Lübbe fiel. »Sieh da«, sagte Breuer gutmütig. »Immer noch mal ein Versuch! Hast ganz recht.
Warum nicht? Bleib nur auf dem Boden sitzen. Ich habe dich da besser zur Hand.« Er hielt die Hand ans Ohr. »Was? Was sagst du?« »Sie werden euch alle – alle genauso -«
»Ach Unsinn, Lübbe. Das möchtest du wohl. Die machen so was nicht. Sind viel zu fein dazu. Ich werde auch vorher weg sein. Und von euch wird keiner mehr reden.« Er nahm wieder einen Schluck. »Willst du noch eine Zigarette?« fragte er plötzlich.
Lübbe sah ihn an. »Ja«, sagte er.
Breuer steckte ihm eine Zigarette zwischen die blutenden Lippen. »Hier!«
Er zündete ihm die Zigarette an und mit demselben Streichholz auch sich eine.
Beide rauchten und schwiegen. Lübbe wußte, daß er verloren war. Er horchte zum Fenster hinüber. Breuer trank sein Glas aus. Dann legte er die Zigarette weg und griff nach dem Hammer.
»Also, los jetzt.«
»Sei verflucht!« flüsterte Lübbe. Die Zigarette fiel ihm nicht aus dem Mund. Sie klebte an seiner blutigen Oberlippe fest. Breuer schlug einige Male mit der stumpfen Seite des Hammers zu. Es war ein Kompliment für Lübbe, der langsam zusammensank, daß er nicht die spitze Seite genommen hatte.
Eine Weile saß Breuer und brütete vor sich hin. Dann fiel ihm ein, was Lübbe gesagt hatte. Er fühlte sich in einer unklaren Weise betrogen. Lübbe hatte ihn betrogen. Er hätte jammern sollen.
Aber Lübbe hätte nie gejammert; auch nicht, wenn er ihn langsam getötet hätte. Er hätte gestöhnt; aber das galt nichts, das war nur der Körper.
Es war wie lautes Luftholen, nicht mehr. Breuer hörte wieder das Rollen hinter dem Fenster. Irgend jemand mußte noch einmal jammern, diese Nacht, sonst brach alles kaputt. Das war es; er wußte es jetzt. Es konnte nicht so aufhören, mit Lübbe. Lübbe hätte sonst gewonnen gehabt. Schwerfällig stand er auf und ging zur Zelle 4. Er hatte Glück. Eine entsetzte Stimme begann bald zu heulen, zu betteln, zu schreien, zu jammern, und erst nach langer Zeit wurde sie leiser und leiser und verstummte endlich ganz. Breuer kam befriedigt in sein Zimmer zurück. »Siehst du! Wir haben euch doch noch in der Gewalt«, sagte er zur Leiche Lübbes und stieß sie mit dem Fuße an. Der Stoß war nicht heftig; aber irgend etwas in Lübbes Gesicht bewegte sich. Breuer beugte sich hinab; ihm war, als habe Lübbe ihm eine graue Zunge herausgestreckt. Dann entdeckte er, daß die Zigarette im Munde des Toten weitergebrannt hatte bis auf die Lippen; die kleine Aschensäule war durch den Stoß heruntergefallen. Breuer war plötzlich müde. Er hatte keine Lust mehr, den Toten hinauszuschleifen; er schob ihn deshalb mit den Füßen unter das Bett. Es hatte Zeit bis morgen. Eine dunkle Spur blieb auf dem Fußboden. Breuer grinste schläfrig. Und ich konnte mal kein Blut sehen, als ich klein war, dachte er; zu komisch!
XXIII