Unsere Kajüte ist nicht groß. Eine Wand ist halbrund und hat ein rundes Fenster. Wenn das Fenster nicht gebraucht wird, ist es von außen mit einer dicken Stahlplatte abgedichtet. Die Rückwand ist gerade und reicht von einer Bordwand zur andern. In ihr befindet sich die „Tür“, eine runde Öffnung mit einem Durchmesser von einem Meter.
Wenn ich die Kajüte verlassen will, stoße ich midi irgendwo leicht ab und gleite durch die Tür hindurch wie ein Fisch. Die beiden Seitenwände stellen regelmäßige Halbkreise dar und haben keine Öffnungen. An die eine ist der Tisch festgeschraubt, an dem ich jetzt mitten in der Luft „sitze“.
Außer dem Tisch befindet sich in der Kabine ein Schrank, in dem wir neben Instrumenten und Geräten auch unsere Privatsachen halten. Er ist aus Aluminium und nimmt die ganze dem Tisch gegenüberliegende Wand ein.
Betten gibt es in der Kajüte nicht. Zu beiden Seiten des Fensters hängen zwei Netze mit Metallschnallen. In die Netze legen wir uns schlafen. Das geht so vor sich: Wir stoßen uns irgendwo ab, gleiten durch die Luft auf unsere Netze zu, kriechen hinein und schließen die Schnallen. Der schwerelose Körper übt keinerlei Druck aus, man schläft in jeder Lage wie auf Daunen. Das Netz verhindert, daß der Körper während des Schlafens in der Kajüte herumgeistert.
Wir dürfen nämlich nicht vergessen, daß in unserer schwerelosen Welt ab und zu eine kaum merkliche Schwerkraft entsteht, und zwar dann, wenn sich das Schiff um seine Längsachse dreht. So gering diese Kraft auch ist, genügt sie doch, um einen ganz woanders aufwachen zu lassen, als wo man sich „hingelegt“ hat. Genauer gesagt, ist das keine Schwerkraft, sondern eine Auswirkung der Fliehkraft.
Während der Drehung beginnt alles, was nicht niet- und nagelfest ist, zu wandern.
Dieselbe Kraft erzeugt auch das Trugbild, das wir vom Fenster aus genießen können. Im Augenblick der Drehung entsteht der Eindruck, daß sich das ganze Weltall in Bewegung setzt und langsam um das Schiff kreist. Ein unbeschreibliches Schauspiel!
Eine wichtige Einzelheit muß ich noch erwähnen. Die runde Tür ist stets durch einen Deckel hermetisch abgeschlossen. Wenn wir uns von einem Raum in den andern begeben, sind wir verpflichtet, alle Türen hinter uns zu schließen; dazu braucht man nur auf einen Knopf zu drücken. Diese Maßnahme hat ihren Grund. Der Weltraum ist nicht leer. In ihm bewegen sich zahllose Materieteilchen aller Größen, vom Staubkorn bis zu großen Massen. Nach Kamows Ansicht ist ein Zusammenstoß mit derartigen wandernden Körpern kaum möglich, und dennoch ist er nicht ausgeschlossen. Wenn einer dieser Körper, und sei es auch nur ein winziges Teilchen, gegen das Schiff flöge, käme es bei der beiderseitigen gewaltigen Geschwindigkeit zu einer mehr oder minder starken Explosion. In der Bordwand entstünde ein Leck, und da außerhalb des Schiffes ein absolutes Vakuum herrscht, würde die im Inneren vorhandene Luft unaufhaltsam durch dieses Leck entweichen.
In wenigen Sekunden wäre die gesamte Besatzung des Raumschiffes tot. Da das Schiff in hermetisch abgeschlossene Zellen eingeteilt ist, kommt aber ein derartiges Ende der Expedition kaum in Betracht.
Wird die Bordwand in einem Augenblick durchschlagen, da sich jemand in der Kajüte aufhält, und ist die Explosion nicht allzu stark, so kann sich der Betreffende retten, indem er ein Pflaster auf die Einschlagstelle legt. Solche Pflaster liegen überall in verschiedenen Größen griffbereit.
Soeben hatte Paitschadse die Kajüte „betreten“. Um die Schranktür zu öffnen, nahm er eine solche Stellung ein, daß er im rechten Winkel über meinem Kopf hing.
Ich wußte, daß sowohl er als auch die im Schrank enthaltenen Gegenstände nicht auf mich herunterfallen konnten, aber die Macht der „irdischen“ Gewohnheit ließ mich eine Bewegung zur Seite tun. Das Heft flog sofort in die entgegengesetzte Richtung.
Paitschadse bemerkte es und lachte. Er nahm ein Gerät aus dem Schrank und glitt dann durch eine geschickte Wendung in der Luft an meine Seite. Dabei gelang es ihm, mein Heft aufzufangen. „Darf ich darin lesen?“ fragte er.
Ich nickte. Er studierte aufmerksam die letzten Seiten.
„Die physikalischen Erscheinungen in dem Schiff sind gut geschildert“, sagte er, als er mir das Heft zurückgab, „warum haben Sie aber den Start nicht beschrieben?“
„Dieses. Tagebuch ist nur ein Konzept“, sagte ich. „Ich schreibe, wie es gerade kommt. Den Start schildere ich noch.“
„Man darf nie etwas tun, wie es gerade kommt!“ Er legte mir die Hand auf die Schulter, worauf ich sogleich etwas absackte. „Sie nehmen mir’s doch nicht übel, was?“
„Aber nein, Arsen Georgijewitsch! Natürlich nicht.“
In der Nacht vor dem Start schlief ich wider Erwarten gut.