Dieser ganze Vorfall ist nicht vereinzelt, so geht es allgemein zu. Es kommt zwar vor, dass hie und da kleine Bitten erf"ullt werden, aber dann ist es so, als h"atte das der Oberst auf eigene Verantwortung als m"achtige Privatperson getan, es muss – gewiss nicht ausdr"ucklich, aber der Stimmung nach – f"ormlich vor der Regierung geheim gehalten werden. Nun sind ja in unserem St"adtchen die Augen des Obersten, soweit wir es beurteilen k"onnen, auch die Augen der Regierung, aber doch wird hier ein Unterschied gemacht, in den vollst"andig nicht einzudringen ist.
In wichtigen Angelegenheiten aber kann die B"urgerschaft einer Abweisung immer sicher sein. Und nun ist es eben so merkw"urdig, dass man ohne diese Abweisung gewissermassen nicht auskommen kann, und dabei ist dieses Hingehn und Abholen der Abweisung durchaus keine Formalit"at. Immer wieder frisch und ernst geht man hin und geht dann wieder von dort, allerdings nicht geradezu gekr"aftigt und begl"uckt, aber doch auch gar nicht entt"auscht und m"ude. Ich muss mich bei niemandem nach diesen Dingen erkundigen, ich f"uhle es in mir selbst wie alle. Und nicht einmal eine gewisse Neugierde, den Zusammenh"angen dieser Dinge nachzuforschen.
Es gibt allerdings, so weit meine Beobachtungen reichen, eine gewisse Altersklasse, die nicht zufrieden ist, es sind etwa die jungen Leute zwischen siebzehn und zwanzig. Also ganz junge Burschen, die die Tragweite des unbedeutendsten, wie erst gar eines revolution"aren Gedankens nicht von der Ferne ahnen k"onnen. Und gerade unter sie schleicht sich die Unzufriedenheit ein.
20. ZUR FRAGE DER GESETZE
Unsere Gesetze sind nicht allgemein bekannt, sie sind Geheimnis der kleinen Adelsgruppe, welche uns beherrscht. Wir sind davon "uberzeugt, dass diese alten Gesetze genau eingehalten werden, aber es ist doch etwas "ausserst Qu"alendes, nach Gesetzen beherrscht zu werden, die man nicht kennt. Ich denke hierbei nicht an die verschiedenen Auslegungsm"oglichkeiten und die Nachteile, die es mit sich bringt, wenn nur einzelne und nicht das ganze Volk an der Auslegung sich beteiligen d"urfen. Diese Nachteile sind vielleicht gar nicht sehr gross. Die Gesetze sind ja so alt, Jahrhunderte haben an ihrer Auslegung gearbeitet, auch diese Auslegung ist wohl schon Gesetz geworden, die m"oglichen Freiheiten bei der Auslegung bestehen zwar immer noch, sind aber sehr eingeschr"ankt. Ausserdem hat offenbar der Adel keinen Grund, sich bei der Auslegung von seinem pers"onlichen Interesse zu unseren Ungunsten beeinflussen zu lassen, denn die Gesetze sind ja von ihrem Beginne an f"ur den Adel festgelegt worden, der Adel steht ausserhalb des Gesetzes, und gerade deshalb scheint das Gesetz sich ausschliesslich in die H"ande des Adels gegeben zu haben. Darin liegt nat"urlich Weisheit – wer zweifelt die Weisheit der alten Gesetze an? -, aber eben auch Qual f"ur uns, wahrscheinlich ist das unumg"anglich.