Immer noch versuchte Scott nach Kräften, die ganze Sache zu leugnen. Er klammerte sich an die illusorische Hoffnung, der Wagen könne jemand anderem gehören ... Aber als er sich durch das offene Seitenfenster beugte, entdeckte er seitlich auf der Fußmatte einen von Kaths Plastikslippern
Zweifellos war das sein eigener Wagen.
Wie ein Schlafwandler kehrte Scott zur Fahrerseite zurück und zerrte an der eingedrückten Tür, deren lädierte Scharniere knirschten. Als er sich setzte, ächzte die Federung unter ihm. Der Fahrersitz rutschte um eine Kerbe zurück, ehe er einrastete. Er legte die Hände aufs Lenkrad und merkte, dass es schräg stand.
Danach schnüffelte er in der Luft herum, spähte unter das Armaturenbrett, auf den Beifahrersitz, auf den Rücksitz. Neben den Eigengerüchen des Wagens, der immer noch neu roch, war noch etwas anderes auszumachen, ein Gestank nach Moder und Feuchtigkeit. Der üble Geruch erinnerte ihn daran, wie er zu Hause einmal eine tote Maus hinter der Waschmaschine im Keller gefunden hatte.
Es stank nach Verwesung und Schimmel, vermischt mit Feuchtigkeit und Moder. Konnte das derselbe Geruch sein, der ihm in der Umgebung des Leichnams auf der Bahre aufgefallen war, in der Notaufnahme? War das der Hauch des Todes?
Gleich darauf entdeckte er den Deckel der Kühlbox, der sich durch die Wucht des Aufpralls vom Behälter gelöst hatte. Er griff nach hinten, um ihn ganz herunterzuschieben. In der Box schwamm ein angebissenes, mit Käse, Schinken, Tomaten und Salat belegtes Sandwich in einer trüben Brühe. Es roch ranzig.
Nachdem Scott den Deckel wieder zugedrückt hatte, stieg er aus dem Wagen. Sicher, man konnte den Volvo noch reparieren, aber ihm war klar, dass er ihn nie wieder fahren würde. Nach dem heutigen Tag wollte er ihn für immer aus den Augen haben. Er würde dem Automechaniker sagen, er solle den Volvo abschleppen und dorthin bringen lassen, wo man ihn entweder zum Ausschlachten verkaufen oder verschrotten konnte.
Er wandte sich wieder Holley zu, der geduldig wartend an seinem Mercedes lehnte. Doch dann fiel ihm plötzlich eine Sache ein, die ihn dazu brachte, sich durch die offene Tür zu beugen. Er musste etwas überprüfen.
Tatsächlich, der Rücksitz war mit funkelnden Glasscherben übersät.
Als Scott den Kopf hastig zurückzog, stieß er sich am Türrahmen. Wie konnte Glas auf dem Rücksitz liegen? Holley hatte gesagt, der Wagen sei außer Kontrolle geraten, herumgeschleudert und gegen eine Steinmauer geprallt. Wenn es so gewesen wäre, hätte die Windschutzscheibe - sofern sie überhaupt beschädigt worden wäre - nach außen zerschellen müssen, nicht nach innen.
Holleys Beeper meldete sich. Die von der Funkverbindung verzerrte Stimme war zwar nur schwach zu verstehen, aber Scott war sicher, dass die Nachricht durchgegeben wurde, unverzüglich das Krankenhaus anzurufen. Gleich darauf entschuldigte sich Holley und eilte in die Werkstatt.
Scotts Magen zog sich vor Angst zusammen. Ging es um Kath? Hatte sich ihr Zustand verschlechtert?
Fast krank vor böser Vorahnung stolperte er Holley hinterher und betrat die Werkstatt. Der hagere Mediziner stand in einem kleinen, schlecht beleuchteten Büro und telefonierte. Kurz darauf reichte er Scott den Hörer: »Ist für Sie.«
Mit weichen Knien machte Scott einen Schritt vorwärts. Holleys Augen verrieten ihm nichts. Während er den Hörer entgegennahm, kämpfte er gegen eine pessimistische Stimme in seinem Kopf an, die sich weigerte, Ruhe zu geben:
»Hallo?«
Stille. Dann ein ersticktes Schluchzen.
»Was ist los?« Scott stellten sich die Nackenhärchen auf »Was ist passiert?«
Erneutes Schweigen, diesmal kürzer. Und dann war Caroline am Apparat Als Scott hörte, dass sie weinte, drohten seine Knie nachzugeben.
»Scott?« Carolines Schluchzer gingen in ein lautes, hysterisches Lachen über. »Sie ist aufgewacht! Sie ist wach und fragt nach dir. Bitte komm, Scott ... Komm schnell! Ich bringe es einfach nicht fertig, ihr das alles zu sagen.«