840 Es war vor einer Vesper, als man den Schall vernahm,Der von manchem Recken auf dem Hofe kam:Sie stellten Ritterspiele der Kurzweil willen an.Da eilten es zu schauen Frauen viel und mancher Mann.841 Da sassen beisammen die K"oniginnen reichUnd gedachten zweier Recken, die waren ohne Gleich.Da sprach die sch"one Kriemhild: "Ich hab einen Mann,Dem w"aren diese Reiche alle billig unterthan."842 Da sprach zu ihr Frau Brunhild: "Wie k"onntedas wohl sein?Wenn Anders Niemand lebte als du und er allein,So m"ochten ihm die Reiche wohl zu Gebote stehn:So lange Gunther lebte, so k"onnt es nimmer geschehn."843 Da sprach Kriemhild wieder: "Siehst du, wie er steht,Wie er da so herrlich vor allen Recken geht,Wie der lichte Vollmond vor den Sternen thut!Darob mag ich wohl immer tragen fr"ohlichen Muth."844 Da sprach wieder Brunhild: "Wie waidlichsei dein Mann,Wie sch"on und wie bieder, so steht ihm doch voranGunther der Recke, der edle Bruder dein:muss vor allen K"onigen, das wisse du wahrlich, sein."845 Da sprach Kriemhild wieder: "So werth ist mein Mann,Dass er ohne Grund nicht solch Lob von mir gewann.An gar manchen Dingen ist seine Ehre gross.Glaubst du das, Brunhild? er ist wohl Gunthers Genoss!"846 "Das sollst du mir, Kriemhild, im Argen nicht verstehn;Es ist auch meine Rede nicht ohne Grund geschehn.Ich h"ort’ es Beide sagen, als ich zuerst sie sah,Und als des K"onigs Willen in meinen Spielen geschah.847 "Und da er meine Minne so ritterlich gewann,Da sagt’ es Siegfried selber, er sei des K"onigs Mann:Drum halt ich ihn f"ur eigen: ich h"ort’ es ihn gestehn."Da sprach die sch"one Kriemhild: "So w"ar mir "ubelgeschehn.848 "Wie h"atten so geworben die edeln Br"uder mein,Dass ich des Eigenmannes Gemahl sollte sein?Darum will ich, Brunhild, gar freundlich dich bitten,Lass mir zu Lieb die Rede hinfort mit g"utlichen Sitten."849 Die K"onigin versetzte: "Sie lassen mag ich nicht:Wie th"at ich auf so manchen Ritter wohl Verzicht,Der uns mit dem Degen zu Dienst ist unterthan?"Kriemhild die Sch"one hub da sehr zu z"urnen an.850 "Dem must du wohl entsagen, dass er in der WeltDir irgend Dienste leiste. Werther ist der HeldAls mein Bruder Gunther, der Degen unverzagt.Erlass mich der Dinge, die du mir jetzo gesagt.851 "Auch muss mich immer wundern, wenn erdein Dienstmann istUnd du ob uns Beiden So gewaltig bist,Warum er dir so lange den Zins versessen hat;Deines Uebermuthes w"ar ich billig nun satt."852 "Du willst dich "uberheben," sprach da die K"onigin."Wohlan, ich will doch schauen, ob man dich f"urderhinSo hoch in Ehren halte, als man mich selber thut."Die Frauen waren beide in sehr zornigem Muth.853 Da sprach wieder Kriemhild: "Das wird dir wohlbekannt:Da du meinen Siegfried dein eigen hast genannt,So sollen heut die Degen der beiden K"onge sehen,Ob ich vor der K"onigin wohl zur Kirche d"urfe gehn.854 "Ich lasse dich wohl schauen, dass ich edel bin und frei,Und dass mein Mann viel werther als der deine sei.Ich will damit auch selber nicht bescholten sein:Du sollst noch heute sehen, wie die Eigenholde dein855 "Zu Hof geht vor den Helden in Burgundenland.Ich will h"oher gelten, als man je gekanntEine K"onigstochter, die noch die Krone trug."Unter den Frauen hob sich der Hass da