Ein großer Waffenschrank öffnete sich, bevor Lucan ihn erreicht hatte – die Türen schwangen mit einem heftigen Ruck auf. Lucan trat heran und zog ein flaches Fach auf. Mindestens ein Dutzend Dolche und andere tödlich aussehende Stichwaffen lagen in ordentlichen Reihen auf dem Samtfutter der Schublade. Ohne näher hinzusehen nahm Lucan zwei große Messer in schwarzen Lederscheiden heraus. Er öffnete ein anderes Fach und wählte eine große Handfeuerwaffe aus gebürstetem rostfreiem Stahl aus, die aussah wie etwas aus einem Actionfilm-Albtraum.
„Dir gefällt nicht, was ich sage, also läufst du vor mir weg?“
Er sah sie nicht an und fluchte nicht einmal. Nein, er ignorierte sie völlig, und das machte sie ungeheuer wütend.
„Na los, nur zu. Tu so, als wärst du unverwundbar, als hättest du nicht eine Todesangst davor, dass sich jemand um dich sorgt. Lauf vor mir weg, Lucan. Das beweist nur, dass ich recht habe.“
Entmutigt sah Gabrielle zu, wie Lucan einen Ladestreifen aus dem Schrank nahm und in das Magazin der Pistole schob. Nichts, was sie sagte, konnte ihn aufhalten. Sie fühlte sich so hilflos, als versuchte sie, ihre Arme um einen Sturm zu legen.
Als sie frustriert wegschaute, fiel ihr Blick auf den Tisch, an dem sie saß, glitt über die Teller und das Silberbesteck. Da sah sie das unbenutzte Messer liegen, dessen polierte Klinge glänzte.
Sie konnte ihn nicht mit Worten zurückhalten, aber es gab noch etwas anderes …
Gabrielle schob den langen Ärmel ihres Bademantels zurück. Ganz sanft, mit der gleichen furchtlosen Entschlossenheit, die schon hundertmal zuvor ihren Zweck erfüllt hatte, hob sie das Messer und setzte die Schneide gegen das Fleisch ihres Unterarms. Ein ganz kleiner Druck, und die Klinge durchdrang ihre Haut.
Sie wusste nicht, welcher von Lucans Sinnen zuerst reagierte, aber das Gebrüll, das er ausstieß, als er den Kopf hob und sah, was sie getan hatte, brachte jedes Möbelstück im Raum zum Zittern.
„Verdammt noch mal – Gabrielle!“
Die Klinge sprang aus ihrem Griff, wurde durchs ganze Schlafzimmer geschleudert und bohrte sich am anderen Ende des Raumes bis zum Heft in die Wand.
Lucan bewegte sich so schnell, dass sie ihm kaum mit Blicken folgen konnte. In der einen Sekunde stand er noch mehrere Schritte entfernt am Fußende des Bettes, in der nächsten schloss sich seine große Hand hart um ihre und zog sie auf die Beine. Blut quoll aus der dünnen Linie ihrer Schnittwunde, saftiges, tiefes Rot, und lief an ihrem Arm entlang. Ihre Hand steckte fest in Lucans zermalmendem Griff.
Er überragte sie wie eine Mauer aus finsterer, schäumender Wut.
Seine Brust hob und senkte sich, und seine Nüstern weiteten sich, als er heftig ein- und ausatmete. Sein attraktives Gesicht war verzerrt von Schmerz und Entrüstung, aber seine Augen brannten durch die unverkennbare Hitze seines Hungers. Keine Spur von Grau war mehr darin übrig, und seine Pupillen hatten sich zu schwarzen Schlitzen verengt. Seine Fangzähne wurden lang, und ihre scharfen weißen Spitzen glitzerten hinter den grausam gekräuselten Lippen.
„Jetzt versuch mir zu sagen, dass du nicht brauchst, was ich dir anbiete“, flüsterte sie wild.
Schweiß glitzerte auf seiner Stirn, als er auf ihre frische, blutende Wunde starrte. Er leckte sich die Lippen und stieß ein Wort in einer anderen Sprache hervor.
Es klang nicht freundlich.
„Warum?“, verlangte er in anklagendem Ton zu wissen. „Warum tust du mir das an?“
„Weißt du es wirklich nicht?“ Sie hielt seinem wilden Blick stand, trotzte seiner Wut, während die Blutstropfen eine Spur auf ihrem schneeweißen Bademantel hinterließen. „Weil ich dich liebe, Lucan. Und das ist alles, was ich dir geben kann.“
Lucan dachte, er wüsste, was Hunger war. Er dachte, er wüsste, was Wut, Verzweiflung und Verlangen waren, aber jedes armselige Gefühl, das er in seinem ganzen alterslosen Leben je gekannt hatte, zerfiel zu bedeutungslosem Staub, als er in Gabrielles braune Augen blickte.
Seine Sinne waren überwältigt, als er in dem süßen Jasminduft ihres Blutes ertrank, dessen Quelle seinem Mund so gefährlich nahe kam. Glänzend rot und dick wie Honig quoll das karmesinrote Rinnsal aus der kleinen Wunde, die sie sich selbst beigebracht hatte.
„Ich liebe dich, Lucan.“ Ihre sanfte Stimme durchdrang das Pochen seines eigenen Herzens und das wilde Verlangen, das ihn nun verschlang. „Mit oder ohne Blut, das uns verbindet, ich liebe dich.“
Er konnte nicht sprechen, wusste nicht einmal, was er gesagt hätte, wenn seine ausgedörrte Kehle Worte hätte bilden können. Mit einem wilden Knurren stieß er sie weg, zu schwach, um in ihrer Nähe zu sein, wenn die ganze Dunkelheit in ihm ihn bedrängte, sie auf diese endgültige, unwiderrufliche Art zu der Seinen zu machen.
Gabrielle fiel rücklings auf das Bett, und der lose Gürtel ihres Bademantels hielt diesen kaum über ihrem nackten Körper zusammen. Grellrote Tropfen sprenkelten den weißen Ärmel und den Kragenaufschlag. Auch auf ihrem bloßen Schenkel war ein halb verschmierter Blutfleck, leuchtete scharlachrot auf ihrer Pfirsichhaut.