1034 Da harrten sie des Abends und fuhren "uber Rhein;Es mochte nie von Helden ein schlimmer Jagen sein.Ihr Beutewild beweinte noch manches edle Weib:Sein muste bald entgelten viel guter Weigande Leib.1035 Von grossem Uebermuthe m"ogt ihr nun h"oren sagenUnd schrecklicher Rache. Bringen liess HagenDen erschlagen Siegfried von NibelungenlandVor eine Kemenate, darin sich Kriemhild befand.1036 Er liess ihn ihr verstohlen legen vor die Th"ur,Dass sie ihn finden m"usse, wenn morgen sie herf"urZu der Mette gienge fr"uhe vor dem Tag,Deren Frau Kriemhild wohl selten eine verlag.1037 Da h"orte man wie immer zum M"unster das Gel"aut:Kriemhild die sch"one weckte manche Maid.Ein Licht liess sie sich bringen, dazu auch ihr Gewand;Da kam der K"ammrer Einer hin, wo er Siegfrieden fand.1038 Er sah ihn roth von Blute, all sein Gewand war nass:Dass sein Herr es w"are, mit Nichten wust er das.Da trug er in die Kammer das Licht in seiner Hand,Bei dem da Frau Kriemhild viel leide M"are befand.1039 Als sie mit den Frauen zum M"unster wollte gehn,"Frau," sprach der K"ammerer, "wollt noch stille stehn:Es liegt vor dem Gemache ein Ritter todtgeschlagen.""O weh," sprach da Kriemhild, "was willst du solcheBotschaft sagen?"1040 Eh sie noch selbst gesehen, es sei ihr lieber Mann,An die Frage Hagens hub sie zu denken an,Wie er ihn sch"utzen m"ochte: da ahnte sie ihr Leid.Mit seinem Tod entsagte sie nun aller Fr"ohlichkeit.1041 Da sank sie zur Erden, kein Wort mehr sprach sie da;Die sch"one Freudenlose man da liegen sah.Kriemhildens Jammer wurde gross und voll;Sie schrie nach der Ohnmacht, dass all die Kammererscholl.1042 Da sprach ihr Gesinde: "Es kann ein Fremder sein."Das Blut ihr aus dem Munde brach vor Herzenspein."Nein, es ist Siegfried, mein geliebter Mann:Brunhild hats gerathen und Hagen hat es gethan."1043 Sie liess sich hingeleiten, wo sie den Helden fand;Sein sch"ones Haupt erhob sie mit ihrer weissen Hand.So roth er war von Blute, sie hat ihn gleich erkannt:Da lag zu grossem Jammer der Held von Nibelungenland.1044 Da rief in Jammerlauten die K"onigin mild:"O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein SchildMit Schwertern nicht verhauen! dich f"allteMeuchelmord.Und w"ust ich, wer der Th"ater w"ar, ich wollt es r"achenimmerfort."1045 All ihr Ingesinde klagte laut und schrieMit seiner lieben Frauen; heftig schmerzte sieIhr edler Herr und K"onig, den sie da sahn verlorn.Gar "ubel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn.1046 Da sprach die Jammerhafte: "Nun soll Einer gehnUnd mir in Eile wecken Die in Siegfrieds LehnUnd soll auch Siegmunden meinen Jammer sagen,Ob er mir helfen wolle den k"uhnen Siegfried beklagen."1047 Da lief dahin ein Bote, wo er sie liegen fand,Siegfriedens Helden von Nibelungenland.Mit den leiden M"aren die Freud er ihnen nahm;Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinenvernahm.1048 Auch kam dahin der Bote, wo der K"onig lag.Siegmund der Herre keines Schlafes pflag,Als ob das Herz ihm sagte, was ihm w"ar geschehn,Er sollte seinen lieben Sohn lebend nimmer wiedersehn.1049 "Wacht auf, K"onig Siegmund, mich hiess nach euch gehnKriemhild, meine Herrin; der ist ein Leid geschehn,Das ihr vor allem Leide wohl das Herz versehrt;Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerf"ahrt."1050 Auf richtete sich Siegmund und sprach: "Was beklagtDenn die sch"one Kriemhild, wie du mir hast gesagt?"Der Bote sprach mit Weinen: "Sie hat wohl Grundzu klagenEs liegt von Niederlanden der k"uhne Siegfriederschlagen."1051 Da sprach K"onig Siegmund: "Lasst das Scherzen seinMit so b"oser M"are von dem Sohne meinUnd sagt es Niemand wieder, dass er sei erschlagen,Denn ich k"onnt ihn nie genug bis an mein Endebeklagen."1052 "Und wollt ihr nicht glauben, was ihr mich h"oret sagen,So vernehmet selber Kriemhilden klagenUnd all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tod."Wie erschrak da Siegmund: es schuf ihm wahrhafteNoth.1053 Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang.Sie zuckten zu den H"anden die scharfen Waffen langUnd liefen zu dem Wehruf jammersvoll heran.Da kamen tausend Recken, dem k"uhnen Siegfriedunterthan.1054 Als sie so j"ammerlich die Frauen h"orten klagen,Da kam Vielen erst in Sinn, sie m"usten Kleider tragen.Wohl mochten sie vor Schmerzen des Sinnes Machtnicht haben:Es lag in ihrem Herzen grosse Schwere begraben.1055 Da kam der K"onig Siegmund hin, wo er Kriemhild fand.Er sprach: "O weh der Reise hierher in dieses Land!Wer hat euch euern Gatten, wer hat mir mein KindSo mordlich entrissen, da wir bei guten Freunden sind?"1056 "Ja, kennt ich Den," versetzte die edle K"onigin,"Hold w"urd ihm nimmer mein Herz noch mein Sinn:Ich rieth’ ihm so zum Leide, dass all die Freunde seinMit Jammer weinen m"usten, glaubt mir, von wegenmein."1057 Siegmund mit Armen den F"ursten umschloss;Da ward von seinen Freunden der Jammer also gross,Dass von dem lauten Wehruf Palas und SaalUnd Worms die weite Veste rings erschollim Widerhall.1058 Da konnte Niemand tr"osten Siegfriedens Weib,Man zog aus den Kleidern seinen sch"onen Leib,Wusch ihm seine Wunde und legt’ ihn auf die Bahr;Allen seinen Leuten wie weh vor Jammer da war!1059 Es sprachen seine Recken aus Nibelungenland:"Immer ihn zu r"achen bereit ist unsre Hand.Er ist in diesem Hause, von dem es ist geschehn."Da eilten sich zu waffnen die Degen in Siegfrieds Lehn.1060 Die Auserw"ahlten kamen in ihrer Schilde Wehr,Elfhundert Recken; die hatt in seinem HeerSiegmund der K"onig: seines Sohnes TodH"att er gern gerochen, wie ihm die Treue gebot.1061 Sie wusten nicht, wen sollten sie im Streit bestehn,Wenn es nicht Gunther w"are und Die in seinem Lehn,Die zur Jagd mit Siegfried geritten jenen Tag.Kriemhild sah sie gewaffnet: das schuf ihr grossesUngemach.1062 Wie stark auch ihr Jammer, wie gross war ihre Noth,Sie besorgte doch so heftig der Nibelungen TodVon ihrer Br"uder Mannen, dass sie dawider sprach:Sie warnte sie in Liebe, wie immer Freund mit Freundenpflag.1063 Da sprach die Jammerreiche: "Herr K"onig Siegmund,Was wollt ihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund,Es hat der K"onig Gunther so manchen k"uhnen Mann:Ihr wollt euch all verderben, greift ihr solche Recken an."1064 Mit auferhobnen Schilden that ihnen Streiten Noth.Die edle K"onigstochter bat und gebot,Dass es meiden sollten die Recken allbereit.Dass sie’s nicht lassen wollten, das war ein grimmiges Leid.1065 Sie sprach: "Herr K"onig Siegmund, steht damit noch an,Bis es sich besser f"ugte: so will ich meinen MannEuch immer r"achen helfen. Der mir ihn hat benommen,Wird es mir bewiesen, es muss ihm noch zu Schadenkommen.1066 "Es sind der Ueberm"uthigen hier am Rhein so viel,Dass ich euch zum Streite jetzt nicht rathen will:Sie haben wider Einen immer dreissig Mann;Lass ihnen Gott gelingen, wie sie uns haben gethan.1067 "Bleibt hier im Hause und tragt mit mir das Leid,Bis es beginnt zu tagen, ihr Helden allbereit:Dann helft ihr mir besargen meinen lieben Mann."Da sprachen die Degen: "Liebe Frau, das sei gethan."1068 Es k"onnt euch des Wunders ein Ende Niemand sagen,Die Ritter und die Frauen, wie man sie h"orte klagen,Bis man des Wehrufs ward in der Stadt gewahr.Die edeln B"urger kamen daher in eilender Schar.1069 Sie klagten mit den G"asten: sie schmerzte der Verlust.Was Siegfried verschulde, war ihnen unbewust,Weshalb der edle Recke Leben liess und Leib.Da weinte mit den Frauen manchen guten B"urgersWeib.1070 Schmiede