grimm genug.856 Da sprach Brunhild wieder: "Willst du nicht eigen sein,So must du dich scheiden mit den Frauen deinVon meinem Ingesinde, wenn wir zum M"unster gehn.""In Treuen," sprach da Kriemhild, "also solles geschehn."857 "Nun kleidet euch, ihr Maide," hub da Kriemhild an:"Ob ich frei von Schande hier nicht verbleiben kann,Lasst es heute schauen, besitzt ihr reichen Staat;Sie soll es noch verl"augnen, was ihr Mund gesprochen hat."858 Ihnen war das leicht zu rathen; sie suchten reich Gewand.Wie bald man da im Schmucke viel Fraun und Maidefand!Da gieng mit dem Gesinde des edeln Wirths Gemahl;Zu Wunsch gekleidet ward auch die sch"one Kriemhildzumal859 Mit dreiundvierzig Maiden, die sie zum Rhein gebracht;Die trugen lichte Zeuge, in Arabien gemacht.So kamen zu dem M"unster die M"agdlein wohlgethan.Ihrer harrten vor dem Hause Die Siegfrieden unterthan.860 Die Leute nahm es Wunder, warum das geschah,Dass man die K"oniginnen so geschieden sah,Und dass sie bei einander nicht giengen so wie eh.Das gerieth noch manchem Degen zu Sorgenund grossem Weh.861 Nun stand vor dem M"unster K"onig Gunthers Weib.Da fanden viel der Ritter genehmen ZeitvertreibBei den sch"onen Frauen, die sie da nahmen wahr.Da kam die edle Kriemhild mit mancher herrlichen Schar.862 Was Kleider je getragen eines edeln Ritters Kind,Gegen ihr Gesinde war alles nur wie Wind.Sie war so reich an Gute, dreissig K"onigsfraunMochten die Pracht nicht zeigen, die da an ihr warzu schaun.863 Was man auch w"unschen mochte, Niemand konnte sagen,Dass er so reiche Kleider je gesehen tragen,Als da zur Stunde trugen ihre M"agdlein wohlgethan.Brunhilden wars zu Leide, sonst h"att es Kriemhildnicht gethan.864 Nun kamen sie zusammen vor dem M"unster weit.Die Hausfrau des K"onigs aus ingrimmem NeidHiess da Kriemhilden unwirsch stille stehn:"Es soll vor K"onigsweibe die Eigenholde nicht gehn."865 Da sprach die sch"one Kriemhild, zornig war ihr Muth:"H"attest du noch geschwiegen, das w"ar dir wohl gut.Du hast gesch"andet selber deinen sch"onen Leib:Mocht eines Mannes Kebse je werden K"onigesweib?"866 "Wen willst du hier verkebsen?" sprach des K"onigs Weib."Das thu ich dich," sprach Kriemhild: "deinensch"onen LeibHat Siegfried erst geminnet, mein geliebter Mann:Wohl war es nicht mein Bruder, der dein Magdthumgewann.867 "Wo blieben deine Sinne? Es war doch arge List:Was liessest du ihn minnen, wenn er dein Dienstmann ist?Ich h"ore dich," sprach Kriemhild, "ohn alle Ursachklagen.""In Wahrheit," sprach da Brunhild, "das will ichdoch Gunthern sagen."868 "Wie mag mich das gef"ahrden? Dein Uebermuthhat dich betrogen:Du hast mich mit Reden in deine Dienste gezogen,Dass wisse du in Treuen, es ist mir immer leid:Zu trauter Freundschaft bin ich dir nimmer wieder bereit."869 Brunhild begann zu weinen; Kriemhild es nicht verhieng,Vor des K"onigs Weibe sie in das M"unster giengMit ihrem Ingesinde. Da hub sich grosser Hass;Es wurden lichte Augen sehr getr"ubt davon und nass.870 Wie man da Gott auch diente oder Jemand sang,Brunhilden w"ahrte die Weile viel zu lang.War allzutr"ube der Sinn und auch der Muth:Des muste bald entgelten mancher Degen k"uhn und gut.871 Brunhild mit ihren Frauen gieng vor das M"unster stehn.Sie gedachte: "Ich muss