19. M"arz. Ich las in der Beilage Nr. 78 der Allg. Zeitung vom 18. M"arz einen Artikel "uber das russische Heer im Kaukasus. Unter andern sonderbarlichen Dingen findet sich darin eine Stelle, deren Bedeutung ungef"ahr folgende ist: «der russische Soldat sey oftmals dasselbe was der franz"osische Galeeren-str"afling». Der ganze "ubrige Artikel ist, seiner Richtung nach, im Grunde nur die Entwicklung dieses Satzes. Werden Sie einem Russen zwei kurze Bemerkungen hier"uber gestatten? Diese sch"onen Dinge schreibt und ver"offentlicht man in Deutschland im Jahr 1844. Nun, die Leute, welche man auf solche Weise den Galeerenstr"aflingen zur Seite stellt, sind dieselben die vor kaum dreissig Jahren auf den Schlachtfeldern ihres Vaterlandes in Str"omen ihr Blut vergossen, um Deutschlands Befreiung zu sichern, das Blut dieser Galeerenstr"aflinge, das in eins zusammengeflossen mit dem Ihrer V"ater und Ihrer Br"uder, hat Deutschlands Schmach abgewaschen und ihm seine Unabh"angigkeit und Ehre wieder errungen. Dies meine erste Bemerkung. Die zweite ist folgende: wenn Sie einem Veteranen der Napoleonischen Heere begegnen, ihn an seine ruhmreiche Vergangenheit erinnern und fragen, wer unter den Gegnern, die er auf allen Schlachtfeldern Europa’s zu bek"ampfen gehabt, derjenige gewesen den er am meisten gesch"atzt, der nach einzelnen Niederlagen den stolzesten Blick gezeigt: so l"asst sich zehn gegen eins wetten der Napoleonische Veteran werde Ihnen den russischen Soldaten nennen. Durchwandern Sie die Departemente Frankreichs, in welchen der fremde Einfall im Jahre 1814 seine Furchen gezogen, und fragen Sie jetzt die Bewohner dieser Provinzen welcher Soldat unter den Truppen des feindlichen Heeres best"andig die gr"osste Menschlichkeit, die h"ochste Mannszucht, die geringste Feindseligkeit gegen den friedlichen Einwohner, den entwaffneten B"urger gezeigt, so l"asst sich hundert gegen eins wetten, man werde Ihnen den russischen Soldaten nennen. Wollen Sie aber wissen welches der ungez"ugelste, der raubs"uchtigste gewesen, o dann — ist es nicht mehr der russische Soldat. Dies die wenigen Betrachtungen, die ich Ihnen "uber den fraglichen Artikel zu machen hatte; ich verlange nicht, dass Sie dieselben Ihren Lesern mittheilen. Diese und viele andere daran sich kn"upfende Betrachtungen leben — Sie wissen es so gut wie ich — in Deutschland in aller Herzen, und darum bed"urfen sie auch durchaus keines Raumes in einem "offentlichen Blatte. In unsern Tagen gibt es — Dank der Presse — jenes unverletzliche Geheimnis nicht mehr, das die Franzosen das Geheimnis der Kom"odie nennen; man ist in allen L"andern, wo "Offentlichkeit der Presse herrscht, dahin gekommen, dass niemand "uber den innersten Grund einer gegebenen Lage zu sagen wagt, was jedermann davon denkt. Dies ist auch der Grund, warum ich Ihnen das Wort des R"athsels "uber die Stimmung der Gem"uther in Deutschland gegen die Russen nur leise zufl"ustere. Die Deutschen haben, nach Jahrhunderten der Zerrissenheit und nach Jahren politischen Todes, ihre Nationalit"at nur mit dem hochherzigen Beistande Russlands wieder gewinnen k"onnen; jetzt bilden sie sich ein, sie k"onnten sie vervollst"andigen durch Undankbarkeit. Ach, sie t"auschen sich. Sie beweisen damit bloss, dass sie sich annoch schwach f"uhlen.
Lettre `a M. le docteur Gustave Kolb, r'edacteur de la «Gazette Universelle»*
Monsieur le R'edacteur,