«Diese Ordnung aber ist (wie unseres Erachtens bei aller Metaphysik — oder besser bei allen Metascienzen) die folgende: Gemeinsame Grundlage sowohl der erkenntnistheoretischen als der metaphysischen Untersuchung muß sein erstens die eidologische daseinsfreie Erkenntnis des Wesensverhältnisses von Ich und Gemeinschaft überhaupt; zweitens die genaue Eruierung des Tatbestandes in der natürlichen Weltanschauung. Auf sie folgt unmittelbar die erkenntnistheoretische Ursprung sfrage des Wissens ums fremde Ich, und auf diese Frage folgt die erkenntniskritische Rechtfertigung dieses Wissens im Falle empirischer Erkenntnis. Erst wenn Beides erledigt ist, kann und soll die verstehende und beobachtende Psychologie gehört werden» (Seite 261–262).
«Ich sehe ihn darin, daß, obzwar das Dasein der Person in der ontischen Ordnung notwendig ihrem Wert vorhergeht, mit ihrem Sosein (als Individuum) in dieser Ordnung aber gleichursprünglich ist, in der Ordnung für uns (προς ημας) es in der Tat die Wertgegebenheit der Person ist, die zwar nicht ihrer Daseinsgegebenheit — wie unsere ethische Lehre will —, wohl aber ihrer So-seinsgegebenheit in der Ordnung vorhergeht. Daß die Wertgegebenheit der Person der Daseinsgegebenheit überhaupt vorhergehe (nicht nur ihrer Soseins-gegebenheit), ist wesensgesetzlich unmöglich, da es daseinsfreies Wertsein nicht geben kann — weder in der Sphäre der Gegebenheit, noch in der Sphäre des Seins. Und dies gilt um so mehr, wenn der weitere Irrtum noch hinzukommt, die Wertgegebenheit, die alles ideale Sollen und erst recht alle 'Anerkennung' idealen Sollens schon fundiert, erst auf die Akte der Anerkennung und Würdigung gründen zu wollen. Dieser Akt der 'Annerkennung und Würdigung' träfe doch vollständig ins 'Leere', wenn ihm nicht Persondasein von etwas (X) und Wertdasein dieses Daseinenden bereits vorgegeben ist» (S. 263–264).
«Nicht nur dieser oder jener sittliche Akt, sondern alle sittlich relevanten Akte, Erlebnisse und Zustände — soweit in ihnen die Wesensbeziehung auf andere sittliche Personwesen intentional eingeschlossen ist (Schuld, Verdienst, Verantwortung, Pflichtbewußtsein, Liebe, Versprechen, Dank usw.) — weisen in der Tat von sich aus kraft ihrer Aktnatur auf fremde Personwesen hin — ohne daß darum diese fremde Personen schon in der zufälligen Erfahrung müßten vorher gegeben sein; ohne daß man vor allem zur Annahme berechtigt wäre, es seien diese Akte — wir nennen sie wesenssoziale Akte — erst in tatsächlichem Verkehr des Menschen mit dem Menschen entsprungen und entstanden. Gerade diese Akte und Erlebnisse zeigen vielmehr bei genauerer Untersuchung, daß man sie nicht auf eine Zusammensetzung einfacherer uorsozialer Akte und Erlebnisse plus zufälliger Erfahrung anderer Menschen zurückführen kann. Sie zeigen, daß schon dem essentiellen Bestand des menschlichen Bewußtseins nach jedem Individuum die Gesellschaft auch irgendwie innerlich gegenwärtig ist und daß der Mensch nicht nur Teil der Gesellschaft ist, sondern auch die Gesellschaft als Beziehungsglied ein wesentlicher Teil von ihm; daß das Ich nicht nur ein 'Glied' des Wir ist, sondern auch das Wir ein notwendiges Glied des Ich. Ja, man wird fragen müssen, ob diese wesensmäßige Hinordnung des individuell-singulären Ich auf mögliche Gemeinschaft nicht auch eine mehrfach qualifizierte sei, so daß vor und unabhängig von aller zufälligen empirischen Kenntnisnahme und unabhängig von aller faktischen Wechselwirkung der Menschen untereinander die Hinordnung auch auf eine Mehrheit wesensverschiedener Gruppenarten und gemeinsamer Gruppenwerte durch rein immanente Untersuchung und Erkenntnis des wesenhaften Aktbestandes jedes ich aufgefunden werden könnte. Als ein Spezielfall dieser Gemeinschaften, zugleich aber als grundlegende und oberste Bedingung für die ideale Möglichkeit des Stattfindens aller anderen läßt sich die Gemeinschaft jeder Person mit Gott als Person der Personen herausstellen — gegründet in den religiösen Akten der Gottesliebe, Gottesehrfurcht, Gottesfurcht, Verantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit 'gegenüber' Gott, Schuldbewußtsein, Dankbarkeit usw. angesichts Gottes. Eis ist — insbesondere — die ethische Evidenz der objektiven Verbindlichkeit von Akten des Versprechens überhaupt, die ohne Rekurs auf Gott als Gegensubjekt eines, allen anderen im Ursprung vorhergehenden Personverhältnisses überhaupt nicht verständlich ist» (Seite 264–266).