Ihre tief religiösen Ängste machten sich in einem erschrockenen Schrei Luft und drängten sie zum Zimmereingang zurück, wo sie stehen blieb. Gleich darauf machte sie kehrt: Wenn sie das hier nicht beseitigte, würde sie vielleicht die Arbeit verlieren. Und das konnte sie sich nicht leisten, gerade jetzt nicht, wo Gino mit dem Studium anfing.
Heftig atmend machte sich Maria ans grässliche Werk. Sie begann damit, dass sie sich den Fußboden vornahm und aufwischte. Es verblüffte sie, wie schwer es war, das Blut von den Fliesen zu schrubben. Ihr wurde fast schlecht davon. Selbst an der Zimmerdecke klebte Blut.
Während sie schrubbte, konnte sie nicht umhin, sich im Kopf die einzelnen Szenen des Verbrechens auszumalen.
Während ihre stämmigen Beine sie kaum noch trugen, beugte sich Maria vor, um unter dem Bett sauber zu machen. Als sie zum dritten Mal schnell darunter fuhr, erwischte der Mopp eine zusammengeknüllte Papierkugel. Fast hätte sie die Kugel in den großen Müllsack geworfen, der an ihrem Karren befestigt war; doch dann hielt sie inne und entfaltete das Papier, da sie sich daran erinnerte, dass der alte Mann Künstler gewesen war.
Mit verwirrter Miene musterte sie die Zeichnungen eine Minute lang und legte sie danach zur Seite. Später, wenn sie hier fertig war, würde sie das Blatt der Krankenschwester geben.
Der Mann, der Vince Bateman gegenüber saß - er zeigte bereits Ansätze zur Glatze und hatte ein vogelartiges Gesicht blätterte fast ehrfürchtig durch den dicken Stapel von Zeichnungen. Peter Lloyd leitete die Psychiatrische Abteilung am Penatanguishene, der Landesklinik für geistig behinderte oder geistesgestörte Menschen, die straffällig geworden waren.
Bateman, in elegantes Glencheck gewandet und adrett wie immer, ging hinter seinem Schreibtisch auf und ab. »Seit der Tat hab ich bestimmt schon ein dutzend Mal mit Bowman gesprochen, und er besteht immer noch darauf, dass seine Geschichte die reine Wahrheit ist. Seine Wahnvorstellungen sitzen tief, Peter. Anfangs dachte ich, sie könnten einfach eine Art Reaktion sein - schließlich hat er seine Frau verloren und beinahe auch noch sein einziges Kind. Aber er weigert sich, von der Vorstellung abzurücken, dass der alte Mann irgendein böser Magier gewesen ist. Ein Magier, der sich für den Tod seiner Enkelin ... oder Tochter ... an ihm gerächt hat. Bowman hat auch irgendetwas Übles von Inzest dahergeschwafelt.«
Dr. Lloyd musterte Bateman über die halben Brillengläser hinweg. »Wie hat Bowman bei seiner Vorstrafe überhaupt die Zulassung zur Medizinischen Hochschule geschafft?«
»Er hat Fahrerflucht begangen, ist gemeinsam mit seinen Freunden getürmt ... Sofern man diesem Teil seiner Geschichte Glauben schenken möchte.«
Lloyd schüttelte mit einer Müdigkeit, die tief in seinen Augen lag, den Kopf. »Was ist mit seiner Tochter geschehen?«
»Sie hat sich wieder erholt. Offenbar haben die Ärzte und Schwestern in Massachusetts nicht damit gerechnet, zumindest nicht mit einer vollständigen Genesung. Derzeit wohnt sie bei Verwandten.«
»Durfte er sie schon sehen?«
»Nein, noch nicht. Er hat immer noch Phasen, in denen er außerordentlich gewalttätig ist, trotz aller Medikamente. Hat Halluzinationen und Albträume und behauptet, der alte Mann sei mit ihm da drinnen. Ich habe ihm persönlich versichert, dass es seiner Tochter gut geht, aber er will es nicht glauben. Ihre Leute werden selbst entscheiden müssen, wann der beste Zeitpunkt für einen Besuch des Mädchens gekommen ist.«
»Hmmm«, sinnierte Lloyd und warf nochmals einen Blick auf die Zeichnungen. »Was ist das hier?« Er drehte ein arg zerknülltes Blatt so herum, dass Bateman es sehen konnte.
Bateman zuckte nur mit den Achseln. Er weigerte sich, für wahr zu halten, was diese Skizzen enthüllten, obwohl er es tief in seinem Inneren besser wusste. »Eine Putzfrau hat das an dem Abend vor zwei Wochen unter dem Bett des Alten gefunden.«