Er zögerte. Sein Magen schlingerte unangenehm, und eigentlich hätte er sich gern wieder hingelegt – doch im Sprechzimmer mit seinen kräftigen Gerüchen und dem Glitzern der Klingen und anderer rätselhafter und schmerzhafter Dinge wurde ihm beklommen zumute. Onkel Jamie schien zu erraten, wo die Schwierigkeit lag, denn er bückte sich und schob Ian eine Hand unter den Ellbogen.
»Komm mit, Junge. Du kannst oben in einem richtigen Bett schlafen, wenn es dich nicht stört, dass Major MacDonald das andere nimmt.«
»Es stört mich nicht«, sagte er, »aber ich glaube, ich bleibe hier.« Er wies mit einer Geste zum Fenster, denn er wollte nicht nicken und seinen Kopf wieder in Aufruhr versetzen. »Rollo kommt bestimmt gleich zurück.«
Onkel Jamie diskutierte nicht mit ihm, und dafür war er dankbar. Frauen machten Theater. Männer kamen einfach zur Sache.
Sein Onkel hievte ihn ohne weitere Umstände in sein Bett zurück, deckte ihn zu und begann dann, auf der Suche nach dem Gewehr, das er abgelegt hatte, in der Dunkelheit herumzurascheln. Ian bekam das Gefühl, dass ein kleines bisschen Theater ihm eventuell doch guttäte.
»Könntest du mir einen Becher Wasser geben, Onkel Jamie?«
»Wie? Oh, aye?«
Tante Claire hatte einen Krug mit Wasser in seiner Nähe stehengelassen. Er hörte das heimelige Geräusch glucksender Flüssigkeit, dann wurde ihm der Rand eines Keramikbechers an den Mund gehalten, während ihn sein Onkel mit einer Hand im Rücken aufrecht hielt. Das war nicht nötig, aber er protestierte auch nicht; die Berührung war warm und tröstend. Er hatte gar nicht gemerkt, wie kalt ihm von der Nachtluft geworden war, und ein kurzer Schauer überlief ihn.
»Alles klar, Junge?«, murmelte Onkel Jamie und legte Ian die Hand auf die Schulter.
»Aye. Onkel Jamie?«
»Mpfm?«
»Hat Tante Claire dir erzählt von – von einem Krieg? Einem, der kommt, meine ich? Mit England.«
Ein paar Sekunden herrschte Schweigen, und die kräftige Gestalt seines Onkels erstarrte im Lichtschein der Tür.
»Ja, das hat sie«, sagte er und zog seine Hand fort. »Hat sie es dir erzählt?«
»Nein, Brianna hat es getan.« Er legte sich vorsichtig auf die Seite, um die empfindliche Stelle an seinem Kopf nicht zu berühren. »Glaubst du ihnen?«
Diesmal gab es kein Zögern. »Aye, das tue ich.«
Die Worte kamen im üblichen, sachlich trockenen Tonfall seines Onkels, doch irgendetwas an ihnen ließ Ian die Nackenhaare zu Berge stehen.
»Oh. Nun denn.«
Das Gänsedaunenkissen unter seiner Wange war weich und duftete nach Lavendel. Die Hand seines Onkels berührte seinen Kopf und strich ihm die zerzausten Haare aus dem Gesicht.
»Mach dir deswegen keine Gedanken, Ian«, sagte er leise. »Bis dahin ist noch Zeit.«
Er nahm das Gewehr und ging. Von dort, wo er lag, konnte Ian über den Hof und über die Bäume hinwegsehen, die sich mit dem Berghang absenkten, vorbei am Kamm des Black Mountain und weiter in den schwarzen Himmel, an dem es vor Sternen wimmelte.
Er hörte, wie sich die Hintertür öffnete und Mrs. Bugs schrille Stimme die anderen übertönte.
»Sie sind nicht daheim, Sir«, berichtete sie atemlos. »Und im Haus ist es dunkel, kein Feuer im Kamin. Wo mögen sie hin sein um diese Zeit?«
Er fragte sich dumpf, wer wohl nicht da war, doch es schien keine große Rolle zu spielen. Wenn es Schwierigkeiten gab, würde sich Onkel Jamie darum kümmern. Dieser Gedanke war tröstlich; er fühlte sich wie ein kleiner Junge, sicher im Bett, und draußen hörte er die Stimme seines Vaters, der sich in der kalten Dunkelheit einer Highlanddämmerung mit einem Pächter unterhielt.
Unter dem Quilt breitete sich langsam Wärme über ihn, und er schlief ein.
Der Mond ging bereits auf, als sie aufbrachen, und das war gut so, dachte Brianna. Selbst unter der großen Goldsichel, die sich aus einer Wiege aus Sternen erhob und ihren geborgten Schein am Himmel verbreitete, war der Weg unter ihren Füßen unsichtbar, genau wie ihre Füße, die in der absoluten Schwärze des nächtlichen Waldes versanken.
Schwarz, aber nicht still. Über ihnen rauschten die riesigen Bäume, kleine Tiere piepsten und raschelten in der Dunkelheit, und dann und wann flatterte eine Fledermaus lautlos so dicht an ihr vorüber, dass sie erschrak – als hätte sich plötzlich ein Teil der Nacht gelöst und vor ihrer Nase Flügel bekommen.
»Pastors Katze ist eine schreckhafte Katze?«, meinte Roger, als sie sich nach einer solchen Heimsuchung durch einen Lederflügler atemlos an ihn klammerte.
»Pastors Katze ist eine … Katze, die dein Verständnis zu schätzen weiß«, erwiderte sie und drückte ihm die Hand. »Danke.« Wahrscheinlich würden sie in ihre Umhänge gehüllt bei den McGillivrays am Feuer schlafen, anstatt gemütlich in ihren Betten zu liegen – aber wenigstens würden sie Jemmy bei sich haben.
Er erwiderte den Händedruck. Seine Hand war größer und kräftiger als ihre, sehr beruhigend in der Dunkelheit.
»Schon gut«, sagte er. »Ich habe ja auch Sehnsucht nach ihm. In einer Nacht wie dieser hat man seine Familie gern sicher an einem Ort beisammen.«