorgenfalten.
Es war der hochgewachsene Mann, der den Lärm beendete, die Anwesenden zur Ordnung rief und dann dem Stimmengewirr eine Erklärung für ihre Anwesenheit entrang.
»Jamies Tochter?« Er sah sie interessiert an, sah aber viel weniger überrascht aus als alle anderen bis jetzt. »Wie heißt du,
»Brianna.« Sie war zu aufgewühlt, um ihn anzulächeln, doch es schien ihm nichts auszumachen.
»Brianna.« Er ließ sich auf einem Kniehocker nieder, hieß sie sich ihm gegenüber hinsetzen, und sie sah, dass er ein Holzbein hatte, das steif zu einer Seite hin abgewinkelt war. Er ergriff ihre Hand und lächelte sie an, und das warme Leuchten in seinen sanften, braunen Augen gab ihr zumindest für einen Augenblick das Gefühl, etwas sicherer zu sein.
»Ich bin dein Onkel Ian. Herzlich willkommen.« Unwillkürlich drückte ihre Hand die seine fester und klammerte sich an die Zuflucht, die er ihr anzubieten schien. Er zuckte mit keiner Wimper und zog sie auch nicht zurück, sondern betrachtete Brianna nur sorgfältig und schien belustigt über ihre Kleidung zu sein.
»Hast in der Heide geschlafen, was?«, sagte er angesichts des Schmutzes und der Pflanzenflecken auf ihren Kleidern. »Du scheinst weit gereist zu sein, um uns zu besuchen, Nichte.«
»Sie
»Ich würde nicht von mir auf andere schließen«, sagte Ian nachsichtig. Er drehte sich um und sah sie an. »Oder haben du und Hobardt nicht vor einer halben Stunde noch versucht, fünfhundert Pfund aus mir herauszuquetschen?«
Ihre Lippen pressten sich fest zusammen, und die Linien, die ihren Mund einklammerten, vertieften sich.
»Das Geld gehört mir«, schnappte sie, »und das weißt du genau! Es ist so vereinbart worden; du warst Zeuge bei dem Vertrag.«
Ian seufzte; offensichtlich war es nicht das erste Mal, dass er heute davon hörte.
»Das stimmt«, sagte er geduldig. »Und du bekommst dein Geld – sobald Jamie in der Lage ist, es dir zu schicken. Er hat es dir versprochen, und er ist ein Ehrenmann. Aber …«