Am meisten "argerte er sich – und dies verursachte haupts"achlich seine Unzufriedenheit mit dem Amt – wenn er von den Vorstellungen h"orte, die man sich von ihm machte, wie er etwa immerfort mit dem Dreizack durch die Fluten kutschiere. Unterdessen sass er hier in der Tiefe des Weltmeeres und rechnete ununterbrochen, hie und da eine Reise zu Jupiter war die einzige Unterbrechung der Eint"onigkeit, eine Reise "ubrigens, von der er meistens w"utend zur"uckkehrte. So hatte er die Meere kaum gesehn, nur fl"uchtig beim eiligen Aufstieg zum Olymp, und niemals wirklich durchfahren. Er pflegte zu sagen, er warte damit bis zum Weltuntergang, dann werde sich wohl noch ein stiller Augenblick ergeben, wo er knapp vor dem Ende nach Durchsicht der letzten Rechnung noch schnell eine kleine Rundfahrt werde machen k"onnen.
17. GEMEINSCHAFT
Wir sind f"unf Freunde, wir sind einmal hintereinander aus einem Haus gekommen, zuerst kam der eine und stellte sich neben das Tor, dann kam oder vielmehr glitt so leicht, wie ein Quecksilberk"ugelchen gleitet, der zweite aus dem Tor und stellte sich unweit vom ersten auf, dann der dritte, dann der vierte, dann der f"unfte. Schliesslich standen wir alle in einer Reihe. Die Leute wurden auf uns aufmerksam, zeigten auf uns und sagten: »Die f"unf sind jetzt aus diesem Haus gekommen.« Seitdem leben wir zusammen, es w"are ein friedliches Leben, wenn sich nicht immerfort ein sechster einmischen w"urde. Er tut uns nichts, aber er ist uns l"astig, das ist genug getan; warum dr"angt er sich ein, wo man ihn nicht haben will. Wir kennen ihn nicht und wollen ihn nicht bei uns aufnehmen. Wir f"unf haben zwar fr"uher einander auch nicht gekannt, und wenn man will, kennen wir einander auch jetzt nicht, aber was bei uns f"unf m"oglich ist und geduldet wird, ist bei jenem sechsten nicht m"oglich und wird nicht geduldet. Ausserdem sind wir f"unf und wir wollen nicht sechs sein. Und was soll "uberhaupt dieses fortw"ahrende Beisammensein f"ur einen Sinn haben, auch bei uns f"unf hat es keinen Sinn, aber nun sind wir schon beisammen und bleiben es, aber eine neue Vereinigung wollen wir nicht, eben auf Grund unserer Erfahrungen. Wie soll man aber das alles dem sechsten beibringen, lange Erkl"arungen w"urden schon fast eine Aufnahme in unsern Kreis bedeuten, wir erkl"aren lieber nichts und nehmen ihn nicht auf. Mag er noch so sehr die Lippen aufwerfen, wir stossen ihn mit dem Ellbogen weg, aber m"ogen wir ihn noch so sehr wegstossen, er kommt wieder.
18. NACHTS
Versunken in die Nacht. So wie man manchmal den Kopf senkt, um nachzudenken, so ganz versunken sein in die Nacht. Ringsum schlafen die Menschen. Eine kleine Schauspielerei, eine unschuldige Selbstt"auschung, dass sie in H"ausern schlafen, in festen Betten, unter festem Dach, ausgestreckt oder geduckt auf Matratzen, in T"uchern, unter Decken, in Wirklichkeit haben sie sich zusammengefunden wie damals einmal und wie sp"ater in w"uster Gegend, ein Lager im Freien, eine un"ubersehbare Zahl Menschen, ein Heer, ein Volk, unter kaltem Himmel auf kalter Erde, hingeworfen wo man fr"uher stand, die Stirn auf den Arm gedr"uckt, das Gesicht gegen den Boden hin, ruhig atmend. Und du wachst, bist einer der W"achter, findest den n"achsten durch Schwenken des brennenden Holzes aus dem Reisighaufen neben dir. Warum wachst du? Einer muss wachen, heisst es. Einer muss da sein.
19. DIE ABWEISUNG
Unser St"adtchen liegt nicht etwa an der Grenze, bei weitem nicht, zur Grenze ist es noch so weit, dass vielleicht noch niemand aus dem St"adtchen dort gewesen ist, w"uste Hochl"ander sind zu durchqueren, aber auch weite fruchtbare L"ander. Man wird m"ude, wenn man sich nur einen Teil des Weges vorstellt, und mehr als einen Teil kann man sich gar nicht vorstellen. Auch grosse St"adte liegen auf dem Weg, viel gr"osser als unser St"adtchen. Zehn solche St"adtchen, nebeneinander gelegt, und von oben noch zehn solche St"adtchen hineingezw"angt, ergeben noch keine dieser riesigen und engen St"adte. Verirrt man sich nicht auf dem Weg dorthin, so verirrt man sich in den St"adten gewiss, und ihnen auszuweichen ist wegen ihrer Gr"osse unm"oglich.
Aber doch noch weiter als bis zur Grenze ist, wenn man solche Entfernungen "uberhaupt vergleichen kann – es ist so, als wenn man sagte, ein dreihundertj"ahriger Mann ist "alter als ein zweihundertj"ahriger –, also noch viel weiter als bis zur Grenze ist es von unserem St"adtchen zur Hauptstadt. W"ahrend wir von den Grenzkriegen hie und da doch Nachrichten bekommen, erfahren wir aus der Hauptstadt fast nichts, wir b"urgerlichen Leute meine ich, denn die Regierungsbeamten haben allerdings eine sehr gute Verbindung mit der Hauptstadt, in zwei, drei Monaten k"onnen sie schon eine Nachricht von dort haben, wenigstens behaupten sie es.