hiess man eilen und w"urken einen SargVon Silber und von Golde, m"achtig und stark,Und liess ihn wohl beschlagen mit Stahl, der war gut.Da war allen Leuten das Herz beschwert und der Muth.1071 Die Nacht war vergangen: man sagt’, es wolle tagen.Da liess die edle K"onigin hin zum M"unster tragenDiesen edeln Todten, ihren lieben Mann.Mit ihr giengen weinend, was sie der Freunde gewann.1072 Da sie zum M"unster kamen, wie manche Glocke klang!Allenthalben h"orte man der Pfaffen Sang.Da kam der K"onig Gunther hinzu mit seinem LehnUnd auch der grimme Hagen; es w"are kl"uger nichtgeschehn.1073 Er sprach: "Liebe Schwester, o weh des Leides dein;Dass wir nicht ledig mochten so grossen Schadens sein!Wir m"ussen immer klagen um Siegfriedens Tod.""Daran thut ihr Unrecht," sprach die Frau inJammersnoth.1074 "Wenn euch das betr"ubte, so w"ar es nicht geschehn.Ihr hattet mein vergessen, das muss ich wohl gestehn,Als ich so geschieden ward von meinem lieben Mann.Wollte Gott vom Himmel, mir selber war es gethan."1075 Sie hielten sich am L"augnen. Da hub Kriemhild an:"Wer unschuldig sein will, leicht ist es dargethan,Er darf nur zu der Bahre hier vor dem Volke gehn:Da mag man gleich zur Stelle sich der Wahrheitversehn."1076 Das ist ein grosses Wunder, wie es noch oft geschieht,Wenn man den Mordbefleckten bei dem Todten sieht,So bluten ihm die Wunden, wie es auch hier geschah;Daher man nun der Unthat sich zu Hagen versah.1077 Die Wunden flossen wieder so stark als je vorher.Die erst schon heftig klagten, die weinten nun noch mehr.Da sprach K"onig Gunther: "Nun h"ort die Wahrheit an:Ihn erschlugen Sch"acher; Hagen hat es nicht gethan."1078 Sie sprach: "Diese Sch"acher sind mir wohl bekannt:Nun lass es Gott noch r"achen von seiner Freunde Hand!Gunther und Hagen, ja ihr habt es gethan."Da wollten wieder streiten Die Siegfrieden unterthan.1079 Da sprach aber Kriemhild: "Ertragt mit mir die Noth."Da kamen auch die Beiden, wo sie ihn fanden todt,Gernot ihr Bruder und Geiselher das Kind.Sie beklagten ihn in Treuen; ihre Augen wurdenthr"anenblind.1080 Sie weinten von Herzen um Kriemhildens Mann.Man wollte Messe singen: zum M"unster heranSah man allenthalben Frauen und M"anner ziehn,Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten alle jetztum ihn.1081 Geiselher und Gernot sprachen: "Schwester mein,Nun tr"oste dich des Todes, es muss wohl also sein.Wir wollen dirs ersetzen, so lange wir leben."Da wust ihr auf Erden Niemand doch Trost zu geben.1082 Sein Sarg war geschmiedet wohl um den hohen Tag;Man hob ihn von der Bahre, darauf der Todte lag.Da wollt ihn noch die K"onigin nicht lassen begraben:Es musten alle Leute grosse M"uhsal erst haben.1083 In kostbare Zeuge man den Todten wand.Gewiss dass man da Niemand ohne Weinen fand.Aus ganzem Herzen klagte Ute das edle WeibUnd all ihr Ingesinde um Siegfrieds herrlichen Leib.1084 Als die Leute h"orten, dass man im M"unster sangUnd ihn besargt hatte, da hob sich grosser Drang:Um seiner Seele willen was man da Opfer trug!Er hatte bei den Feinden doch guter Freunde genug.1085 Kriemhild die arme zu den K"ammerlingen sprach:"Ihr sollt mir zu Liebe leiden Ungemach:Die ihm Gutes g"onnen und mir blieben hold,Um Siegfriedens Seele verteilt an diese sein Gold."1086 Da war kein Kind so kleine, mocht es Verstand nur haben,Das nicht zum Opfer gienge, eh er ward begraben.Wohl an hundert Messen man des Tages sang.Von Siegfriedens Freunden hob sich da m"achtigerDrang.1087 Als die gesungen waren, verlief die Menge sich.Da sprach wieder Kriemhild: "Nicht einsam solltihr michHeunt bewachen lassen den auserw"ahlten Degen:Es ist an seinem Leibe all meine Freude gelegen.1088 "Drei Tag und drei N"achte will ich verwachen dran,Bis ich mich