von Kriemhild mehrzu h"oren sehn,Wes mich so laut hier zeihte das wortscharfe Weib:Und wenn er sichs ger"uhmt hat, gehts ihm an Lebenund Leib!"872 Nun kam die edle Kriemhild mit manchem k"uhnenMann.Da begann Frau Brunhild: "Haltet hier noch an.Ihr wolltet mich verkebsen: lasst uns Beweise sehn,Mir ist von euern Reden, das wisset, "ubel geschehn."873 Da sprach die sch"one Kriemhild: "Was lasst ihr michnicht gehn?Ich bezeug es mit dem Golde, an meiner Hand zu sehn.Das brachte mir Siegfried, nachdem er bei euch lag."Nie erlebte Brunhild wohl einen leidigen Tag.874 Sie sprach: "Diess Gold das edle, das ward mir gestohlenUnd blieb mir lange Jahre "ubel verhohlen:Ich komme nun dahinter, wer mir es hat genommen."Die Frauen waren beide in grossen Unmuth gekommen.875 Da sprach wieder Kriemhild: "Ich will nicht seinder Dieb.Du h"attest schweigen sollen, w"ar dir Ehre lieb.Ich bezeug es mit dem G"urtel, den ich umgethan,Ich habe nicht gelogen: wohl wurde Siegfrieddein Mann."876 Von Niniveer Seide sie eine Borte trugMit edelm Gesteine, die war wohl sch"on genug.Als Brunhild sie erblickte, zu weinen hub sie an.Das muste Gunther wissen und alle Die ihm unterthan.877 Da sprach des Landes K"onigin: "Sendet her zu mirDen K"onig vom Rheine: h"oren soll er hier,Wie sehr seine Schwester sch"andet meinen Leib:Sie sagt vor allen Leuten, ich sei Siegfriedens Weib."878 Der K"onig kam mit Recken: als er weinen sahBrunhild seine Traute, g"utlich sprach er da:"Von wem, liebe Fraue, ist euch ein Leid geschehn?"Sie sprach zu dem K"onig: "Unfr"ohlich mussich hier stehn.879 Aller meiner Ehren hat die Schwester deinMich berauben wollen. Geklagt soll dir sein,Sie sagt: ich sei die Kebse von Siegfried ihrem Mann."Da sprach K"onig Gunther: "So hat sie "ubel gethan."880 "Sie tr"agt hier meinen G"urtel, den ich l"angst verloren,Und mein Gold das rothe. Dass ich je ward geboren,Des muss mich sehr gereuen: befreist du, Herr, mich nichtSolcher grossen Schande, ich minne nie wieder dich."881 Da sprach K"onig Gunther: "So ruft ihn herbei:Hat er sichs ger"uhmet, das gesteh er frei,Er woll es denn l"augnen, der Held von Niederland."Da ward der k"uhne Siegfried bald hin zu ihnen gesandt.882 Als Siegfried der Degen die Unmuthvollen sahUnd den Grund nicht wuste, balde sprach er da:"Was weinen diese Frauen? das macht mir bekannt:Oder wessentwegen wurde hier nach mir gesandt"883 Da sprach K"onig Gunther: "Gross Herzleid fand ich hier.Eine M"are sagte mein Weib Frau Brunhild mir:Du habest dich ger"uhmet, du w"arst ihr erster Mann.So spricht dein Weib Frau Kriemhild: hast du, Degen,das gethan?"884 "Niemals," sprach da Siegfried; "und hat sie das gesagt,Nicht eher will ich ruhen, bis sie es beklagt,Und will davon mich reinigen vor deinem ganzen HeerMit meinen hohen Eiden, ich sagte Solchesnimmermehr."885 Da sprach der F"urst vom Rheine: "Wohlan, das zeige mir.Der Eid, den du geboten, geschieht der allhier,Aller falschen Dinge lass ich dich ledig gehn."Man liess in einem Ringe die stolzen Burgunden stehn.886 Da bot der k"uhne Siegfried zum Eide hin die Hand.Da sprach der reiche K"onig: "Jetzt hab ich wohl erkannt,Ihr seid hieran unschuldig und sollt des ledig gehn:Des euch Kriemhild zeihte, das ist nicht von