Man konnte nicht länger darauf vertrauen, dass die Sheriffs die Ordnung wahrten; dafür hatten die Skandale gesorgt, die die Regulatorenbewegung ins Leben gerufen hatten. Das Problem war natürlich, dass die Komitees selbst ernannt waren und es daher keinen Grund gab, ihnen mehr zu trauen als den Sheriffs.
Es gab noch andere Komitees. Die Korrespondenzkomitees, lose Zusammenschlüsse von Männern, die sich gegenseitig Briefe schrieben und Nachrichten und Gerüchte in den Kolonien verbreiteten. Und es waren diese verschiedenen Komitees, aus denen die Saat der Rebellion entspringen würde – jetzt schon heranreifte, irgendwo dort draußen in der kalten Frühlingsnacht.
Wie ich es hin und wieder tat – inzwischen sehr viel öfter –, rechnete ich mir aus, wie viel Zeit noch blieb. Es war fast April 1773. Und am achtzehnten im April fünfundsiebzig … wie Longfellow es so altertümlich nett formulierte …
Zwei Jahre. Aber der Krieg hat eine lange Zündschnur, die nur schwierig Feuer fängt. Diese hier war in Alamance angezündet worden, und die leuchtende Glut des schleichenden Feuers in North Carolina war bereits sichtbar – wenn man wusste, wohin man schauen musste.
Die Bleikugeln rollten klackernd in dem Munitionsbeutel in meinen Händen umher; meine Finger umklammerten das Leder. Jamie sah das und berührte zur Beruhigung rasch und sacht mein Knie, dann nahm er den Beutel, rollte ihn zusammen und verstaute ihn in der Patronendose.
»Rechtzeitig«, wiederholte er und sah MacDonald an. »Was meint Ihr damit, Donald?«
»Nun, wer sonst sollte ein solches Komitee anführen als Ihr selbst, Major? Genau das hatte ich dem Gouverneur vorgeschlagen.« MacDonald bemühte sich um eine bescheidene Miene, die er jedoch nicht zuwege brachte.
»Sehr freundlich von Euch, Major«, sagte Jamie trocken. Er sah mich an und zog eine Augenbraue hoch. Die Kolonialregierung musste in einem schlimmeren Zustand sein, als selbst er es vermutet hatte, wenn Gouverneur Martin die Existenz der Komitees nicht nur duldete – sondern sie insgeheim billigte.
Das langgezogene Jaulen eines gähnendes Hundes drang aus dem Flur schwach an mein Ohr, und ich entschuldigte mich, um nach Ian zu sehen.
Ich fragte mich, ob Gouverneur Martin die geringste Idee hatte, was er da entfesselte. Ich traute ihm zu, dass er das Beste aus einer verfahrenen Situation machte, indem er dafür zu sorgen versuchte, dass zumindest einige der Sicherheitskomitees von Männern angeführt wurden, die während der Regulatorenkriege auf der Seite der Krone gestanden hatten. Das änderte nichts daran, dass er nicht viele dieser Komitees kontrollieren – oder auch nur von ihnen wissen – konnte. Doch die Kolonie begann allmählich wie ein kochender Teekessel zu sieden und zu rumpeln, und Martin hatte keine offiziellen Truppen zu seiner Verfügung – nur irreguläre Soldaten wie MacDonald … und die Miliz.
Was natürlich der Grund dafür war, dass MacDonald Jamie »Oberst« nannte. Der Vorgänger des Gouverneurs, William Tryon, hatte Jamie – völlig gegen dessen Willen – zum Oberst der Miliz für das Hinterland oberhalb des Yadkin ernannt.
»Hmpf«, sagte ich zu mir selbst. Weder MacDonald noch Martin waren Dummköpfe. Jamie um die Einrichtung eines Sicherheitskomitees zu bitten, bedeutete, dass er die Männer einberufen würde, die unter ihm in der Miliz gedient hatten – die Regierung jedoch zu nichts verpflichten konnte, was ihre Bezahlung oder Ausrüstung anging, und der Gouverneur von jeder Verantwortung bezüglich ihrer Handlungen frei sein würde, da ein Komitee für die Sicherheit keine offizielle Einrichtung war.
Doch wenn Jamie auf einen solchen Vorschlag einging, war die Gefahr für ihn – und uns alle – beträchtlich.
Es war dunkel im Flur, da Licht allein hinter mir aus der Küche und von der schwach leuchtenden Kerze im Sprechzimmer kam. Ian schlief, war aber unruhig, und leises Unwohlsein legte die Haut zwischen seinen Augenbrauen in Falten. Rollo hob den Kopf, und seine buschige Rute wedelte auf dem Boden grüßend hin und her.
Ian antwortete weder, als ich seinen Namen sagte, noch, als ich ihm die Hand auf die Schulter legte. Ich schüttelte ihn erst sanft, dann fester. Ich konnte ihn kämpfen sehen, irgendwo unter den Schichten der Bewusstlosigkeit, wie einen Mann, der unter Wasser in der Strömung dahintreibt, sich den lockenden Tiefen hingibt, als ihn ein unerwarteter Angelhaken zurückreißt, ein schmerzender Stich in der von der Kälte betäubten Haut.
Seine Augen öffneten sich plötzlich, dunkel und verloren, und er starrte mich verständnislos an.
»Hallo, du«, sagte ich leise, erleichtert, ihn aufwachen zu sehen. »Wie heißt du?«
Ich konnte sehen, dass er die Frage zunächst nicht verstand, und wiederholte sie geduldig. Irgendwo in den Tiefen seiner geweiteten Pupillen regte sich das Bewusstsein.
»Wer ich bin?«, fragte er auf Gälisch. Er sagte noch etwas Unverständliches auf Mohawk, und seine Augenlider schlossen sich flatternd.
»Wach auf, Ian«, sagte ich bestimmt und schüttelte ihn wieder. »Sag mir, wer du bist.«