1005 Die Kleider vom Leibe zogen die Andern da:In zwei weissen Hemden man beide stehen sah.Wie zwei wilde Panther liefen sie durch den Klee;Man sah bei dem Brunnen den schnellen Siegfrieddoch eh.1006 Den Preis in allen Dingen vor Manchem man ihm gab.Da l"ost’ er schnell die Waffe, den K"ocher legt’ er ab,Den starken Spiess lehnt’ er an den Lindenast.Bei des Brunnens Flusse stand der herrliche Gast.1007 Die h"ofsche Zucht erwies da Siegfried daran;Den Schild legt’ er nieder, wo der Brunnen rann;Wie sehr ihn auch d"urstete, der Held nicht eher trankBis der K"onig getrunken; daf"ur gewann er "ubeln Dank.1008 Der Brunnen war lauter, k"uhl und auch gut;Da neigte sich Gunther hernieder zu der Flut.Als er getrunken hatte, erhob er sich hindann:Also h"att auch gerne der k"uhne Siegfried gethan.1009 Da entgalt er seiner h"ofschen Zucht; den Bogenund das SchwertTrug beiseite Hagen von dem Degen werth.Dann sprang er zur"ucke, wo er den Wurfspiess fand,Und sah nach einem Zeichen an des K"uhnen Gewand.1010 Als der edle Siegfried aus dem Brunnen trank,Er schoss ihn durch das Kreuze, dass aus der WundesprangDas Blut von seinem Herzen an Hagens Gewand.Kein Held begeht wohl wieder solche Unthat nachder Hand.1011 Den Gerschaft im Herzen liess er ihm stecken tief.Wie im Fliehen Hagen da so grimmig lief,So lief er wohl auf Erden nie vor einem Mann!Als da Siegfried Kunde der schweren Wunde gewann,1012 Der Degen mit Toben von dem Brunnen sprang;Ihm ragte von der Achsel eine Gerstange lang.Nun w"ahnt’ er da zu finden Bogen oder Schwert,Gewiss, so h"att er Hagnen den verdienten Lohn gew"ahrt.1013 Als der Todwunde da sein Schwert nicht fand,Da blieb ihm nichts weiter als der Schildesrand.Den rafft’ er von dem Brunnen und rannte Hagen an:Da konnt ihm nicht entrinnen K"onig GunthersUnterthan.1014 Wie wund er war zum Tode, so kr"aftig doch er schlug,Dass von dem Schilde nieder wirbelte genugDes edeln Gesteines; der Schild zerbrach auch fast:So gern gerochen h"atte sich der herrliche Gast.1015 Da muste Hagen fallen von seiner Hand zu Thal;Der Anger von den Schl"agen erscholl im Wiederhall.H"att er sein Schwert in H"anden, so w"ar er Hagens Tod.Sehr z"urnte der Wunde, es zwang ihn wahrhafte Noth.1016 Seine Farbe war erblichen; er konnte nicht mehr stehn.Seines Leibes St"arke muste ganz zergehn,Da er des Todes Zeichen in lichter Farbe trug.Er ward hernach betrauert von sch"onen Frauen genug.1017 Da fiel in die Blumen der Kriemhilde Mann.Das Blut von seiner Wunde stromweis nieder rann.Da begann er die zu schelten, ihn zwang die grosse NothDie da gerathen hatten mit Untreue seinen Tod.1018 Da sprach der Todwunde: "Weh, ihr b"osen Zagen,Was helfen meine Dienste, da ihr mich habt erschlagen?Ich war euch st"ats gewogen und sterbe nun daran.Ihr habt an euern Freunden leider "ubel gethan.1019 "Die sind davon bescholten, so viele noch gebornWerden nach diesem Tage: ihr habt euern ZornAllzusehr gerochen an dem Leben mein.Mit Schanden geschieden sollt ihr von gutenRecken sein."1020 Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagen lag.Es war ihrer Vielen ein freudeloser Tag.Wer Treue kannt und Ehre, der hat ihn beklagt:Das verdient’ auch wohl um Alle dieser Degen unverzagt.1021 Der K"onig der Burgunden klagt’ auch seinen Tod.Da sprach der Todwunde: "Das thut nimmer Noth,Dass der um Schaden weine, von dem man ihn gewann:Er verdient gross Schelten, er h"att es besser nicht gethan."1022 Da sprach der grimme Hagen: "Ich weiss nicht,was euch reut:Nun hat doch gar ein Ende, was uns je gedr"aut.Es gibt nun nicht manchen, der uns darf bestehn;Wohl mir, dass seiner Herrschaft durch mich ein Endist geschehn."1023 "Ihr m"ogt euch leichtlich r"uhmen," sprach Dervon Niederland."H"att ich die m"orderische Weis an euch erkannt,Vor euch beh"utet h"att ich Leben wohl und Leib.Mich dauert nichts auf Erden als Frau Kriemhildmein Weib.1024 "Nun m"og es Gott erbarmen, dass ich gewann den Sohn,Der jetzt auf alle Zeiten den Vorwurf hat davon,Dass seine Freunde Jemand meuchlerisch erschlagen:H"att ich Zeit und Weile, das m"ust ich billig beklagen.1025 "Wohl nimmer hat begangen so grossen Mordein Mann,"Sprach er zu dem K"onig, "als ihr an mir gethan.Ich erhielt euch unbescholten in grosser Angst und Noth;Ihr habt mir schlimm vergolten, dass ich so wohles euch bot."1026 Da sprach im Jammer weiter der todwunde Held:"Wollt ihr, edler K"onig, noch auf dieser WeltAn Jemand Treue pflegen, so lasst befohlen seinDoch auf eure Gnade euch die liebe Traute mein.1027 "Es komm ihr zu Gute, dass sie eure Schwester ist:Sei aller F"ursten Tugend helft ihr zu jeder Frist.Mein m"ogen lange harren mein Vater und mein Lehn:Nie ist an liebem Freunde einem Weibe so leidgeschehn."1028 Er kr"ummte sich in Schmerzen, wie ihm die Noth gebot,Und sprach aus jammerndem Herzen: "Meinmordlicher TodMag euch noch gereuen in der Zukunft Tagen:Glaubt mir in rechten Treuen, dass ihr euch selber habterschlagen.1029 Die Blumen allenthalben waren vom Blute nass.Da rang er mit dem Tode, nicht lange that er das,Denn des Todes Waffe schnitt ihn allzusehr.Da konnte nicht mehr reden dieser Degen k"uhnund hehr.1030 Als die Herren sahen den edlen Helden todt,Sie legten ihn auf einen Schild, der war von Golde roth.Da giengen sie zu Rathe, wie sie es stellten an,Dass es verhohlen bliebe, Hagen hab es gethan.1031 Da sprachen ihrer Viele: "Ein Unfall ist geschehn;Ihr sollt es alle hehlen und Einer Rede stehn:Als er allein ritt jagen, der Kriemhilde Mann,Erschlugen ihn Sch"acher, als er fuhr durch den Tann."1032 Da sprach von Tronje Hagen: "Ich bring ihn in das Land.Mich soll es nicht k"ummern, wird es ihr auch bekannt,Die so betr"uben konnte der K"onigin hohen Muth;Ich werde wenig fragen, wie sie nun weinet und thut."1033 Von denselben Brunnen, wo Siegfried ward erschlagen,Sollt ihr die rechte Wahrheit von mir h"oren sagen.Vor dem Odenwalde ein Dorf liegt Odenheim.Da fliesst noch der Brunnen, kein Zweifel kanndaran sein.