»Keine Sorge, Tante Claire«, sagte Ian und versuchte, mich zu trösten. »Ich glaube nicht, dass Onkel Jamie Hand an dich legen würde.«
Ich war mir da nicht so sicher, wenn ich die Vibrationen aus Jamies Richtung bedachte, doch ich hoffte, dass er recht hatte.
»Meinst du, dass er sehr wütend ist?«, fragte ich mit leiser Stimme.
Ian zuckte beklommen mit den Achseln.
»Tja, letztes Mal, als er mich so angesehen hat, hat er mich hinters Haus gebracht und mich verprügelt. Das würde er mit dir aber nicht tun, da bin ich mir sicher«, fügte er hastig hinzu.
»Wohl nicht«, sagte ich etwas trostlos. Ich war mir nicht sicher, ob ich es nicht vielleicht sogar vorgezogen hätte.
»Es ist allerdings auch nicht besonders angenehm, wenn Onkel Jamie einem die Meinung sagt«, sagte Ian und schüttelte mitfühlend den Kopf. »Da wäre mir eine Tracht Prügel lieber.«
Ich brachte Ian mit einem Blick zum Schweigen und beugte mich über den Hund.
»Ein jeglicher Tag hat seine eigene Plage. Hat er aufgehört zu bluten?«
Das hatte er; abgesehen von dem blutverklebten Fell hielt sich der Schaden überraschend in Grenzen; kaum mehr als eine tiefe Kerbe in der Haut und den Muskeln neben der Schulter. Rollo legte die Ohren an und entblößte die Zähne, als ich ihn untersuchte, legte aber keinen hörbaren Protest ein.
»Braver Hund«, murmelte ich. Hätte ich ein Betäubungsmittel gehabt, hätte ich die Wunde genäht, doch wir mussten ohne solche Annehmlichkeiten auskommen. »Wir sollten hier etwas Salbe auftragen, um die Fliegen fernzuhalten.«
»Ich hole sie, Tante Claire, ich weiß, wo deine Kiste ist.« Ian schob Rollos Nase sanft von seinem Knie und stand auf. »Ist es das grüne Zeug, das du auf Fergus’ Zeh geschmiert hast?« Auf mein Nicken verschwand er in der Kabine, und ich konnte mich meinem rumorenden Magen, meinem brummenden Kopf und meiner blockierten Kehle widmen. Ich schluckte mehrmals, doch ohne nennenswerten Erfolg. Ich berührte zögernd meinen Hals, während ich mich fragte, welcher meiner Ringe mir geblieben war.
Eutroclus bog um die Kabinenecke. Er trug einen langen, dicken Staken aus hellem Holz, der an einem Ende dunkel gefleckt war und so von häufigem Gebrauch zeugte. Er stieß den Staken jenseits der Bordwand in den Boden, stemmte sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen und wuchtete ihn mit einer ausgedehnten Kraftanstrengung wieder hoch.
Ich fuhr zusammen, als Jamie mit einem weiteren Staken aus dem Schatten trat. Inmitten all der Geräusche und Rufe hatte ich ihn nicht gehört. Er sah mich nicht an, sondern zog sich das Hemd aus und stieß auf ein Zeichen des Matrosen ebenfalls mit seinem Staken zu.
Beim vierten Versuch spürte ich, wie die Bordwand vibrierte, ein leichtes Zittern, als sich etwas verlagerte. Dadurch ermutigt, drückten Jamie und der Matrose fester zu, und ganz plötzlich kam das Schiff mit einem dumpfen Knarren frei, worauf Rollo mit einem aufgeschreckten
Eutroclus, der unter seiner glänzenden Schweißschicht strahlte, nickte Jamie zu und nahm seinen Staken entgegen. Jamie nickte lächelnd zurück, hob sein Hemd auf und wandte sich mir zu.
Ich erstarrte, und Rollos Ohren zuckten wachsam, doch Jamie schien nicht vorzuhaben, mich auszuschimpfen oder über Bord zu werfen. Stattdessen bückte er sich und sah mich stirnrunzelnd im Licht der schwankenden Laterne an.
»Wie fühlst du dich, Sassenach? Ich kann nicht sagen, ob du wirklich grün bist oder ob es nur das Licht ist.«
»Mir geht’s gut. Ein bisschen wacklig vielleicht.« Mehr als nur ein bisschen – meine Hände waren immer noch klamm, und ich wusste, dass meine zitternden Knie mich nicht tragen würden, falls ich versuchte aufzustehen. Ich schluckte fest, hustete und schlug mir auf die Brust.
»Vielleicht bilde ich es mir nur ein, aber es fühlt sich so an, als wäre mir der Ring im Hals stecken geblieben.«
Er blinzelte mich nachdenklich an und wandte sich dann an Fergus, der aus der Kabine aufgetaucht war und abwartend neben uns stand.
»Frag den Kapitän, ob er mir kurz seine Pfeife leiht, Fergus.« Er wandte sich ab, zog sich das Hemd über den Kopf und verschwand seinerseits nach achtern. Einen Augenblick später kehrte er mit einem Becher Wasser zurück.
Ich griff dankbar danach, doch er hielt ihn außer Reichweite.
»Jetzt noch nicht, Sassenach«, sagte er. »Hast du sie? Aye, danke, Fergus. Jetzt hol einen leeren Eimer, ja?« Er nahm dem verblüfften Fergus die verdreckte Pfeife ab, fuhr mit dem Daumen in den Kopf und begann, die verbrannten, klebrigen Rückstände abzukratzen.
Er drehte die Pfeife um und klopfte sie über dem Wasserbecher aus. Braune Flocken und feuchte Krümel halb verbrannten Tabaks rieselten herab, und er rührte sie mit seinem geschwärzten Daumen ins Wasser. Als er mit seinen Vorbereitungen fertig war, warf er mir über den Becherrand hinweg einen ausgesprochen unheilschwangeren Blick zu.
»Nein«, sagte ich. »O nein.«
»O doch«, sagte er. »Komm schon, Sassenach, danach geht’s dir besser.«
»Ich … warte lieber«, sagte ich. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Trotzdem danke.«