512 Mit den starken H"anden Albrichen lief er an,Und erfasste bei dem Barte den altgreisen Mann.Den zuckt’ er ungef"uge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz.Des jungen Helden Z"uchtigung gieng Alberichenans Herz.513 Laut rief der K"uhne: "Nun lasst mir das Leben:Und h"att ich einem Helden mich nicht schon ergeben,Dem ich schw"oren muste, ich war ihm unterthan,Ich dient euch, bis ich st"urbe," so sprach der listige Mann.514 Er band auch Alberichen wie den Riesen eh:Siegfriedens Kr"afte thaten ihm gar weh.Der Zwerg begann zu fragen: "Wie seid ihr genannt?"Er sprach: "Ich heisse Siegfried: ich w"ahnt,ich w"are euch bekannt."515 "So wohl mir diese Kunde," sprach da Alberich,"An euern Heldenwerken sp"urt ich nun sicherlich,Dass ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein.Ich thu, was ihr gebietet, lasst ihr nur mich gedeihn."516 Da sprach der Degen Siegfried: "So macht euchauf geschwindUnd bringt mir her der Besten, die in der Veste sind,Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn.So lass ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn."517 Albrichen und den Riesen l"ost’ er von dem Band.Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand.Sorglich erweckt’ er Die in Niblungs LehnUnd sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr solltzu Siegfrieden gehn."518 Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit:Tausend schnelle Ritter standen im Eisenkleid.Er brachte sie zur Stelle, wo er Siegfried fand:Der gr"usste sch"on die Degen und gab Manchemdie Hand.519 Viel Kerzen liess man z"unden; man schenkt’ ihm lauternTrank.Dass sie so bald gekommen, des sagt’ er Allen Dank.Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mir folgen "uber Flut."Dazu fand er willig diese Helden k"uhn und gut.520 Wohl dreissig hundert Recken kamen ungez"ahlt:Von denen wurden tausend der besten auserw"ahlt,Man brachte ihre Helme und ander R"ustgewand,Da er sie f"uhren wollte hin zu Brunhildens Land.521 Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins lasst euch sagen:Ihr sollt reiche Kleider dort am Hofe tragen,Denn uns wird da schauen manch minnigliches Weib:Darum sollt ihr zieren mit guten Kleidern den Leib."522 Nun m"ochten mich die Thoren vielleicht der L"uge zeihn:Wie konnten so viel Ritter wohl beisammen sein?Wo n"ahmen sie die Speise? Wo n"ahmen sie Gewand?Und bes"ass er dreissig Lande, er br"acht es nimmerzu Stand.523 Ihr habt doch wol vernommen, Siegfried war gar reich.Sein war der Nibelungenhort, dazu das K"onigreich.Drum gab er seinen Degen v"olliglich genug;Es ward ja doch nicht minder, wie viel manvon dem Schatze trug.524 Eines fr"uhen Morgens begannen sie die Fahrt:Was schneller Mannen hatte da Siegfried sich geschart!Sie f"uhrten gute Rosse und herrlich Gewand:Sie kamen stolz gezogen hin zu Brunhildens Land.525 Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind.Da sprach die K"onigstochter: "Weiss Jemand,wer die sind,Die ich dort fliessen sehe so fern auf der See?Sie f"uhren reiche Segel, die sind noch weisserals der Schnee."526 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es ist mein Heergeleit,Das ich auf der Reise verliess von hier nicht weit:Ich habe sie besendet: nun sind sie, Frau, gekommen."Der herrlichen G"aste ward mit Z"uchten wahrgenommen.527 Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voranIn herrlichem Gewande mit manchem andern Mann.Da sprach die K"onigstochter: "Herr K"onig, wolltmir sagen:Soll ich die G"aste gr"ussen oder ihnen Gruss versagen?"528 Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vor den Pallas gehn,Ob ihr sie gerne