Читаем 0701759001361827618 adrian lara - midnight breed 02 полностью

Er erhob sich, drehte sich um und erschrak heftig, als sein furchteinflößender Schirmherr direkt vor ihm stand. Ben hatte keinerlei Bewegung wahrgenommen, dennoch war er plötzlich da und ragte bedrohlich vor ihm auf. Ben sah sein eigenes erbärmliches Spiegelbild im Glas der Sonnenbrille. Es sah verzweifelt und erschrocken aus, wie eine in die Ecke getriebene Beute vor einem wilden Raubtier.

„Das führt zu nichts, Mr. Sullivan. Und ich verliere langsam die Geduld.“

„Sie sagten zwei Stunden“, merkte Ben an. „Ich habe noch ein paar Minuten …“

„Nicht verhandelbar.“ Der grausame Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen und ließ die Spitzen seiner scharfen, weißen Fangzähne sehen.

„Die Zeit ist um.“

„O Gott.“ Ben prallte zurück und stieß gegen den Stuhl hinter ihm, der mit dem gefesselten Jungen auf quietschenden Rädern wegrollte. Ben stolperte, fiel hin und versuchte kriechend weiter weg zu kommen. Da krallten sich kräftige Finger in seine Schultern, hoben ihn in die Luft, als wäre er gewichtslos, schleuderte ihn herum und warfen ihn gegen die Wand. Unerträglicher Schmerz schoss durch seinen Hinterkopf, und er sackte zusammen wie ein zerknautschter Haufen. Benommen fasste er sich an den Kopf und sah dann seine Hand an. Die Finger waren voller Blut.

Als er seinen verschwommenen Blick auf die anderen im Raum richtete, zog sich sein Herz vor Angst zusammen. Beide Wachen starrten ihn an, ihre Pupillen zu dünnen Schlitzen verengt, fixierten ihn mit glühenden, bernsteinfarbenen Augen wie Flutlichter. Einer von ihnen öffnete mit einem kratzenden Fauchen den Mund und zeigte seine bloßen, riesigen Fangzähne.

Sogar Camdens Aufmerksamkeit war aus mehreren Metern Entfernung geweckt. Die Augen des Jungen glommen unter den Strähnen seiner Haare auf, seine Lippen kräuselten sich und gaben lange, schimmernde Reißzähne frei.

So angsteinflößend all diese Fratzen auch waren, sie waren nichts im Vergleich zu dem eiskalten Herannahen dessen, der hier das Sagen hatte. Er schlenderte auf seinen polierten schwarzen Schuhen geräuschlos über den Betonboden auf Ben zu. Er hob seine Hand, und Ben stieg in die Luft und wurde wieder auf die Füße gestellt, als hinge er an unsichtbaren Fäden.

„Bitte“, keuchte Ben und schnappte nach Luft. „Was Sie auch vorhaben, bitte … tun Sie es nicht. Ich kann die Formel besorgen, ich schwöre es Ihnen. Ich werde tun, was immer Sie verlangen!“

„Ja, Mr. Sullivan. Das werden Sie.“

Er bewegte sich so schnell, dass Ben nicht wusste, wie ihm geschah, bis er den harten Biss der Fangzähne in seinem Hals spürte. Ben wand sich, schmeckte sein eigenes Blut, das aus der Wunde lief, hörte die nassen, schmatzenden Geräusche der Kreatur, die sich tief in seine Arterie grub. Bens Kampfgeist nahm mit jedem saugenden Zug ab. Schwebend hing er an der Wand und fühlte, wie das Leben aus ihm wich; fühlte, wie Bewusstsein und Wille sich ausblendeten. Er lag im Sterben, und alles, was ihn einmal ausgemacht hatte, flog weg von ihm in einen Abgrund aus undurchdringlicher Dunkelheit.

„Komm schon, Harvard, oder wie auch immer du wirklich heißt“, sagte Tess und führte den kleinen Terrier über die Straße, als die Ampel auf Grün umsprang.

Nachdem sie um achtzehn Uhr die Klinik dichtgemacht hatte, beschloss sie, einen Spaziergang zu Bens Wohnung im Süden der Stadt zu unternehmen. Es war ein letzter Versuch, ihn selbst zu finden, bevor sie bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgab. Wenn er wieder im Drogengeschäft war, hatte er es verdient, eingesperrt zu werden. Doch tief in ihrem Innern sorgte sie sich um ihn und wollte versuchen, auf ihn einzuwirken, damit er sich professionelle Hilfe holte, bevor die Dinge noch weiter eskalierten.

Bens Wohnviertel war keine nette Gegend, schon gar nicht, wenn es dunkel war, doch Tess hatte keine Angst. Viele ihrer Klienten stammten aus diesem verrufenen Stadtteil, alles gute, hart arbeitende Menschen. Es hatte sogar eine gewisse Ironie: Wenn in diesem Komplex aus dicht an dicht stehenden Mietskasernen jemand Gefährliches hauste, dann war das wohl am ehesten der Dealer aus Apartment 3b des Gebäudes, vor dem Tess jetzt stand.

Ein Fernseher plärrte aus einer Wohneinheit im ersten Stock und warf ein gespenstisches blaues Licht auf den Gehweg. Tess sah hinauf zu Bens Fensterreihe und suchte nach Anzeichen dafür, dass er zu Hause war. Die schäbigen weißen Jalousien an den Balkon-Schiebetüren und am Schlafzimmerfenster waren heruntergezogen und geschlossen. Die ganze Wohnung lag im Dunkeln. Weder irgendeine Bewegung noch das kleinste bisschen Licht waren in dem Apartment auszumachen.

Oder … war da nicht …?

Obwohl es schwer zu sagen war, hätte sie schwören können, dass eine der Blenden gegen das Fenster gedrückt wurde – als hätte jemand sie bewegt oder wäre an ihnen vorbeigegangen und hätte sie dabei achtlos berührt.

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