euchgeschehn."887 Da sprach wieder Siegfried: "Und kommt es ihr zu Gut,Dass deinem sch"onen Weibe sie so betr"ubt den Muth,Das w"are mir wahrlich aus der Massen leid."Da blickten zu einander die Ritter k"uhn und allbereit.888 "Man soll so Frauen ziehen," sprach Siegfried der Degen,"Dass sie "uppge Reden lassen unterwegen;Verbiet es deinem Weibe, ich will es meinem thun.Solchen Uebermuthes in Wahrheit sch"am ich mich nun."889 Viel sch"one Frauen wurden durch Reden schon entzweit.Da erzeigte Brunhild solche Traurigkeit,Dass es erbarmen muste Die in Gunthers Lehn.Von Tronje Hagen sah man zu der K"onigin gehn.890 Er fragte, was ihr w"are, da er sie weinend fand.Sie sagt’ ihm die M"are. Er gelobt’ ihr gleich zur Hand,Dass es b"ussen sollte der Kriemhilde Mann,Oder man treff ihn nimmer unter Fr"ohlichen an.891 Ueber die Rede kamen Ortwein und Gernot,Allda die Helden riethen zu Siegfriedens Tod.Dazu kam auch Geiselher, der sch"onen Ute Kind;Als er die Rede h"orte, sprach der Getreue geschwind:892 "O weh, ihr guten Knechte, warum thut ihr das?Siegfried verdiente ja niemals solchen Hass,Dass er darum verlieren Leben sollt und Leib:Auch sind es viel Dinge, um die wohl z"urnet ein Weib."893 "Sollen wir G"auche ziehen?" sprach Hagen entgegen:"Das br"achte wenig Ehre solchen guten Degen.Dass er sich r"uhmen durfte der lieben Frauen mein,Ich will des Todes sterben oder es muss gerochen sein."894 Da sprach der K"onig selber: "Er hat uns nichts gethanAls Liebes und Gutes: leb er denn fortan.Was sollt ich dem Recken hegen solchen Hass?Er bewies uns immer Treue, gar williglich that er das."895 Da begann der Degen von Metz Herr Ortewein:"Wohl kann ihm nicht mehr helfen die grosse St"arke sein.Will es mein Herr erlauben, ich thu ihm alles Leid."Da waren ihm die Helden ohne Grund zu schaden bereit.896 Dem folgte doch Niemand, ausser dass HagenAlle Tage pflegte zu Gunthern zu sagen:Wenn Siegfried nicht mehr lebte, ihm w"urden unterthanManches K"onigs Lande. Da hub der Held zu trauern an.897 Man liess es bewenden und gieng dem Kampfspiel nach.Hei! was man starker Sch"afte vor dem M"unster brachVor Siegfriedens Weibe bis hinan zum Saal!Mit Unmuth sah es Mancher, dem K"onig Gunther befahl.898 Der K"onig sprach: "Lasst fahren den mordlichen Zorn.Er ist uns zu Ehren und zum Heil geborn;Auch ist so grimmer St"arke der wunderk"uhne Mann,Wenn ers inne w"urde, so d"urfte Niemand ihm nahn."899 "Nicht doch," sprach da Hagen, "da d"urft ihr ruhig sein:Wir leiten in der Stille alles sorglich ein.Brunhildens Weinen soll ihm werden leid.Immer sei ihm Hagen zu Hass und Schaden bereit."900 Da sprach der K"onig Gunther: "Wie m"ochtes geschehn?"Zur Antwort gab ihm Hagen: "Das sollt ihr baldverstehn:Wir lassen Boten reiten her in dieses Land,Uns offnen Krieg zu k"unden, die hier Niemandsind bekannt.901 "Dann sagt ihr vor den G"asten, ihr wollt mit euerm LehnEuch zur Heerfahrt r"usten. Sieht er das geschehn,So verspricht er euch zu helfen; dann gehts ihman den Leib,Erfahr ich nur die M"are von des k"uhnen Recken Weib."902 Der K"onig folgte leider seines Dienstmanns Rath.So huben an zu sinnen auf Untreu und Verrath,Eh es wer erkannte, die Ritter auserkoren:Durch zweier Frauen Zanken gieng da mancherHeld verloren.