Da es aber nicht so ist; eine sch"one Dame, weiss und rot, hereinfliegt, zwischen den Vorh"angen, welche die stolzen Livrierten vor ihr "offnen; der Direktor, hingebungsvoll ihre Augen suchend, in Tierhaltung ihr entgegenatmet; vorsorglich sie auf den Apfelschimmel hebt, als w"are sie seine "uber alles geliebte Enkelin, die sich auf gef"ahrliche Fahrt begibt; sich nicht entschliessen kann, das Peitschenzeichen zu geben; schliesslich in Selbst"uberwindung es knallend gibt; neben dem Pferde mit offenem Munde einherl"auft; die Spr"unge der Reiterin scharfen Blickes verfolgt; ihre Kunstfertigkeit kaum begreifen kann; mit englischen Ausrufen zu warnen versucht; die reifenhaltenden Reitknechte w"utend zu peinlichster Achtsamkeit ermahnt; vor dem grossen Saltomortale das Orchester mit aufgehobenen H"anden beschw"ort, es m"oge schweigen; schliesslich die Kleine vom zitternden Pferde hebt, auf beide Backen k"usst und keine Huldigung des Publikums f"ur gen"ugend erachtet; w"ahrend sie selbst, von ihm gest"utzt, hoch auf den Fussspitzen, vom Staub umweht, mit ausgebreiteten Armen, zur"uckgelehntem K"opfchen ihr Gl"uck mit dem ganzen Zirkus teilen will – da dies so ist, legt der Galeriebesucher das Gesicht auf die Br"ustung und, im Schlussmarsch wie in einem schweren Traum versinkend, weint er, ohne es zu wissen.
4. EIN ALTES BLATT
Es ist, als w"are viel vernachl"assigt worden in der Verteidigung unseres Vaterlandes. Wir haben uns bisher nicht darum gek"ummert und sind unserer Arbeit nachgegangen; die Ereignisse der letzten Zeit machen uns aber Sorgen.
Ich habe eine Schusterwerkstatt auf dem Platz vor dem kaiserlichen Palast. Kaum "offne ich in der Morgend"ammerung meinen Laden, sehe ich schon die Eing"ange aller hier einlaufenden Gassen von Bewaffneten besetzt. Es sind aber nicht unsere Soldaten, sondern offenbar Nomaden aus dem Norden. Auf eine mir unbegreifliche Weise sind sie bis in die Hauptstadt gedrungen, die doch sehr weit von der Grenze entfernt ist. Jedenfalls sind sie also da; es scheint, dass jeden Morgen mehr werden.
Ihrer Natur entsprechend lagern sie unter freiem Himmel, denn Wohnh"auser verabscheuen sie. Sie besch"aftigen sich mit dem Sch"arfen der Schwerter, dem Zuspitzen der Pfeile, mit "Ubungen zu Pferde. Aus diesem stillen, immer "angstlich rein gehaltenen Platz haben sie einen wahren Stall gemacht. Wir versuchen zwar manchmal aus unseren Gesch"aften hervorzulaufen und wenigstens den "argsten Unrat wegzuschaffen, aber es geschieht immer seltener, denn die Anstrengung ist nutzlos und bringt uns "uberdies in die Gefahr, unter die wilden Pferde zu kommen oder von den Peitschen verletzt zu werden.
Sprechen kann man mit den Nomaden nicht. Unsere Sprache kennen sie nicht, ja sie haben kaum eine eigene. Unter einander verst"andigen sie sich "ahnlich wie Dohlen. Immer wieder h"ort man diesen Schrei der Dohlen. Unsere Lebensweise, unsere Einrichtungen sind ihnen ebenso unbegreiflich wie gleichg"ultig. Infolgedessen zeigen sie sich auch gegen jede Zeichensprache ablehnend. Du magst dir die Kiefer verrenken und die H"ande aus den Gelenken winden, sie haben dich doch nicht verstanden und werden dich nie verstehen. Oft machen sie Grimassen; dann dreht sich das Weiss ihrer Augen und Schaum schwillt aus ihrem Munde, doch wollen sie damit weder etwas sagen noch auch erschrecken; sie tun es, weil es so ihre Art ist. Was sie brauchen, nehmen sie. Man kann nicht sagen, dass sie Gewalt anwenden. Vor ihrem Zugriff tritt man beiseite und "uberl"asst ihnen alles.
Auch von meinen Vorr"aten haben sie manches gute St"uck genommen. Ich kann aber dar"uber nicht klagen, wenn ich zum Beispiel zusehe, wie es dem Fleischer gegen"uber geht. Kaum bringt er seine Waren ein, ist ihm schon alles entrissen und wird von den Nomaden verschlungen. Auch ihre Pferde fressen Fleisch; oft liegt ein Reiter neben seinem Pferd und beide n"ahren sich vom gleichen Fleischst"uck, jeder an einem Ende. Der Fleischhauer ist "angstlich und wagt es nicht, mit den Fleischlieferungen aufzuh"oren. Wir verstehen das aber, schiessen Geld zusammen und unterst"utzen ihn. Bek"amen die Nomaden kein Fleisch, wer weiss, was ihnen zu tun einfiele; wer weiss allerdings, was ihnen einfallen wird, selbst wenn sie t"aglich Fleisch bekommen.
Letzthin dachte der Fleischer, er k"onne sich wenigstens die M"uhe des Schlachtens sparen, und brachte am Morgen einen lebendigen Ochsen. Das darf er nicht mehr wiederholen. Ich lag wohl eine Stunde ganz hinten in meiner Werkstatt platt auf dem Boden und alle meine Kleider, Decken und Polster hatte ich "uber mir aufgeh"auft, nur um das Gebr"ull des Ochsen nicht zu h"oren, den von allen Seiten die Nomaden ansprangen, um mit den Z"ahnen St"ucke aus seinem warmen Fleisch zu reissen. Schon lange war es still, ehe ich mich auszugehen getraute; wie Trinker um ein Weinfass lagen sie m"ude um die Reste des Ochsen.