sehet, dass sie das wohl verstehn."Da that die K"onigstochter, wie ihr der K"onig rieth;Siegfrieden mit dem Grusse sie von den Andernunterschied.529 Herberge gab man ihnen und wahrt’ ihr Gewand.Da waren so viel G"aste gekommen in das Land,Dass sie sich allenthalben dr"angten mit den Scharen:Da wollten heim die K"uhnen zu den Burgunden fahren.530 Da sprach die K"onigstochter: "Dem blieb ich immerhold,Der zu vertheilen w"uste mein Silber und mein GoldMeinen G"asten und des K"onigs, des ich so viel gewann."Zur Antwort gab ihr Dankwart, des k"uhnen GeiselherMann:531 "Viel edle K"onigstochter, lasst mich der Schl"ussel pflegen;Ich will es so vertheilen," sprach der k"uhne Degen,"Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein."Dass er milde w"are, das leuchtete da wohl ein.532 Als sich Hagens Bruder der Schl"ussel unterwand,So manche reiche Gabe bot des Helden Hand:Wer Einer Mark begehrte, dem ward so viel gegeben,Dass die Armen alle da in Freuden mochten leben.533 Wohl mit hundert Pfunden gab er ohne Wahl.Da gieng in reichem Kleide Mancher aus dem Saal,Der nie zuvor im Leben so hehr Gewand noch trug.Die K"onigin erfuhr es: da war es ihr leid genug.534 Sie sprach zu dem K"onig: "Des h"att ich gerne Rath,Dass nichts mir soll verbleiben von meinem KleiderstaatVor euerm K"ammerlinge: er verschwendet all mein Gold.Wer dem noch widerst"ande, dem wollt ich immerbleiben hold.535 "Er giebt so reiche Gaben: der Degen w"ahnet eben,Ich habe nach dem Tode gesandt: ich will noch lebenUnd kann wol selbst verschwenden meines Vaters Gut."Nie hatt einer K"onigin K"ammerer so milden Muth.536 Da sprach von Tronje Hagen: "Frau, euch sei bekannt:Der K"onig vom Rheine hat Gold und GewandZu geben solche F"ulle, dass es nicht Noth ihm thut,Von hier hinweg zu f"uhren einen Theil von BrunhildsGut."537 "Nein, wenn ihr mich liebet," sprach sie zu den Herrn,"Zwanzig Reiseschreine f"ullt ich mir gernMit Gold und mit Seide: das soll meine HandVertheilen, so wir kommen heim in der BurgundenLand."538 Da lud man ihr die Kisten mit edelm Gestein.Der Frauen K"ammerlinge musten zugegen sein:Sie wollt es nicht vertrauen Geiselhers Unterthan.Gunther und Hagen darob zu lachen begann.539 Da sprach die K"onigstochter: "Wem lass ich nunmein Land?Das soll hier erst bestimmen mein und eure Hand."Da sprach der edle K"onig: "So rufet wen herbei,Der euch dazu gefalle, dass er zum Vogt geordnet sei."540 Ihrer n"achsten Freunde Einen die Jungfrau bei sich sah;Es war ihr Mutterbruder, zu dem begann sie da:"Nun lasst euch sein befohlen die Burgen und das Land,Bis seine Amtleute der K"onig Gunther gesandt."541 Aus dem Gesinde w"ahlte sie zweitausend Mann,Die mit ihr fahren sollten gen Burgund hindannMit jenen tausend Recken aus Nibelungenland.Sie schickten sich zur Reise: man sah sie reiten nachdem Strand.542 Sie f"uhrte mit von dannen sechsundachtzig Fraun,Dazu wol hundert M"agdelein, die waren sch"on zu schaun.Sie s"aumten sich nicht l"anger, sie eilten nun hindann:Die sie zu Hause liessen, wie Manche hub zu weinen an!543 In h"ofischen Z"uchten r"aumte die Frau ihr Land,Die n"achsten Freunde k"ussend, die sie bei sich fand.Mit gutem Urlaube kamen sie aufs Meer;Ihres Vaters Lande sah die Jungfrau nimmermehr.544 Auf ihrer Fahrt ert"onte vielfaches Freudenspiel;Aller Kurzweile hatten sie da viel.Auch hob sich zu der Reise der rechte Wasserwind.Sie fuhren ab vom Lande: das beweinte mancherMutter Kind.545 Doch wollte sie den K"onig nicht minnen auf der Fahrt:Ihre Kurzweil wurde bis in sein Haus gespartZu Worms in der Veste zu einem Hofgelag,Dahin mit ihren Helden sie fr"ohlich kamen hernach.