Kete hieß die beiden sich ans Feuer setzen und drückte ihnen je einen Teller Eintopf in die Hand. Das Mädchen mit den goldenen Locken, Ellie, aß mit starrem Blick einige Bissen, wurde immer langsamer und bewegte sich zuletzt gar nicht mehr – wie eine Aufziehpuppe, deren Mechanismus abgelaufen ist. Abwesend starrte sie vor sich hin, als sehe sie etwas, das wir nicht sehen konnten. Krin saß mit ihrem Teller im Schoß bewegungslos da und starrte trotzig ins Feuer.
»Na los«, schimpfte Alleg, »ihr wisst doch, dass es besser wird, wenn ihr mitmacht.« Ellie nahm langsam einen Bissen und erstarrte wieder. Krin saß nur mit steifem Rücken da und blickte unverwandt ins Feuer.
Anne stieß die beiden von ihrem Platz aus mit dem Holzlöffel an. »Esst!« Sie bekam dieselbe Antwort wie zuvor. Ein langsamer Bissen und eine trotzige Miene. Ungeduldig beugte sie sich vor, fasste das schwarzhaarige Mädchen fest am Kinn und griff mit der anderen Hand nach dem Teller Eintopf.
»Nein«, sagte ich rasch, »die essen schon, wenn der Hunger groß genug wird.« Alleg musterte mich neugierig. »Ich weiß, wovon ich rede. Gebt ihnen lieber etwas zu trinken.«
Die Alte musterte mich skeptisch, dann zuckte sie die Schultern und ließ Krin los. »Schön. Ich bin es sowieso leid, die hier mit Gewalt zu füttern. Sie macht uns nur Scherereien.«
Kete schnaubte zustimmend. »Die kleine Schlampe hat sich auf mich gestürzt, als ich sie zum Baden losband.« Sie schob die Haare zur Seite und einige Schrammen kamen zum Vorschein. »Sie hätte mir fast die Augen ausgekratzt.«
»Und wegrennen wollte sie auch«, ergänzte Anne entrüstet. »Ich musste ihr nachts ein Schlafmittel geben.« Sie machte eine ungeduldige Handbewegung. »Soll sie doch verhungern, wenn sie will.«
Laren kehrte mit zwei Krügen zum Feuer zurück und drückte sie den beiden Mädchen in die willenlosen Hände.
»Wasser?«, fragte ich.
»Bier«, erwiderte er. »Das ist besser für sie, wenn sie nichts essen.«
Ich unterdrückte meinen Protest. Ellie trank mit demselben abwesenden Gesicht, das sie schon beim Essen gemacht hatte. Krin hob den Blick vom Feuer zu ihrem Becher und dann zu mir. Ich bekam einen richtigen Schreck, so groß war die Ähnlichkeit mit Denna. Sie trank, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ihr kalter Blick verriet nicht, was in ihr vorging.
»Sie sollen neben mir sitzen«, sagte ich. »Vielleicht hilft mir das bei meiner Entscheidung.«
Kete brachte die beiden zu mir. Ellie setzte sich willig, Krin sträubte sich.
»Bei der musst du aufpassen«, sagte Kete mit einem Nicken auf das schwarzhaarige Mädchen. »Die kratzt.«
Tim kehrte bleich im Gesicht zu uns zurück und setzte sich ans Feuer. Otto stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite. »Noch etwas Eintopf?«, fragte er boshaft.
»Lass mich in Ruhe, du Mistkerl«, ächzte Tim.
»Trink einen Schluck Bier, das beruhigt den Magen«, riet ich.
Er nickte, offenbar dankbar für jede Hilfe. Kete füllte seinen Krug.
Die beiden Mädchen saßen inzwischen rechts und links von mir, mit den Gesichtern zum Feuer. Von nahem sah ich Dinge, die mir zuvor entgangen waren. Krin hatte im Nacken einen schweren Bluterguss. Die Handgelenke des blonden Mädchens waren dort, wo sie gefesselt gewesen waren, gerötet, die von Krin dagegen waren wund gescheuert und mit Schorf verkrustet. Trotzdem rochen sie sauber. Ihre Haare waren gekämmt und ihre Kleider erst vor kurzem gewaschen. Offenbar hatte sich Kete darum gekümmert.
Außerdem sahen sie aus der Nähe noch viel hübscher aus. Ich legte ihnen die Hand auf die Schultern. Krin zuckte zusammen und versteifte sich, Ellie reagierte überhaupt nicht.
Fren rief vom Waldrand herüber: »Fertig. Sollen wir eine Lampe für dich anzünden?«
»Ja, bitte«, rief ich zurück. Ich sah von einem Mädchen zum andern und dann zu Alleg. »Ich kann mich nicht entscheiden«, sagte ich ehrlich. »Ich nehme beide.«
Alleg lachte ungläubig. Dann merkte er, dass ich es ernst meinte. »Nein«, protestierte er, »das wäre uns anderen gegenüber ungerecht. Außerdem kannst du unmöglich …«
Ich starrte ihn unverwandt an.
»Na ja«, fuhr er verunsichert fort, »selbst wenn du könntest …«
»Es ist mein zweiter Wunsch«, sagte ich förmlich. »Beide.«
Otto protestierte laut, und auch auf den Gesichtern von Gaskin und Laren malte sich Protest.
Ich lächelte sie beruhigend an. »Nur für heute Nacht.«
Fren und Josh, die mein Zelt aufgebaut hatten, kehrten zurück. »Sei froh, dass er nicht dich will, Otto«, sagte Fren zu dem Hünen. »Das hätte Josh gewollt, nicht wahr, Josh?«
»Halt’s Maul, Fren«, rief Otto erbost. »Jetzt ist
Ich stand auf, hängte mir die Laute über die Schulter und ging mit den beiden hübschen Mädchen, dem mit goldenem und dem mit schwarzem Haar, zu meinem Zelt.
Kapitel 131
Im schwarzen Schatten des Mondes