ers"attige an meinem lieben Mann.Vielleicht dass Gott gebietet, dass mich auch nimmtder Tod:So w"are wohl beendet der armen Kriemhilde Noth."1089 Zur Herberge giengen die Leute von der Stadt.Die Pfaffen und die M"onche sie zu verweilen batUnd all sein Ingesinde, das sein billig pflag.Sie hatten "uble N"achte und gar m"uhselgen Tag.1090 Ohne Trank und Speise verblieb da mancher Mann.Wers nicht gern entbehrte, dem ward kund gethan,Man gab ihm gern die F"ulle: das schuf Herr Siegmund.Da ward den Nibelungen viel Noth und Beschwerdekund.1091 In diesen dreien Tagen, so h"orten wir sagen,Muste mit Kriemhilden viel M"uhsal ertragen,Wer da singen konnte. Was man auch Opfer trug!Die eben arm gewesen, die wurden nun reich genug.1092 Was man fand der Armen, die es nicht mochten haben,Die liess sie mit dem Golde bringen OpfergabenAus seiner eignen Kammer: er durfte nicht mehr leben,Da ward um seine Seele manches Tausend Mark gegeben.1093 G"uter und Gef"alle vertheilte sie im Land,So viel man der Kl"oster und guter Leute fand.Silber gab man und Gewand den Armen auch genug.Sie liess es wohl erkennen, wie holde Liebe sie ihm trug.1094 An dem dritten Morgen zur rechten MessezeitSah man bei dem M"unster den ganzen Kirchhof weitVon der Landleute Weinen also voll:Sie dienten ihm im Tode, wie man lieben Freunden soll.1095 In diesen vier Tagen, so h"ort ich immerdar,Wol an dreissigtausend Mark oder mehr noch garWard um seine Seele den Armen hingegeben,Indes war gar zerronnen seine grosse Sch"one wie seinLeben.1096 Als vom Gottesdienste verhallt war der Gesang,Mit ungef"ugem Leide des Volkes Menge rang.Man liess ihn aus dem M"unster zu dem Grabe tragen.Da h"orte man auch anders nichts als Weinen und Klagen.1097 Das Volk mit lautem Wehruf schloss im Zug sich an:Froh war da Niemand, weder Weib noch Mann.Eh er bestattet wurde, las und sang man da:Hei! was man guter Pfaffen bei seiner Bestattung sah!1098 Bevor da zu dem Grabe kam das getreue Weib,Rang sie mit solchem Jammer um Siegfriedens Leib,Dass man sie mit Wasser vom Brunnen oft begoss:Ihres Herzens Kummer war "uber die Massen gross.1099 Es war ein grosses Wunder, dass sie zu Kr"aften kam.Es halfen ihr mit Klagen viel Frauen lobesam."Ihr, meines Siegfrieds Mannen," sprach die K"onigin,"Erweist mir eine Gnade aus erbarmendem Sinn.1100 "Lasst mir nach meinem Leide die kleinste Gunstgeschehn",Dass ich sein sch"ones Angesicht noch einmal d"urfesehn,"Da bat sie im Jammer so lang und so stark,Dass man zerbrechen muste den sch"on geschmiedetenSarg.1101 Hin brachte man die K"onigin, wo sie ihn liegen fand.Sein sch"ones Haupt erhob sie mit ihrer weissen HandUnd k"usste so den Todten, den edeln Ritter gut:Ihre lichten Augen vor Leide weinten sie Blut.1102 Ein jammervolles Scheiden sah man da geschehn.Man trug sie von dannen, sie vermochte nicht zu gehn.Da lag ohne Sinne das herrliche Weib:Vor Leid wollt ersterben ihr viel wonniglicher Leib.1103 Als der edle Degen also begraben war,Sah man in grossem Leide die Helden immerdar,Die ihn begleitet hatten aus Nibelungenland:Fr"ohlich gar selten man da Siegmunden fand.1104 Wohl Mancher war darunter, der drei Tage langVor dem grossen Leide weder ass noch trank;Da konnten sie’s nicht l"anger dem Leib entziehen mehr:Sie genasen von den Schmerzen, wie noch Mancherwohl seither.1105 Kriemhild der Sinne ledig in Ohnm"achten lagDen Tag und den Abend bis an den andern Tag.Was Jemand sprechen mochte, es ward ihr gar nichtkund.Es lag in gleichen N"othen auch der K"onig Siegmund.1106 Kaum dass ihn zur Besinnung zu bringen noch gelang.Seine Kr"afte waren von starkem Leide krank:Das war wohl kein Wunder. Die in seiner PflichtSprachen: "Lasst uns heimziehn: es duldet uns hierl"anger nicht."