Ich ging davon aus, dass er sich damit auf das berüchtigte Massaker von Glencoe bezog, wo ein gewisser John Campbell auf Anordnung der Regierung achtunddreißig Mitglieder des MacDonald-Clans ermordet und ihnen das Dach über dem Kopf angezündet hatte. Ich rechnete hastig nach. Das war kaum mehr als fünfzig Jahre her; kurz genug, um Colums Vorsichtsmaßnahmen zu rechtfertigen.
»Jedenfalls hättest du dir keinen schlechteren Abend für einen Fluchtversuch aussuchen können«, fuhr er fort. Die Tatsache,
»Die Jagd?«
»Meistens Rotwild, diesmal vielleicht Wildschweine; einer der Stalljungen hat Alec erzählt, dass im östlichen Wald ein riesiger Eber haust.« Er legte mir die Hand auf den Rücken und wandte mich dem schwach sichtbaren Rechteck der offenen Tür zu.
»Komm mit«, sagte er. »Ich bringe dich zurück in die Burg.«
Ich wich vor ihm zurück. »Mach dir keine Umstände«, sagte ich ungehalten. »Ich finde den Weg allein.«
Er nahm mich fest beim Ellbogen. »Das glaube ich dir. Aber du solltest Colums Wachtposten lieber nicht allein über den Weg laufen.«
»Und warum nicht?«, fuhr ich ihn an. »Ich tue doch nichts Falsches; es gibt schließlich kein Gesetz, das es verbietet, außerhalb der Burg herumzulaufen, oder?«
»Nein. Ich glaube auch nicht, dass dir jemand etwas Böses will«, sagte er und blinzelte nachdenklich ins Dunkle. »Aber es ist ja nicht ungewöhnlich, dass ein Mann sich eine Flasche mitnimmt, die ihm auf seinem Posten Gesellschaft leistet. Und der Alkohol ist zwar vielleicht ein angenehmer Begleiter, aber er ist kein guter Ratgeber, wenn es darum geht, wie man sich angemessen benimmt, wenn so ein süßes kleines Ding allein im Dunkeln des Weges kommt.«
»
»Aye, ich habe ja auch geschlafen und nichts getrunken«, erwiderte er knapp. »Und von deiner Stimmung einmal abgesehen,
Ich zog es vor, nicht darauf einzugehen, und schlug einen anderen Kurs ein. »Warum
»Aye«, sagte er. Er ging weiter, ohne meinen Ellbogen loszulassen, doch nach ein paar Schritten fuhr er fort: »Ich dachte, ich halte mich lieber abseits.«
»Weil du Colum MacKenzie nicht die Treue schwören willst«, riet ich. »Und du dir keine Vorwürfe deswegen anhören willst?«
Er warf mir einen Blick zu, belustigt über meine Worte. »So etwas in der Art«, räumte er ein.
Eine der Seitenpforten stand einladend offen, und eine Laterne, die daneben auf einem Mauervorsprung stand, tauchte den Pfad in gelbes Licht. Wir hatten dieses Leuchtfeuer fast erreicht, als sich plötzlich eine Hand von hinten auf meinen Mund legte und ich abrupt umgerissen wurde.
Ich setzte mich zwar zur Wehr, doch mein Bezwinger trug dicke Handschuhe, und wie Jamie gesagt hatte, war er um einiges größer als ich.
So, wie es sich anhörte, schien auch Jamie etwas in Schwierigkeiten zu sein. Die Grunzlaute und gedämpften Flüche verstummten abrupt mit einem Aufprall und einem kräftigen gälischen Fluch.
Der Kampf im Dunkeln endete, und eine fremde Stimme lachte.
»Ach nein, wenn das nicht Colums Neffe ist. Ein bisschen spät zur Eidzeremonie, was, Junge? Und wen hast du denn da dabei?«
»Es ist ein Mädchen«, antwortete der Mann, der mich festhielt. »Und zwar ein Prachtstück, so, wie es sich anfühlt.« Die Hand löste sich von meinem Mund und drückte anderswo herzhaft zu. Entrüstet quietschte ich auf, griff hinter mich, bekam seine Nase zu fassen und zerrte mit aller Macht daran. Fluchend ließ der Mann mich los. Ich trat ein paar Schritte von der Whiskywolke zurück und war plötzlich dankbar für Jamies Gegenwart. Möglicherweise war es ja doch klug gewesen, dass er mich begleitet hatte.
Er selbst schien anderer Meinung zu sein, denn er versuchte vergeblich, die beiden Wachtposten abzuschütteln, die ihn im Klammergriff gepackt hielten. Ihr Vorgehen hatte zwar nichts Feindseliges an sich, doch sie ließen sich nicht beirren, sondern setzten sich in Bewegung. Zielstrebig hielten sie auf die offene Pforte zu, ihren Gefangenen im Schlepptau.
»Nein, lass mich los, Mann, damit ich mich erst umziehen kann«, protestierte er jetzt. »Ich kann doch so nicht zum Eid erscheinen.«