Alleg nickte weise. »Unsere einzige Sicherheit besteht darin, dass wir zu mehreren sind.« Er wies mit einem Kopfnicken auf meine Laute. »Willst du uns nicht die Zeit, bis Anne mit dem Essen fertig ist, mit einem Lied versüßen?«
»Gewiss.« Ich stellte meinen Becher hin. »Was wollt ihr hören?«
»Kannst du
»Ob ich es kann? Das müsst ihr beurteilen.« Ich nahm meine Laute aus dem Kasten und begann zu spielen. Als ich beim Refrain angelangt war, hatten die anderen mit dem, was sie gerade taten, aufgehört und hörten mir zu. Ich sah sogar Otto am Waldrand stehen. Er hatte seinen Posten verlassen und spähte in Richtung des Lagerfeuers.
Als ich fertig war, klatschten alle begeistert. »Du kannst es spielen«, lachte Alleg. Er wurde wieder ernst und klopfte sich mit dem Finger an die Lippen. »Was hältst du davon, uns eine Weile zu begleiten?«, fragte er dann. »Wir könnten einen Mitspieler gebrauchen.«
Ich überlegte einen Moment. »In welche Richtung seid ihr unterwegs?«
»Nach Osten.«
»Ich muss nach Severen.«
Alleg zuckte mit den Schultern. »Da könnten wir auch hin«, sagte er. »Solange du nichts gegen einen Umweg hast.«
»Ich war lange nicht mehr mit der Familie zusammen«, gestand ich und ließ den Blick über den vertrauten Anblick des Lagers wandern.
»Und als Edema allein unterwegs zu sein ist auch nicht so gut«, fügte Alleg hinzu, um mich vollends zu überreden. Er fuhr mit dem Finger am Rand seines schwarzen Barts entlang.
Ich seufzte. »Frag mich morgen früh noch mal.«
Er schlug mir grinsend aufs Knie. »Gut! Das heißt, uns bleibt noch die ganze Nacht, um dich zu überzeugen.«
Ich verstaute meine Laute wieder im Kasten und entschuldigte mich wegen eines natürlichen Bedürfnisses. Danach kniete ich mich neben Anne, die am Feuer saß. »Was kochst du für uns, Mutter?«, fragte ich.
»Eintopf«, antwortete sie kurz angebunden.
Ich lächelte. »Und was ist drin?«
Anne warf mir einen misstrauischen Blick zu. »Lamm«, sagte sie, als sollte ich es bloß nicht wagen, ihr zu widersprechen.
»Ich habe schon so lange kein Lamm mehr gegessen, Mutter. Darf ich probieren?«
»Du wartest wie alle anderen auch«, erwiderte sie scharf.
»Nicht einmal einen kleinen Bissen?«, bettelte ich und setzte mein schmeichelndstes Lächeln auf.
Die Alte schnaubte und zuckte dann mit den Schultern. »Also gut«, sagte sie. »Aber ich bin nicht schuld, wenn du Bauchweh bekommst.«
Ich lachte. »Nein, Mutter, das bist du nicht.« Ich griff nach dem hölzernen Schöpflöffel, zog ihn heraus, blies darauf und nahm einen Bissen. »Mutter!«, rief ich, »etwas so Gutes habe ich seit einem Jahr nicht mehr zu essen bekommen.«
»Hm«, brummte sie und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
»Das ist die reine Wahrheit, Mutter«, sagte ich ernst. »Wem dieser Eintopf nicht schmeckt, der ist meiner Meinung nach kein richtiger Ruh.«
Anne wandte sich wieder dem Kessel zu, begann zu rühren und scheuchte mich weg, aber ihre Miene war nicht mehr ganz so abweisend wie zuvor.
Ich füllte meinen Krug an dem kleinen Fass auf und kehrte an meinen Platz zurück. Gaskin beugte sich vor. »Du hast uns ein Lied gespielt. Können wir auch etwas für dich spielen?«
»Wie wäre es mit
Gaskin runzelte die Stirn. »Das kenne ich nicht.«
»Es handelt davon, wie ein gewitzter Ruh einen Bauern überlistet.«
Gaskin schüttelte den Kopf. »Leider nein.«
Ich bückte mich nach meiner Laute. »Dann hör es dir an. Dieses Lied sollte jeder Ruh kennen.«
»Wünsch dir doch etwas anderes«, protestierte Laren. »Ich spiele etwas auf dem Dudelsack für dich. Du hast heute Abend schon für uns gespielt.«
Ich sah ihn lächelnd an. »Ich habe ganz vergessen, dass du Dudelsack spielst. Das Lied gefällt dir bestimmt. Der Dudelsackspieler ist der Held. Und ich versorge euch heute mit Musik, ihr versorgt mich ja dafür mit Essen.« Bevor sie weitere Einwände erheben konnten, begann ich schon, mit flinken, leichten Fingern zu spielen.
Die anderen lachten die ganze Zeit, vom Anfang, wenn der Dudelsackspieler den Bauern umbringt, bis zum Ende, wenn er Frau und Tochter des Toten verführt. Die letzten beiden Strophen, in denen er von den Dorfbewohnern umgebracht wird, ließ ich weg.
Als ich fertig war, wischte Laren sich die Augen trocken. »Du hattest wirklich recht, Kvothe, dieses Lied muss man kennen. Außerdem …«, er warf Kete einen Blick zu, die auf der anderen Seite des Feuers saß, »stimmt es wirklich. Frauen können die Finger nicht von Dudelsackspielern lassen.«
Kete schnaubte verächtlich und verdrehte die Augen.
Wir plauderten über allerlei Belanglosigkeiten, bis Anne uns zum Essen rief. Wir machten uns mit Appetit darüber her und Schweigen kehrte ein, nur gelegentlich unterbrochen durch ein Lob für Annes Kochkunst.
»Jetzt mal ehrlich, Anne«, sagte Alleg, nachdem er den zweiten Teller geleert hatte. »Hast du in Levinshir ein wenig Pfeffer mitgehen lassen?«