Dante nahm all das kaum wahr. Er eilte auf die schrecklichen Geräusche zu, die aus dem Schuppen drangen. Die nassen, glitschigen Laute der Nahrungsaufnahme von Vampiren waren ihm nicht fremd, aber die Vorstellung, dass sie Tess verletzen könnten, schraubte seine Wut in nukleare Dimensionen. Er stürmte zu der klappernden Schuppentür und riss sie mit einer Hand auf. Die Tür segelte quer nach hinten auf die leere Parzelle und war augenblicklich vergessen.
Zwei Rogues hielten Tess auf den Boden des Nebengebäudes gedrückt; einer saugte an ihrem Handgelenk, der andere machte sich an ihrem Hals zu schaffen. Sie lag bewegungslos unter ihnen; so reglos, dass Dantes Herz vor Entsetzen gefror, als er die Situation überblickte. Er fühlte, dass sie noch lebte. Er konnte ihren schwachen Puls als leichtes Echo in seinen eigenen Adern hören. Noch wenige Sekunden, und sie hätten sie ausgeblutet.
Dante stieß ein Gebrüll aus, das die umliegenden Gebäude erschütterte. Seine Wut kochte über und brach aus ihm heraus wie ein schwarzer Sturm. Der Vampir an Tess’ Handgelenk prallte mit einem Fauchen zurück, ihr Blut lief ihm über die aufgeworfenen Lippen und färbte seine Fänge scharlachrot. Der Rogue drehte sich mitten in der Luft, flog hoch in die Ecke der Decke und hing dort wie eine Spinne.
Dante verfolgte den Blitz der Bewegung, zog eine
Der Rogue duckte sich vor Tess’ schlaffen Körper und funkelte Dante mit entblößten Fängen und wilden gelben Augen an. Der Kerl schien unter seiner Blutgier noch jung, die ihn in eine Bestie verwandelt hatte. Wahrscheinlich war er einer der vermissten Zivilisten aus dem Dunklen Hafen.
Es spielte keine Rolle – nur ein toter Rogue war ein guter Rogue – und ganz besonders dieser, der seine Hände und seinen Mund überall auf Tess gehabt und ihr kostbares Leben aus ihr herausgesaugt hatte.
Und sie vielleicht bereits getötet hatte, wenn Dante sie nicht schnell hier rausschaffte.
Sein Blut schrie gellend in seinen Muskeln; der Schmerz von Tess und auch ein Schmerz, der gänzlich seiner war, elektrisierten ihn für den Kampf. Dante legte seine Fänge bloß und stürzte sich mit Gebrüll auf den Rogue. Er wollte am liebsten ein Blutbad anrichten, höllische Vergeltung üben, den Scheißkerl Stück für Stück in Fetzen reißen, ehe er ihn mit einer seiner Klingen ausweidete. Doch das hatte jetzt keine Priorität. Das Einzige, was zählte, war Tess zu retten.
Er packte den zuschnappenden Rachen des Rogues, hebelte seinen Arm hinein und riss ihn hart runter, bis Knochen brachen und Sehnen zerrissen. Als der Mistkerl aufschrie, nahm Dante eine Klinge in die freie Hand und stieß den Stahl in die Brust des Rogues. Den brutzelnden Leichnam stieß er beiseite und eilte zu Tess.
„O Gott.“ Er kniete sich neben sie und hörte ihren schwachen und flachen Atem. Die Wunde an ihrem Handgelenk war hässlich, doch die an ihrem Hals war dramatisch. Ihre Haut war bleich wie Schnee und kühl bei Berührung, als er ihre Hand an seinen Mund führte und ihre schlaffen Finger küsste. „Tess … halte durch, mein Engel. Ich habe dich … ich bring dich hier raus.“
Er hob sie auf, drückte sie sehr sanft an sich und trug sie hinaus ins Freie.
Chase stieg über eine männliche Leiche, die im ersten Stock vor einer offenen Wohnungstür lag. Im Wohnzimmer lief noch der Fernseher. Der alte Mann war übel zugerichtet von einem Rogue, der sich wohl noch im Gebäude aufhielt. Geräuschlos schlich Chase die Stufen zu Sullivans Wohnung hinauf. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und behielt wachsam die Umgebung im Auge. Er hielt die entsicherte Beretta mit nach oben gerichtetem Lauf beidhändig vor der rechten Schulter, sodass er im Bruchteil einer Sekunde die Waffe in Position bringen und die Titanium-Kugeln abfeuern konnte. Der Rogue, der sich sorglos oben in der Wohnung aufhielt, war schon so gut wie tot.
Am Ende der Treppe angekommen, blieb Chase im Flur vor der offen stehenden Wohnungstür stehen und wartete. Durch den Spalt neben dem Türpfosten sah er, dass die Wohnung geplündert worden war. Die Rogues hatten nach etwas gesucht – aber mit Sicherheit nicht nach Sullivan, es sei denn, sie hatten erwartet, ihn in einer der vielen umgedrehten Schubladen zu finden. Er sah drinnen eine plötzliche Bewegung und duckte sich blitzartig. Der Rogue kam mit einem Schlachtermesser aus der Küche und begann die Sesselpolster aufzuschneiden.