»In der Nähe von Dundreggan lebte einmal ein Clan des Feenvolks«, begann er. »Und der Hügel dort ist nach dem Drachen benannt, der einst dort lebte und den Fionn getötet und dort begraben hat. Nach dem Tode von Fionn und Feinn trug es sich zu, dass sich die Feen, die danach in den Hügel gezogen sind, Menschenmütter als Ammen für ihre Feenkinder wünschten, denn die Menschen haben etwas, das die Feen nicht haben, und sie glaubten, dass es mit der Muttermilch an ihre eigenen Kleinen weitergegeben werden könnte. Einmal war Ewan MacDonald aus Dundreggan im Dunkeln unterwegs, um nach seinem Vieh zu sehen – in derselben Nacht, als seine Frau ihren erstgeborenen Sohn zur Welt gebracht hatte. Der Nachtwind strich an ihm vorbei, und im Atem des Windes hörte er seine Frau seufzen. Es klang wie ihre Seufzer vor der Geburt, und als er sie hörte, wandte sich Ewan MacDonald um und schleuderte sein Messer in den Wind, im Namen der Dreifaltigkeit. Und seine Frau stürzte unversehrt an seiner Seite zu Boden.«
Das Ende der Geschichte wurde mit einem kollektiven »Ah« aufgenommen, und es folgten weitere Geschichten von der Schlauheit und dem Erfindungsreichtum des Feenvolks und noch andere über ihre Begegnungen mit der Menschenwelt. Manche waren in Gälisch, manche in Englisch, anscheinend je nachdem, welche Sprache am besten zum Rhythmus der Worte passte, denn der gesamte Vortrag war von einer Schönheit, die über den Inhalt der eigentlichen Geschichte hinausreichte. Wie versprochen übersetzte Jamie das Gälische leise für mich, so schnell und so mühelos, dass ich den Eindruck bekam, dass er diese Geschichten schon oft gehört haben musste.
Eine davon prägte sich mir besonders ein; sie handelte von einem Mann, der spät in der Nacht draußen auf dem Feenhügel war und hörte, wie der Gesang einer Frau »traurig und klagend« direkt aus den Steinen des Hügels drang. Er hörte genauer hin und hörte die Worte:
Also eilte der Mann, der das gehört hatte, zum Haus von Balnain, doch der Besitzer war nicht da, und seine Gemahlin und ihr neugeborener Sohn wurden vermisst. Der Mann suchte hastig einen Priester auf und führte ihn zu dem Feenhügel. Der Priester segnete die Felsen des Hügels und besprenkelte sie mit Weihwasser. Plötzlich verfinsterte sich die Nacht noch mehr, und man hörte Lärm, als donnerte es. Dann kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und sein Licht fiel auf die Frau des Herrn von Balnain, die mit ihrem Kind in den Armen erschöpft im Gras lag. Die Frau war müde, als hätte sie eine weite Reise hinter sich, doch sie konnte nicht sagen, wo sie gewesen oder wie sie dorthin gekommen war.
Auch die Zuhörer hatten Geschichten zu erzählen, und Gwyllyn ruhte sich auf seinem Hocker aus und nippte an seinem Wein, während einer dem anderen Platz am Feuer machte und Geschichten erzählte, die den ganzen Saal gefangen nahmen.
Manche davon hörte ich kaum. Ich war selbst gefangen, jedoch in meinen Gedanken, die ihre eigenen Wege gingen und sich unter dem Einfluss von Wein, Musik und Feenlegenden zu Mustern formten.
»Es war einmal vor zweihundert Jahren …«
Und Frauen, die in die Steine von Feenhügeln gerieten, weit reisten und erschöpft ankamen. Ohne zu wissen, wo sie gewesen waren oder wie sie dorthin gekommen waren.
Ich konnte spüren, wie sich mir die Haare auf den Unterarmen sträubten, als fröstelte ich, und ich rieb sie beklommen mit den Händen. Zweihundert Jahre. Von 1946 ins Jahr 1743; ja, das passte. Und Frauen, die durch die Steine reisten. Waren es immer Frauen?, fragte ich mich plötzlich.
Mir kam noch ein Gedanke. Die Frauen kehrten zurück. Weihwasser, Zauberspruch oder Messer,
»Vorsicht!« Meine tastenden Finger berührten die Kante des fast vollen Kristallkelchs, den ich achtlos neben mir auf die Bank gestellt hatte. Jamies langer Arm fuhr über meinen Schoß hinweg und rettete das Glas um Haaresbreite vor der Katastrophe. Er hob das Glas, dessen Stiel er vorsichtig zwischen zwei Fingern hielt, und schwenkte es vorsichtig unter seiner Nase hin und her. Mit hochgezogenen Augenbrauen reichte er es mir zurück.
»Rheinwein«, erklärte ich hilfsbereit.
»Aye, ich weiß«, sagte er, immer noch mit fragender Miene. »Colums Wein, nicht wahr?«
»Ja, genau. Möchtest du ihn probieren? Er ist sehr gut.« Etwas zitternd hielt ich ihm das Glas hin. Nach kurzem Zögern nahm er es an und trank einen kleinen Schluck.